08.05.2008 / Rotenburg (Wümme): »Nicht für schwache Nerven«

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»Nicht für schwache Nerven«, so begrüßt Carsten Linau Besucher_innen seiner Internetpräsenz. Starke Nerven sind bei der Betrachtung seiner Aktvitäten durchaus notwendig. Der Rotenburger und bekennende »Reichsbürger« trat in den letzten Jahren vor allem im Zusammenhang mit Aktivitäten der NPD Verden-Rotenburg (Wümme) um Daniel Fürstenberg in Erscheinung. Auf seiner Internetseite, auf der diverse Abbildungen von Hakenkreuzen zu sehen sind, droht der Neonazi bei oppositionellem Verhalten zu seiner Person vom »Reichskriegsgesetz« Gebrauch zu machen, dies »gegebenenfalls mit blutiger Waffengewalt«.

Linau tritt seit nunmehr vier Jahren immer wieder im Zusammenhang mit der neonazistischen NPD in Erscheinung. Er war regelmäßiger Teilnehmer bei regionalen Aufmärschen und Informationsständen der Partei. Auch bei Aktivitäten der militanten neofaschistischen Kameradschafsszene in Niedersachsen, so bei einem Aufmarsch der »Kameradschaft Celle 73« im Dezember 2006, gehörte er zu den Teilnehmer_innen.

Politische Untätigkeit kann Linau nicht unterstellt werden. Bei einem Aufmarsch der NPD Bremen im Dezember 2006 um Horst Görmann aus Bremerhaven trug er das Transparent an der Spitze der Teilnehmer_innen. Enge Verbindungen zur »NPD Jugendgruppe« aus Bremen um den Neonazi Sascha Humpe konnte er bereits am 22.06.2006 in Verden an der Aller knüpfen. Gemeinsam mit weiteren Neonazis, unter ihnen der NPD Bundesvorsitzenden Udo Voigt sowie der damaligen stellvertretenden niedersächsischen Landesvorsitzenden Adolf Dammann, war der Rotenburger an der Auftaktkundgebung der niedersächsischen NPD zum Kommunalwahlkampf beteiligt.

Im Anschluss an die mehrere Stunden dauernde Kundgebung wurden alle Teilnehmer_innen vorläufig in Gewahrsam genommen. Zuvor hatte ein Familienmitglied des derzeitigen JN Landesvorsitzenden Daniel Fürstenberg iranische Fahnen unter den angereisten Neonazis verteilt. Über den mitgeführten Lautsprecherwagen verbreiteten die Neonazis israelfeindliche Propagandaparolen. Aufgrund des Verdachts der Volksverhetzung setzte die Polizei daraufhin alle Teilnehmer_innen fest. Carsten Linau, der die Veranstaltung zuvor an der Seite von Udo Voigt verließ, wurde anschließend mit damaligen Aktivist_innen der »NPD Jugendgruppe Bremen« in Polizeigewahrsam verfrachtet.

Auch bei der von Sascha Humpe organisierten und vom Hamburger Neofaschisten Christian Worch unterstützten Kundgebung am 20.01.2007 in Bremen war Linau zugegen. Neben seinen Aktivitäten im Umfeld der NPD Bremen sowie der NPD Verden war er seit Mitte 2006 vor allem in den Zusammenhang des sogenannten Kameradschaftsgruppe »Rotenburger Widerstand« eingebunden. Mitglieder der inzwischen selbstaufgelösten Gruppierung aus dem Umfeld der NPD Verden-Rotenburg (Wümme) waren regelmäßig in seinen Räumlichkeiten anzutreffen. Gemeinsame Aktivitäten entfaltete die Gruppe auch bei einem im Frühjahr in Rotenburg (Wümme) stattgefundenen Aufmarsch der NPD.

Die politischen Aktivitäten Linaus beschränkten sich allerdings nicht alleinig auf die derzeit größte neonazistische Partei in der Bundesrepublik. Nach Eigenangaben gehört er seit dem Jahr 2005 zum Umfeld des neonazistischen Aktivisten Rigolf Hennig. Der im Jahr 2005 wegen »Verunglimpfung des Staates« zu einer 9-monatigen Haftstrafe verurteilte Hennig gilt unter anderem als einer der Gründer der neofaschistischen Organisation »Freistaat Preußen«. Innerhalb dieser Vereinigung bekleidet der derzeitige Verdener NPD Kreistagsabgeordnete das Amt eines vorläufigen »Staatspräsidenten« in der Phantomregierung des «Freistaates Preußen».

