05.05.2008 / Gewalt von Rechtsaußen nimmt zu

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Körperverletzungen, Raub, Brandstiftung, Störung der Totenruhe, so genannte »Propagandadelikte«, Mord – all das gehörte in den letzten zehn Jahren zum Repertoire der durch Neonazis verübten Straftaten. Jeden Monat veröffentlicht das Bundesinnenministerium auf Anfrage der Bundestagsabgeordneten Petra Pau (Linkspartei) die Zahlen der aktuellen Monatsstatistik aller mit rechtsradikalem Motiv verübten Gesetzesbrüche, die zur Anzeige gebracht wurden. Diese bestätigen für das erste Quartal dieses Jahres das, was auch Beoachter_innen der Szene feststellen konnten – eine Zunahme der neofaschistischen Gewalt.

Bereits in den Jahren 2005 und 2006 war die Anzahl rechtsmotivierter Straftaten stark angestiegen: im Vergleich zu 2004 stieg die Gesamtanzahl um rund 44%, die Zahl der zur Anzeige gebrachten Körperverletzungen im gleichen Zeitraum um 43%. 2007 war dann ein leichter Rückgang um insgesamt 5,8% zu verzeichnen, auch die Zahl der Gewaltdelikte ging leicht zurück.

Trotz des bereits hohen Niveaus neonazistischer Gewaltbereitschaft scheint es im diesem Jahr abermals einen drastischen Anstieg der Straftaten mit neofaschistischem Hintergrund zu geben. Allein in den ersten drei Monaten wurden mehr als 3.300 eindeutig zuzuordnende Straftaten registriert. Über 2.000 davon sind so genannte »Propagandadelikte«, also beispielsweise die Verbreitung von NS-Propaganda oder das Zeigen als verfassungsfeindlich geltender Symbole.

Doch gerade im Bereich der Gewaltdelikte ist eine steigende Tendenz zu verzeichnen. Bis Ende März kam es zu 195 angezeigten gewalttätigen Übergriffen von rechts bei denen 211 Menschen verletzt wurden. Das sind rund 15% Angriffe mehr als im Vorjahr – mit 33% mehr Opfern. Rund 40 Menschen sind allein in Niedersachsen Opfer rechter Gewalt geworden und auch in punkto rechtsradikaler Gewalttaten liegt das dritt bevölkerungsreichste Bundesland bundesweit auf Platz eins, gefolgt von Nordrhein-Westfalen.

Allerdings haben die veröffentlichten Statistiken Schwächen. Wie jede Kriminalstatistik können an Hand der Daten nur Aussagen über die zur Anzeige und von der Polizei verfolgten Straftaten gemacht werden. Offen bleibt eine große Anzahl von nicht öffentlich gewordenen Fällen. Außerdem handelt es sich bei den jetzigen Zahlen um vorläufige Erhebungen. Die Praxis der letzten Jahre hat gezeigt, dass diese zu Ende des Jahres ausschließlich und teilweise erheblich nach oben korrigiert wurden, wenn die einzelnen Polizeidienststellen eine Nachmeldung der angezeigten Straftaten vornehmen.

Unter Berücksichtigung dieser Nachmeldungen müsste Ende des Jahres bei der aktuellen Entwicklung eventuell ein neuer Höchststand rechtsradikaler Straftaten verzeichnet werden. Das würde bedeuten, dass die zur Anzeige gebrachten Delikte der neofaschistischen Szene in den letzten zehn Jahren um rund 80% zugenommen hätten. Die genaue Zahl neonazistischer Übergriffe wird dennoch nicht zu ermitteln sein. Auf einer einschlägig bekannten Internetseite belehrt ein Neonazi unter dem Pseudonym »wartender Krieger« die Leser_innen: »Übrigens, wisst ihr, woran man eine erfolgreiche und richtig durchgeführte rechtsextreme Straftat erkennt? Sie taucht in keiner Statistik auf und wird niemals als solche erkannt oder aufgeklärt!«