09.04.2008 / Der »Giftschrank« im Downloadbereich

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Etliche Propagandafilme der NS-Diktatur befinden auf dem Index. Antisemitische »Machwerke« wie zum Beispiel der als Dokumentarfilm getarnte »Der ewige Jude« werden aufgrund ihres extrem volksverhetzenden Inhalts und Charakters vom »Bundesfilmarchiv« darüber hinaus unter Verschluss gehalten. Ein Internetportal des Neonazis Dustin Guske stört sich nicht daran und verbreitet derzeit solch »Werbefilme zum Rassenhass« über das virtuelle Netz.

Seit Anfang März 2008 werden über ein Internetportal namens »Nationale-Sozialisten« massenhaft indizierte Propagandaerzeugnisse bereitgestellt. Bereits zu Beginn wurden dort Musikalben der im Jahr 2005 als kriminelle Vereinigung verbotenen Rechtsrockband »Landser« zur Verfügung gestellt. Beobachter_innen der Interpräsenz sind erstaunt über die gewaltigen Mengen von Daten neofaschistischer und indizierter Musik, die dort zum Download angeboten wird.

Neben rassistischer »Begleitmusik zu Mord und Totschlag« werden in dem Internetportal diverse Inhalte neonazistischer Internetseiten in sogenannten »Backups« bereitgestellt. In Textarchiven finden sich Texte wie die antisemitischen »Protokolle der Weisen von Zion« und eine Vielzahl von Schriften, die die gezielte Vernichtung der europäischen Juden im Verlauf der Nationalozialistischen Diktatur in Deutschland in Frage stellen oder offen leugnen.

In einem »Backup« mit dem Namen »nukeisrael« finden sich neben Hakenkreuzen auch beispielsweise Propagandaflugblätter die Menschen anderen Hautfarbe in offen rassistischer Weise als »Nigger« bezeichnen und sie als Tiere darstellen. Fast unerkannt entstand auf der Internetpräsenz in den letzten beiden Monaten eine gewaltige Sammlung neofaschistischer Inhalte.

Auch NS-Propagandafilme wie »Der Ewige Jude« aus dem Jahr 1940 können dort in verschiedenen Versionen heruntergeladen werden. Dieser Film wird derzeit vom Bundesfilmarchiv verwaltet. Nach Angaben des Bundesarchives befindet sich das »Werk übelster Machart« im Giftschrank der Behörde. Solche Filme werden nur zu rein wissenschaftlicher Begutachtung an Universitäten herausgegeben, und auch dann nur unter Aufsicht von vorher zu diesem Zwecke geschulten Begleitpersonals.

Der als »Dokumentation« getarnte Propagandafilm diente der NS-Diktatur zur Untermauerung und propagandistischen Vorantreibung zur Vernichtung der europäischen Juden. In der Bevölkerung sollten damit antisemitische Ressentiments aufgebaut und gefördert werden. Menschen jüdischer Religion werden in drastischer Weise als »sozial niedrig stehendes, kulturloses, und parasitäres Volk« dargestellt.

Die Ansiedlung von Menschen mit jüdischem Glaubens in Europa wird dort, versehen mit eindringlichen Bildern, unter anderem mit den Wanderungsbewegungen von Ratten verglichen. »Wo Ratten auch auftauchen, tragen sie Vernichtung ins Land, zerstören sie menschliche Güter und Nahrungsmittel. Sie sind hinterlistig, feige und grausam und treten meist in großen Scharen auf. Sie stellen unter den Tieren das Element der heimtückischen, unterirdischen Zerstörung dar - nicht anders als die Juden unter den Menschen.« Mit Aussagen wie diesen versuchten die Nationalsozialisten große teile der Bevölkerung aufzuhetzten. Heutige Neonazis nutzen Propagandafilme wie »Der ewige Jude« für Schulungsveranstaltungen.

Als Betreiber der Internetpräsens tritt kein Unbekannter in Erscheinung. Über den amerikanischen Provider »Dreamhost« stellte der in Dortmund wohnhafte Neonazi Dustin Guske das Internetportal in das virtuelle Netz. Szenebeobachter_innen sind insbesondere über das Verhalten von Behörden im Zusammenhang mit den Aktivitäten von Guske verwundert. Nachdem zum Ende des letzten Jahres Hacker das von Dustin Guske betriebene Projekt »puplic-ns« angegriffen und gehackt hatten, wurden umfangreiche Daten zur Auswertung im Internet öffentlich bereitgestellt. Zu den von Dustin Guske betriebenen »Subdomains« gehört auch das Internetportal »Nationale-Sozialisten« das mittlerweile wieder von Guske in Betrieb genommen wurde. Ein Teil der dort bereitgestellten Daten wurden anfänglich über andere neonazistische Internetseiten weiterverbreitet. In Amerika angemeldete Internetdomains dienen der Szene seit langen als Internetbörsen, fern ab des Zuständigkeitsbereiches deutscher Behörden. Seit März 2008 stellt nun die von Guske bereitgestellte Domain der »Nationalen-Sozialisten« das Portal für die freie Weiterverbreitung der Propagandainhalte. Diese Internetseite ist eine von rund 60 weiteren, welche Dustin Guske im Internet zwischenzeitlich bereitgestellt hatte und die der neonazistischen Szene als Vernetzungsplattform dienen.

Neonazistische Netzwerke, wie die in Deutschland verbotene Organisationsstruktur von »Blood & Honour«, wurden laut veröffentlichten Daten offen weiterbetrieben. Diese Aktivitäten wurden insbesondere durch ausgewertete Daten aus dem mittlerweile ebenfalls von Guske bereitgestellten »Oidoxie-Forum« sichtbar. In der Bundesrepublik illegale »Blood & Honour« Konzerte wurden aus diesem Zusammenhang heraus beworben und im benachbarten Flandern organisiert und durchgeführt. Musikgruppen aus Deutschland wie Oidoxie, die sich ideologisch zum militanten und bewaffneten Arm von »Blood & Honour« zählen, konnten in den vergangenen Jahren diese Strukturen für die Weiterführung ihrer Organisationsnetzwerke nutzen.

Dustin Guske selbst ist seit Jahren Aktivist innerhalb des neofaschistischen Spektrums. Der mittlerweile nach Dortmund verzogene Neonazi begann seine öffentliche politische Karriere im Zusammenhang mit der rechtsextremistischen »Kameradschaft Hamm«. Schon damals verlegte Guske seine Aktivitäten auf das virtuelle Netz. Auch seine Aktivitäten als Mitorganisator rechtsextremistischer Aufmärsche im Großraum Nordrhein-Westfalen blieben nicht unentdeckt.

In der Folgezeit trat er im Zusammenhang mit der so genannten »Streetfighting Crew« in Erscheinung. Bei der Gruppe handelt es sich um den »Security- und Ordnerdienst« der neonazistischen Rechtsrockgruppe »Oidoxie«. Im Januar 2008 tauchten im Internet Fotographien auf, die Guske zeigen wie er mit einem Maschinengewehr vor einer Hakenkreuzfahne posierte. Warum Guske sein Treiben von rechtsstaatlicher Seite aus nunmehr seit Jahren ungestört fortsetzen kann, ist bislang ein wohlgehütetes Geheimnis des zuständigen Landeskriminalamtes in Nordrhein-Westfalen.