Zu dem Kreis um Rigolf Hennig in der Region Verden zählen auch die Mitgliedern der »Unabhängigen Bürgerbewegung Achim« um Heinrich Rathjen und Dieter Fricke. Zuletzt waren beide beim Wahlkampfauftakt der niedersächsischen NPD am 15.09.2007 in Hannover in Erscheinung getreten. Gemeinsam mit weiteren Neonazis aus dem Umfeld der NPD Verden veranstalte dieser Zusammenschluss in der Vergangenheit regelmäßige kleinere Veranstaltungen, an denen auch Carsten Linau teilnahm.

Auf Propagandaveranstaltungen dieser Prägung sowie über das Internet bezog der Rotenburger bislang sein geistges und politisches Rüstzeug. Insbesondere die Tätigkeiten in der »Reichsbewegung« übten allem Anschein nach einen nachhaltigen Einfluss auf den Rotenburger aus. Auf seiner seit Dezember 2007 betriebenen Internetpräsenz versucht Linau die so gewonnenen Erkenntnisse der »Reichsbewegung« nun auch nach außen zu transportieren.

Im Verlauf des vorangegangenen Jahres meldete er sich dann bei der in neonazistischen Kreisen beliebten Internetpräsenz »Odin Kontaktbörse« an, einem »Nationalen Flirtchat« in welchem mittlerweile über tausend Neonazis aus dem gesamten deutschsprachigen Raum angemeldet sind. Nachdem Linau die Internetseite zur Kontaktaufnahme mit Gleichgesinnten nutze, erstellte er in den nächsten Monaten eine eigenständige Homepage die sich verstärkt der Weitergabe von politischen Versatzstücken der »Reichsbürger« widmete.

Laut Definition der revanchistischen »Reichsbürger« existiert das »Deutsche Reich« weiterhin und bestehe seit Ende des zweiten Weltkrieges ununterbrochen fort. Die Bundesrepublik sei eine »installierte Konstruktion alliierter Besatzer«. Erlassene Gesetze der Bundesrepublik Deutschland seien somit nicht bindend, da ihnen laut Standpunkt der »Reichsbürger« die Legitimation fehle. In den letzten Jahren gründeten sich in diesem Zusammenhang gleich mehrere »Exilregierungen« in Deutschland, welche laut Eigenangaben mitunter über eine »diplomatische Vertretung« bei den »United Nations« (UN) verfügen würden.

Einige der zum Teil in gegenseitiger Konkurrenz stehenden »kommissarischen Kabinette» und Präsidenten stellen ihren Anhänger_innen sogar Personalausweise sowie Führerscheine aus. Dass diese Papiere von einzelnen Mitgliedern als reale Ausweisdokumente angesehen werden zeigen auch eine Reihe von Ermittlungsverfahren in den letzten Jahren. Gültige Ausweispapiere der Bundesrepublik werden von ihren Besitzer_innen vernichtet und durch die der zuständigen »Reichsregierung« ersetzt. Polizeikräfte, die beispielsweise bei Fahrzeugkontrollen lediglich Ausweispapiere dieser Machart präsentiert bekamen, zeigten sich in der Vergangenheit nicht selten verwundert über das ernsthafte Beharren der Fahrzeugführer_innen an der Gültigkeit ihrer »Reichsführerscheine«.

Um »das Dritte Reich in seiner bereits erreichten Handlungsfähig zu unterstützen« fordert Carsten Linau auf seiner öffentlich zugänglichen Internetpräsenz unter anderem die Verwendung von Hakenkreuzabzeichen. Diesbezügliche Abbildungen finden sich dann auf der Internetseite bezeichnenderweise unter der Rubrik »Meine Erfolgsschiene«. Die Bilder entstammen der Internetseite des amerikanischen Neofaschisten Gerhard Lauck, der über seine Homepage Neonazis weltweit mit entsprechenden Devotionalien und volksverhetzenden Publikationen versorgt.

