12.05.2008 / Dörverden/Pößneck: »Wilhelm-Tietjen-Stiftung« reaktiviert

recherche-nord

Am vergangenen Freitag (09.05.2008) versammelten sich vor dem durch neofaschistische Aktivitäten bekannt gewordene „Heisenhof“ im niedersäsichen Dörverden mehrere Mitgleider der regionalen Neonazi-Szene. Verdener Polizeikräfte wiesen die Anwesenden auf das noch immer geltende Zutrittsverbot für das 2,6 ha große Gelände hin, was diese dann auch tatsächlich nicht betraten. Das könnte sich allerdings bald ändern.

Der Vorsitzende der NPD-Hamburg, Jürgen Rieger, hatte das ehemalige Bundeswehrgelände in Dörverden und das schloßähnliche »Schützenhaus« im thüringischen Pößneck 2004 im Namen der »Wilhelm-Tietjen-Stiftung für Fertilisation Ltd.« erworben. Die 2001 gegründete und in London eingetragene Stiftung verwaltet das Vermögen des ehemaligen Wehrmachtsoffiziers und Bremer Lehrers Wilhelm Tietjen. Ihr Ziel ist es durch »Fruchtbarkeitsforschung« (Fertilisation) den »Fortbestand der arischen Rasse zu gewährleisten«. In den Immobilien wollte der bekennende Rassist Rieger nach eigenen Angaben neofaschistische Schulungszentren errichten. Immer wieder hatten am »Heisenhof« Renovierungsarbeiten stattgefunden - beispielsweise im Mai 2005 und 2006 im Rahmen eines Treffens der von Rieger geführten »Artgemeinschaft«. Diese völkisch-neuheidnische »Religionsgemeinschaft« fiel in der Vergabgenheit immer wieder durch extrem rassistische und antisemitische Aktivitäten auf.

Am 29. August 2006 wurde die Stiftung dann aus dem Handelsregister des zuständigen »Companies House« in London gestrichen. Grund dafür waren fehlende Geschäftsberichte des Jahres 2004 gewesen, die Rieger nach mehrmaliger Mahnung nicht eingereicht hatte. Durch die Streichung fiel nach britischem Recht der gesamte Besitz der rassistischen Stiftung, also auch die Immobilien in Pößneck und Dörverden, an die englische Krone. Daraufhin setzte das Amtgericht Jena im März 2007 einen Erfurter Rechtsanwalt als so genannten Nachtragsliquidator ein, dessen Aufgaben der Verkauf der Gebäude und die Abwicklung des Stiftungsvermögens waren. Dieser verhängte dann auch das Nutzungs- und Zutrittsverbot über beide Gelände. Die Rechtslage blieb lange unklar und der deutsche Verfassungsschutz vermutete sogar, dass mehrere Jahrzehnte vergehen könnten, bis die Fragen um die Stiftung und ihr Eigentum geklärt seien.

Seit einigen Tagen scheint dem nicht mehr so. In dem öffentlich einsehbaren Handelsregister des englischen »Companies House« ist die »Wilhelm-Tietjen-Stiftung für Fertilisation Ltd.« wieder mit dem Status »active« angegeben. Das bedeutet, der Rechtsanwalt Rieger hat allem Anschein nach eine Wiedereintragung der Stiftung erreicht und somit gehen auch die beiden Immobilien wieder in den Besitz dieser über. Das Nutzungsrecht betreffend gilt zunächst weiterhin das verhängte Zutrittsverbot. Wie die Gerichte mit der neuen Situation umgehen werden, ist bis jetzt nicht klar – Anwohner_innen hatte heute bereits offene Fenster im »Heisenhof« bemerkt.

Doch im »Companies House« ist seit 2006 noch eine zweite Stiftung eingetragen: die »Wilhelm-Tietje-Stiftung Ltd.« - ebenfalls von Rieger und ebenfalls mit dem Status »active«. Ursprünglich sollte die Neugründung und minimale Namensänderung wohl dazu dienen, das durch das Liquidationsverfahren bedrohte Vermögen der »Wilhelm-Tietje-Stiftung für Fertilisation Ltd.« zu übertragen. Das scheint nun vorerst nicht mehr notwendig und es bleibt abzuwarten, wie Jürgen Rieger mit der Verwaltung zweier Stiftungen mit zum verwechseln ähnlichen Namen zurecht kommen wird.