04.04.2008 / Nordhorn: Erneuter Naziübergriff in Nordhorn

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Die Serie von körperlichen Übergriffen mit rechtsextremem Hintergrund in Nordhorn reißt nicht ab. In der Nacht vom 29. auf den 30. März ereignete sich im Stadtteil «Blanke» gegen 03:00 Uhr ein Übergriff durch eine fünfköpfige Gruppe Neonazis auf zwei vorbeigehende alternativ gekleidete Jugendliche.

Nachdem die jugenlichen Opfer von den komplett in schwarz gekleideten Neonazis entdeckt wurden, kam es zunächst zu Pöbeleien und Beleidigungen. Die in Bedrängniss gerateten Jugendlichen ergriffen daraufhin die Flucht, wurden wenig später jedoch von den Angreifern eingeholt. Eines der Opfer wurde von den angreifenden Neonazis mit Faustschlägen und Tritten traktiert. Mehrere Verletzungen, unter anderem ein Nasenbeinbruch, waren die Folge.

Die flüchtende Gruppe Neonazis wurde kurz nach dem Vorfall von Einsatzkräften der Polizei entdeckt und kontrolliert. Unter ihnen soll auch der Vorsitzende des NPD- Unterbezirks Emsland/Grafschaft Bentheim, Stephan Riesel, gewesen sein. Der langjährige Neonaziaktivist war zuletzt wegen einer Polizeirazzia im Zusammenhang mit einem sogenannten «Wehr-Ertüchtigungslager» der militanten Kameradschaftsgruppe »Freie Nationale Vechta« ins Visier der Ermittungsbehörden geraten.

In den Eingansbereichen der Zelte des »Waffenlagers« welches im Juni 2006 stattfand, hingen Schilder mit Bezeichnungen wie »Hitlerjugend« oder »Leibstandarte«. Fotographien, die in dem Zeltlager entstanden, zeigen Scheinhinrichtungen und militärische Übungen. Die Bezeichnung »Wehr-Ertüchtigungslager« ist ein Synonym der Neonaziszene für Wehrsportübungen.

Immer wieder kommt es in Nordhorn, speziell im Stadtteil Blanke, zu Bedrohungen und körperlichen Übergriffen der Neonazis. Ihr Ziel ist es, dem Thesenpapier »Schafft National befreite Zonen« der rechtsextremistischen Szene folgend, ein Gebiet zu schaffen, das Menschen anderer Herkunft, politischer Überzeugung oder anderen Glaubens nicht mehr ohne Angst betreten können. Zentrum dieser Bestrebungen ist nach Angaben von Beobachter_innen die Gastwirtschaft »Zum Turm« in Nordhorn-Blanke, die den Neonazis der Region als Treffpunkt dient.

Nach Angaben regionaler Szenebeobachter_innen finden in den Räumlichkeiten regelmäßig größere Treffen der regionalen und teilweise überregionalen neonazistischen Szene statt. Auch der zweifelhafte Ruf, Ausgangsort von rechtsextremistisch motivierter Gewalttaten zu sein, schwebt über den Räumlichkeiten. Bereits einen Tag vor dem Angriff in der Nacht vom 29. auf den 30. März kam es im Umfeld der Kneipe »Zum Turm« zu einen versuchten Angriff von Neonazis auf Antifaschist_innen. Die betroffenen Jugendlichen aus Nordhorn sprechen von einer spürbaren Häufung neofaschistischer Übergriffe in der Region. Dies räumt auch der Präsident der Polizeiinspektion Emsland/Grafschaft Bentheim in einem Interview mit der NordWest-Zeitung ein. Er beobachte eine Szene von 10 bis 20 Leuten, mit denen es »immer wieder den einen oder anderen Vorfall gebe«.

Ihren vorläufigen traurigen Höhepunkt erreichte die rechtsextreme Gewalt um den »Turm« am 8.September 2007. Ein dunkelhäutiger Mann aus Großbritannien begab sich in die Kneipe und wurde anschließend mit den Worten »Neger sind hier nicht erwünscht« wieder hinausgeprügelt. Das traumatisierte Opfer, welches im Krankenhaus behandelt werden musste, verzog daraufhin zurück nach England. Der Wirt der Kneipe gab vor Gericht an, von dem Vorfall nichts mitbekommen zu haben. Die beiden Täter, ein 21jähriger und ein 23jähriger Mann, müssen nun für 2 Jahre und drei Monate bzw. für 10 Monate in Haft. Aufgrund der umfangreichen Vorstrafenregister beider kam hier keine Bewährung mehr in Frage.

Die Nordhorner Neonaziszene versucht sich zur Zeit nach dem Konzept der »Autonomen Nationalisten« zu organisieren. Unter dem Label »Autonome Nationalisten Nordhorn« (ANNH) bzw. »Autonome Nationalisten Grafschaft Bentheim« (ANGB) werden zur Zeit verstärkt Aktionen organisiert, vor allem Sprühereien und Klebeaktionen. Das Konzept der »Autonomen Nationalisten« beinhaltet, neben der Übernahme von ursprünglich linksradikalem Symbolik und Lifesyle, eine zunehmende »Radikalisierung« bei Auseinandersetzungen mit politischen Gegnern.

Das selbsterklärte Ziel der »ANNH« ist es, »die ersten zu sein, die das kranke System ablösen«. Die fünf Neonazis, die in der Nacht zum 30 März zwei Personen angriffen und eine davon schwer verletzten, werden den Strukturen der »Autonomen Nationalisten Nordhorn« zugerechnet. Jedoch ist auch festzuhalten, dass es durchaus personelle Überschneidungen zwischen »Autonomen Nationalisten« und dem NPD-Unterbezirk Emsland/Grafschaft Bentheim gibt.

Mittlerweile sollen, wie Verantwortliche der Stadt und Beamt_innen der Kriminalpolizei Nordhorn mitteilten, einige der Neonazis in der Gaststätte »Zum Turm« Hausverbot haben. Dennoch gilt die Gaststätte weiterhin als Tummelplatz rechtsextremistisch motivierter Kundschaft. Von Entwarnung kann gerade nach den jüngsten Zwischenfällen in der Region nicht gesprochen werden.