Laut der auf seiner Internetseite verkündeten Definition des »Reichsbürgers« Linau ist es ebenfalls ein Ziel «die NSDAP zu reorganisieren«. Als Kontaktadresse zur Unterstützung solcher Versuche wurde auf der Internetseite die Postanschrift des »Collegium Humanum e.V.« angegeben. Allerdings wurde der»gemeinnützige Verein« mit Weisung des Bundesinnenminesterium vom 07.05.2008 verboten und sein Eigentum beschlagnahmt. Tätigkeiten dieser Art bittet er aber »nicht am Telefon zu besprechen.«

Die ebenfalls dort veröffentlichte Ankündigung, dass zum Teil namentlich genannte Personen, welche »es auch nur im Allerentferntesten wagen, Hand an mich zu legen, um mich aufgrund reichsrechtlich unwirksamer Straf- oder Haftbefehle zu inhaftieren oder zu zwangspsychiatrisieren, so werde ich, Wahrheitsfinder, Sohn von Anderweltverwirklicher, aufgrund meiner mir verliehenen Reichsbürgerschaft von meinem Reichskriegsrecht vollumfänglichen Gebrauch machen und mich gegebenenfals mit blutiger Waffengewalt zur Notwehr verteidigen, da genannte Personen mir als Reichsbürger exterritorial gegenüberstehen (...) und ich jeden Übergriff als offene Kriegshandlung ansehen werde!!!!« führte vor kurzem bereits zu einer ersten Verurteilung von Linau.

Zuvor hatte er besagte Erklärung, in der neben Beamt_innen der Polizeidirektion in Rotenburg (Wümme) auch zwei Journalist_innen namentlich erwähnt werden, über den Postweg an Einzelpersonen verschickt. Dem Brief war ein Bild beigelegt welches Linau vor einer Hakenkreuzfahne zeigte. Das Amtsgericht in Rotenburg (Wümme) verhängte in einem daraufhin stattgefundenen Prozess eine Geldstrafe gegen den Verfasser.

Die Betrachtung der Lebensumstände von Carsten Linau werfen im Bezug auf die geistigen Urheber der Gedankenwelt des Rotenburgers hingegen einige Fragen auf. Die politischen Ansichten Linaus, der in einem Wohnobjekt für körperlich und geistig behinderte Menschen in Rotenburg (Wümme) lebt, sind stark geprägt von Propagandaaktivitäten der lokalen Neonazistruktur aus dem wenige Kilometer entfernten Verden (Aller).

In einigen Briefen, die auf der Internetseite von Carsten Linau zur Verfügung gestellt wurden, wird dann auch ersichtlich, wozu er in den letzten Jahren durch die Interpreten der regionalen Szene so massiv politisiert wurde. Den Aufgabenbereich von Linau sieht das 1935 geborene NPD Mitglied Rigolf Hennig vor allem in seiner Funktion als nützlicher Wahlkampfhelfer.

Auf eindringliche Fragen von Linau zu Hintergründen der Zusammenarbeit der »Reichsregierung« mit der NPD, die als Briefverkehr auf der Internetseite dokumentiert wurden, kamen von Hennig nur wenige Worte zurück: »Ich hoffe, du hat die Handzettel "Wählerinitiative" verteilt, sonst hole das schleunigst nach (in Briefkästen, hinter Scheibenwischer, den Leuten in der Fußgängerzone unmittelbar in die Hand drücken usw.)«

Im Zusammenhang mit der geäußerten Frage Linaus bringt der NPD Kreistagsabgeordnete dann die Unnötigkeit solcher Anmerkungen auf den Punkt. »Im Falle NPD handelt es sich weniger um eine Partei, denn um eine Volksbewegung« die, so Hennig weiter, »auch nach Angabe ihres obersten Vorsitzenden, das Deutsche Reich wiederherstellen will.« Dass Rigolf Hennig für die Verkündung dieses Ziels nicht das Telefon nutze, sollte zumindest bei Carsten Linau für Beruhigung gesorgt haben.