22.03.2008 / Sittensen: Brandanschlag auf muslimischen Gebetsraum

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In den Morgenstunden des 22.03.2008 verübten offenbar neofaschistische Täter_innen einen Brandanschlag auf ein Gebetshaus der islamischen Gemeinschaft in Sittensen. Molotow-Cocktails wurden in einen der unteren Räume des Gebäudes geschleudert. Das daraufhin ausgebrochene Feuer erlosch allerdings von alleine. Die Angreifer_innen hinterliessen an den Fensterscheiben des Gebetshauses Klebezettel mit rechtsextremisten Inhalten. Am frühen Abend des Ostersamstags nahm die Polizei dann im Zusammenhang mit dem Brandanschlag einen 18jährigen Tatverdächtigen aus der Region fest.

Augenzeug_innen bemerkten in der Nacht, laut Polizeiangaben gegen 2:30 Uhr, eine Person die sich vom Tatort entfernte und davonlief. Zuvor hatten sie das Klirren von Glas vernommen. Die Beobachter_innen maßen dem Umstand allerdings keine größere Bedeutung zu.

Am darauf folgenden Morgen bemerkte der Eigentümer des Gebäudes, dass die Fensterscheiben der Gebetsstätte eingeschlagen waren. Bei Überprüfung der Räumlichkeiten wurden in einem rund 30 Quadratmeter großem Vorraum des Gebäudes zwei Brandflecke entdeckt. Der Brandbeschleuniger in den geschleuderten Molotow-Coctails hatte sich in dem Teppichboden des ehemaligen Lebensmittelgeschäfts festgesetzt. Das Feuer und die einsetzende Rauchentwicklung beschädigte das Mobiliar in dem als Aufenthaltsraum der Gebetsstätte genutzten Gebäudebereich. Das Feuer erlosch ohne Fremdeinwirkung und konnte nicht auf weitere Teile der Gebetsstätte übergreifen.

Auf den Fensterscheiben des Gebäudes wurden Klebezettel mit neonazistischem Inhalt sichergestellt. Verwendet wurden dabei Aufkleber der Organisationsstruktur der »Nationalen Sozialisten«. Die Bezeichnung »Nationalen Sozialisten« bezieht sich dabei auf Organisationsmodelle der so genannten »Freien Kameradschaften«, einem Konzept der Neonaziszene, welches auf dem Zellenprinzip basiert und seit Mitte der 90er Jahre verstärkt von rechtsextremistischen Strukturen in Deutschland angewendet wird.

In der Vergangenheit trat die rechtsextremistische Szene in Sittensen kaum in Erscheinung. Im Zusammenhang mit der niedersächsischen Landtagswahl 2008 konnten Beobachter_innen allerdings eine spürbare personelle Veränderung in der Region wahrnehmen. Im Verlauf des Wahlkampfes fielen Neonazis die dem Umfeld des NPD-Unterbezirks Stade, zu dem Sittensen gehört, durch militante Drohungen gegen Andersdenkende und Journalist_innen auf.

Laut Polizeiangaben wird der finanzielle Sachschaden, der der islamischen Gemeinschaft in Sittensen entstanden ist, auf rund 10.000 Euro geschätzt. Dass es in der Nacht zum Ostersamstag zu keiner Katastrohpe gekommen ist, ist laut Polizei lediglich auf Zufall und glückliche Umständen zurückzuführen. In einem Einfamilienhaus, welches unmittelbar mit dem Gebäude verbunden ist, auf welches der Brandanschlag verübt wurde, schliefen zum Tatzeitpunkt fünf Menschen.

Der Tatverdächtige kündigte inzwischen an, sich von Jürgen Rieger anwaltlich vertreten zu lassen. Der Hamburger Rechtsanwalt und bekennender Rassist gilt als wichtiger Drahtzieher neofaschistischer Strukturen in Norddeutschland.