12.04.2008 / Stolberg: Von Trauer keine Spur

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Am Samstag, den 12.04. marschierten etwa 800 Neonazis, überwiegend aus dem Spektrum der »Freien Kameradschaften« und der »Autonomen Nationalisten« durch das nordrhein-westfälische Stolberg bei Aachen. Angemeldet wurde der Aufmarsch von dem Hamburger Christian Worch, einem langjährigen Kader in der militanten Kameradschaftsszene.

Anlass war ein Vorfall am 4.April. Der 19jährige Kevin P. wurde nach einer Auseinandersetzung mit einer Gruppe Jugendlicher niederstochen und erlag seinen Verletzungen. Der Täter hat offenbar einen Migrationshintergrund. Seit nunmehr einer Woche wird auf den Internetportalen der extremen Rechten für einen »Trauermarsch« in Stolberg mobilisiert. Dabei herrscht zwischen Vertreter_innen der »Kameradschaftsszene« und der NPD nicht nur Zwist über das Datum. Während bestimmte Personen ein eindeutiges Interesse an der Stilisierung des Opfers zum Märtyrer hatten, wurden Stimmen laut, die nach der politischen Orientierung des Opfers fragten. Bei Kevin P. handelt es sich nach momentanen Erkenntnissen offenbar nur um einen Mitläufer.

Von einem »Trauermarsch« konnte am Samstag keine Rede sein. Nachdem sich der Aufmarsch, der von Neonazis aus Niedersachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Bayern unterstützt wurde, nach fast dreistündiger Verspätung in Bewegung setzte, wurde er nach nur 50 Metern von der Polizei gestoppt. Grund waren Verstöße gegen die Demonstrationsauflagen, u.a. gegen das Vermummungsverbot. Nachdem Einsatzkräfte der Polizei erste Teilnehmer_innen aus der Demonstration herauszogen, eskalierte die Situation, Böller und Leuchtspurmunition flogen auf Polizist_innen, ein am Rande arbeitender Journalist wurde von einem Ordner des rechtsextremistischen Aufmarsches angegriffen, eine weitere Journalistin gezielt mit einem Knallkörper beworfen. Die Versammlung war von aggressiver Stimmung geprägt. Vor allem Personen aus dem Spektrum der sogenannten »Autonomen Nationalisten« fielen durch ihr Verhalten auf. Bereits im Vorfeld stoppte die Polizei das Mitführen von Transparenten, die direkte Drohungen gegen Antifaschist_innen enthielten sowie zur »Abwicklung« der BRD aufriefen.

Erst nach zwei weiteren Stunden setzte sich der Aufmarsch in Richtung Tatort in Bewegung. Nach einer Zwischenkundgebung wurde die Versammlung gegen 18.00 Uhr aufgelöst. Die Polizei stellte die Personalien von 31 Neonazis fest und leitete teilweise Ermittlungsverfahren wegen Landfriedensbruchs, Verstoßes gegen das Versammlungsrecht und Widerstand gegen die Staatsgewalt ein. Bei den Vorkontrollen wurden bei Teilnehmer_innen des Aufmarsches unter anderem Zwillen, Messer, eine Axt, mit Quarzsand gepolsterte Schlaghandschuhe und Pfefferspraydosen sichergestellt.