Über die Arbeit mit Aussteiger_Innen

Einen Teilbereich unserer Recherchen bildet die Arbeit mit Aussteiger_Innen sowie Kontaktpersonen. Dabei sind wir keine Ausstiegshilfe im klassischen Sinne. Wir sind weder Sozialarbeiter_Innen noch in der Beratung tätig. Eine Eingliederung im Alltag wird von uns ebensowenig geleistet wie die Vermittlung einer neuen Wohnung, Lehrstelle oder gar die Gestaltung eines neuen Lebensumfeldes. In diesem Bereich gibt es andere Initiativen, zu denen wir aber bei Bedarf, vertrauensvoll Kontakt herstellen können.

Dennoch leisten wir Hilfestellung sowie Betreuung bei einem Ausstieg aus neonazistischen Zusammenhängen. Wir arbeiten mit Aussteigenden an der Aufarbeitung ihrer jeweiligen Vergangenheit, der Analyse sowie Überwindung ihrer politisch-ideologischen Weltanschauung. Diejenigen, welche aufgrund eines anvisierten 'Ausstiegs' Kontakt zu uns aufnehmen sollten sich darüber bewußt sein, das wir ein solches Ansinnen entsprechend überprüfen. Die Akzeptanz reiner Lippenbekenntnisse liegt uns fern. Ein Ausstieg oder Rückzug aus der politischen 'Szene' wird für Aussteigende mit einer Reihe von umfangreichen Kontaktgesprächen verbunden sein. Kontaktgesprächen die der Informationsgewinnung dienen. Im Gegenzug können wir Unterstützung bei einem Ausstieg leisten. Wenn kein direkter Kontakt gewünscht sein sollte, und somit kein begleitetes Brechen mit der Neonaziszene stattfindet, verweisen wir auch noch auf diesen Weg.

Aus unserer Zielsetzung im Zusammenhang mit Aussteiger_Innen machen wir kein Geheimnis. Es geht primär um Informationsgewinnung. Um Wissen über Personen, deren Netzwerke, deren Strukturen. Diese Informationen können keinen Orakeln entlockt, noch durch das Lesen des täglichen Kaffeesatzes gewonnen werden. Dieses Wissen muss von Menschen erworben werden, von Menschen, welche die Bedingungen, Strukturen und Strategien innerhalb der Neonaziszene durch ihre eigene Mitwirkung, durch ihre eigene Erfahrung kennen.

Unser Vorgehen im Zusammenhang mit Aussteigern mag mancherorts Kritik hervorrufen. Eine Kritik der wir uns stellen. Wir agieren in unserer Arbeit weder passiv, noch nehmen wir eine Verteidigungshaltung gegenüber neonazistischen Strukturen ein. Eine neonazistische Gefahr gesellschaftlich zu bekämpfen ist keine defensive Angelegenheit. Eine defensive Haltung mag Übergriffe eindämmen und vielleicht mancherorts sogar ertragbar gestalten. Aber die Defensive kann Angriffe nicht verhindern. Aus diesem Grund haben wir ein offensives Vorgehen im Umgang mit der Neonaziszene gewählt.

Eine gründliche, und letztlich investigative Recherche muss in die tiefer liegenden Bereiche vordringen. In Bereich welche für die Augen und Ohren normalerweise verschlossen sind. Denn nur wenn die, mitunter verworrenen Strukturen der Neonaziszene, umfassend bekannt sind, kann ihr erfolgeich begegnet werden. Diese Informationen können nicht durch eine abwartende Haltung gewonnen werden. Aus diesem Grund suchen wir einige unserer Informationsquellen direkt innerhalb neonazistischer Strukturen.

Unsere Priorität obliegt der Informationsgewinnung und dem damit einher schreitendem Schutz von Quellen. Unnötig Lärm zu schlagen, gehört nicht zu den, von unseren favorisierten Vorgehensweisen. Identität, Wissen und Lebenslauf der Gesprächspartner_Innen an Tageszeitungen oder gar staatliche Behörden und Instanzen weiterzugeben, sie Ihnen zum vergnüglichem Fraß vorzuwerfen, ist weder unsere Aufgabe noch Handlungsweise. Ausstiegs- und Kontaktgespräche werden, bis auf wenige Ausnahmen, welche unser ureigenes Sicherheitsbedürfnis betreffen, immer in Zusammenarbeit mit Ansprechpartner_Innen aus den jeweiligen Regionen durchgeführt.