08.04.2008 / Michael Grewe - das unbekannte Wesen
recherche-nord
Zumindest für Ermittler_innen der Polizeidirektion Rostock scheint der Neonazi Michael Grewe bislang ein Unbekannter gewesen zu sein. Am Montag den 07.04.2008 bat die Polizei Rostock um Mithilfe der Bevölkerung bei der Fahndung nach einem für die Beamten bis dahin unbekannten Randalierer aus der Neonazizene. Mit Hilfe eines Fahndungsfotos welches Kriminalisten der Polizeidirektion Rostock bei Internetrecherchen in die Hände fiel, wurde versucht die Identität des Neonazis festzustellen. Nach Angaben der Polizei Rostock wird gegen den Mann wegen schweren Landfriedensbruch und Körperverletzung ermittelt.
Im Vorfeld einer rechtsextremistischen Demonstration am 30.06.2007 in Rostock kam es zu Auseinandersetzungen zwischen anreisenden Neonazis und Gegendemonstrant_innen. In deren Verlauf wurden mehrere Personen mitunter verletzt. Wie die Polizeidirektion Rostock in ihrem Fahndungsaufruf mitteilte, gingen die Ermittler_innen in Mecklenburg-Vorpommern davon aus, dass es sich bei der gesuchten Person um enen »aus dem Bundesgebiet zugereisten Veranstaltungsteilnehmer« handelt. Peinlich für die Kriminalbeamten, die gesuchte Person ist unter anderem Mitarbeiter der NPD-Landtagsfraktion in Mecklenburg-Vorpommern und Beisitzer im Landesvorstand der neonazistischen Partei.
Bei der gesuchten Person handelt es sich um den jahrelangen Aktivisten des neonazistischen Spektrums Michael Grewe. Die Wurzeln des ehemalige »Naziskinhead« entspringen in der der Lüneburger Heide. Im niedersächsischen Städchen Lüneburg gehörte er gemeinsam mit seinen Brüdern Sven und Hans Grewe zu den langjährigen Anführern der regionalen Kameradschaftsszene. Bereits 1985 machte sich Michael Grewe durch die Herausgabe des Neonazifanzines »Kahlschlag« einen Namen.
Bei seinem Bruder Sven Grewe handelt es sich um einen Führungskader der Neonaziorganisation »Hammerskin Chapter Nordmark«. Ähnlich wie das im Jahr 2001 verbotene Neonazinetzwerk »Blood & Honour« verstehen sich Mitglieder der »Hammerskin Nation« als Elitetruppe einer weltweiten agierenden rassistischen und neonazistischen Skinheadbewegung. Gemeinsam mit Mitgliedern der »Blood & Honour - Sektion Nordmark« veranstalteten Hammerskins aus Niedersachsen und Schlewig-Holstein im Jahr 1999 unter anderem militante Wehrsportübungen. Über die einzelnen Teilnehmer_innen ist in der Öffentlichkeit wenig bekannt. Doch zumindest Michael Grewe scheint es mit den Waffengesetzten in der Vergangenheit nicht so genau genommen zu haben. Im Jahr 1997 beschlagnahmten Polizeikräfte in seiner Lohbrügger Wohnung ein Maschinengewehr, einen Karabiner sowie über 1000 Schuss Munition. In Hamburg betrieb Michael Grewe gemeinsam mit seinem Bruder Hans eines der ersten Merchandisinggeschäfte für Neonazis in Norddeutschland. Das als »Skinhead-Laden« bekannt gewordene Geschäft mit dem Namen »Buy or Die« galt jahrelang als Anlaufstelle der Neonaziszene im Norden. Auch in die Organisierung von Fußballturnieren der Neonaziszene im Großraum Hamburg und Tostedt soll Grewe involviert gewesen sein. Im Jahr 1998 verlegten die Grewes die Geschäftsräume von »Buy or Die« ins niedersächsische Lüneburg. Kurze Zeit später wurde die Geschäftsleitung an den Lüneburger Neonazi Christian Sternberg übertragen.
Genau wie Sternberg gehörte Michael Grewe schon damals zur Kameradschaft »Lüneburg/Uelzen - Trupp 16«. Die Bezeichnung »Trupp 16« spielt auf die Bezeichnung der Lüneburger SA-Einheit während der NS Diktatur an. Inzwischen trägt das Ladengeschäft unter der Leitung von Christian Sternberg einen neuen Namen. Der »Temple of Football« gilt, ähnlich wie einige Jahre zuvor »Buy or Die«, als Anlaufstelle für Neonazis und Treffpunkt der »Kameradschaft Lüneburg/Uelzen -Trupp16«. Im Jahr 2000 verzog Michael Grewe unter anderem mit dem zum damaligen Zeitpunkt in Hamburg wohnhaften Neonazifunktionär Thomas Wulff ins mecklenburgische Amholz.
In der Folgezeit engagierte sich der »Freie Nationalist« Michael Grewe innerhalb der NPD von Mecklenburg-Vorpommern. Im Zusammenhang mit weiteren aus dem Westen in die mecklenburgische Provinz gezogenen Neonazikadern, entwickelte sich in der Region in den darauffolgenden Jahren eine gut organisierte Infrastruktur der Norddeutschen Neonaziszene. Seit dem Jahr 2004 sitzt Michael Grewe als Abgeordneter der NPD im Gemeinderat der Teldau. Als Mitarbeiter der NPD Fraktion im Landtag von Schwerin übernahm der Rechtsextremist Grewe inzwischen auch landesweite Aufgabengebiete. Auch verfügt Grewe über einen Sitz im Landesvorstand der NPD in Mecklenburg-Vorpommern.
In den vergangenen Jahren war Michael Grewe nicht nur regelmäßiger Teilnehmer von Demonstrationen der bundesdeutsche Neonaziszene. Auch bei den regelmäßig stattfindenen Sonnenwendfeiern der Neonaziszene im niedersächischen Eschede, auf dem Anwesen des NPD Aktivisten Joachim Nahtz soll Michael Grewe ein gern gesehener Gast sein. Als im vergangenen Jahr die rechtsextremistische »Heimattreue Deutsche Jugend« (HDJ) ihr Pfingstlager auf dem Gelände von Joachim Nahtz veranstalte, war auch Grewe mit von der Partie. Bekleidet mit einem Hemd der Kameradschaft »Lüneburg/Uelzen -Trupp 16« patroulierte der Neonaziaktivist mit seinem Hund auf dem Gelände. Warum die zuständigen Kriminalbeamt_innen Michael Grewe, trotz seiner Aktivitäten und seiner überregionalen Bedeutung bei den Ermittlungen im Zusammenhang mit den Vorgängen am 30.06.2007 nicht zuordnen konnten, ist fraglich. Gerade im Bezug auf ein, unter anderem von Mecklenburg-Vorpommern angestrebtes NPD-Verbotsverfahren, stellt sich dabei die Frage wie gut die zuständigen Behörden ihre Neonaziszene eigentlich kennen.