16.06.2008 / Bad Nenndorf: Da laufen sie...

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Flink wie Windhunde und hart wie Kruppstahl - noch immer eine Idealvorstellung der bundesdeutschen Neonaziszene. Ob die Neonazis, die vergangenes Wochenende im niedersächsischen Bad Nenndorf an einer Laufveranstaltung teilnahmen, jene Losung der Hitlerjugend auf den Lippen trugen, mag allerdings bezweifelt werden. Die Teilnahme an der Veranstaltung diente vielmehr der Verbreitung aktuellerer neonazistischer Propaganda.

Der »Kurparklauf« am 14.06.2008 in Bad Nenndorf lockte dieses Jahr nicht nur Sportbegeisterte in den beschaulichen Kurort im Weserbergland; auch politische Überzeugungstäter des neonazistischen Spektrums fanden am vergangenen Wochenende ihren Weg ins südliche Niedersachsen. Neonazis aus den Regionen Schneverdingen, Lüneburg und Verden packten die Gelegenheit beim Schopf, um den jährlich stattfindende Volkslauf für ihre eigenen Zwecke zu nutzen. Als menschliche Reklametafeln betrieben sie Werbung für einen Neonaziaufmarsch, der am 02.08.2008 in Bad Nenndorf stattfinden soll.

Mit zwei Teams war man hier angetreten:das Team »Erdinger Alkoholfrei«, das durch das Verdener NPD-Mitglied Daniel Fürstenberg vertreten wurde sowie das Team der militanten Kameradschaftsgruppe »Snevern Jungs«. Deren Mitglieder stellten in der Vergangenheit ihr sportliches Talent nicht nur in Laufschuhen unter Beweis. Bei Aufmärschen der neofaschistischen Szene prügelten sie in der Vergangenheit schon mal auf Gegendemonstrant_innen ein oder beteiligten sich an Hetzjagden und Angriffen auf Journalist_innen, zuletzt während eines Aufmarsches von Neonazis am 1. Mai in Hamburg.


Sport und Politik


Offene Laufwettbewerbe genießen nicht nur beim bundesdeutschen Durchschnittsbürger hohes Ansehen. Hier wird geschwitzt, gerannt und irgendwie auch gekämpft, zumindest um die Plätze. Neben professionellen Läufer_innen findet sich bei Veranstaltungen dieser Art ein breiter Querschnitt der Gesellschaft zusammen. Auch einige Neonazis aus dem Herzen Niedersachsens haben seit etlichen Jahren ihre Vorliebe für das Laufen entdeckt. Der sportliche Wettkampf ist dabei Nebensache, vielmehr steht die Politik im Vordergrund.

Die Taktik, gesellschaftliche Veranstaltungen für die eigenen Zwecke zu nutzen, ist nicht neu. Neonazis aus dem niedersächsischen Schneverdingen betreiben sie bereits seit einigen Jahren. Die dortige Kameradschaft »Snevern Jungs« um ihren in die Jahre gekommenen Anführer Matthias Behrens ist so seit geraumer Zeit ein fester Bestandteil des jährlich stattfindenden Heidelaufes in dem kleinen Städtchen. In erster Linie ist solch ein Vorgehen einer von Neonazis praktizierten Akzeptanzpolitik geschuldet. Hier schwimmen sie mit, im Strom der Läufer_innen, können sich präsentieren und durch geführten Smalltalk möglicherweise gar den einen oder anderen Sympathiepunkt gewinnen. Das »All Jews Are Bastards« -Tattoo auf dem Bauch erscheint hier nebensächlich.

Diese Akzeptanzpolitik hat bei den »Snevern Jungs« eine gewisse Tradition. Bei anderen Gelegenheiten wie Skatturnieren werden »für die große Sache« auch schon einmal unauffällig die Karten gekloppt, öffentlich ausgeschriebene Aufrufe zum Blutspenden werden von den Neonazis ebenfalls nicht ignoriert: für die Neonazis aus der Heideregion alles Termine, die sorgsam im politischen Taschenkalender festgehalten werden. Termine, wo ganz nebenbei der politische Kampf ausgefochten werden kann.


Gebt der Meute, was sie braucht...


Das Vorgehen der politischen Überzeugungstäter_innen ist dabei nicht ganz uneigennützig. Aktivitäten dieser Machart gehören zur »Erlebniswelt Neofaschismus«. Das ist für den Zusammenhalt und das Zusammenwachsen der einzelnen Aktivisten durchaus wichtig. Gerade der politische Nachwuchs bedarf jener Form der Politik, denn wenn das politische Erleben erstmal langweilig und öde erscheint, verfliegt die womöglich gerade erwachte Begeisterung.

Politische Stagnation erzeugt dann spürbare Lähmungserscheinungen in der Motivation der selbst ernannten »politischen Soldaten«. Schlimmstenfalls ziehen sich die Aktivisten in ihr Privatleben zurück und hoffen auf bessere Zeiten. Aus diesem Grund investiert die Szene viel Energie und Aufwand in »praktische« Aktionsformen. Das Ringen um »Aktivität um jeden Preis« kann dann mitunter abstruse Formen annehmen.

In einschlägigen Internetforen kann es vorkommen, dass sich einzelne Aktivisten stundenlang den Kopf darüber zermartern ,aus welchem Grund man denn nun eigentlich den nächsten Aufmarsch plant. Wenn nichts anderes herhalten kann, verlässt man sich auf altbewährte »Evergreens« wie »Nationale Zentren schaffen» oder im Gegenzug »Anti-Nationale Zentren abschaffen».


Bluten für den »Kampf um die Köpfe«


Andererseits dienen Aktivitäten wie die Teilnahme am Kurparklauf während des vergangenen Wochenende in Bad Nenndorf der Außenwirkung und Öffentlichkeitsarbeit: »Kampf um die Köpfe!« - wie es im Jargon der Neonazis heißt. Das Laufen als politische Plattform nutzten die »Snevern Jungs« in den Vorjahren schon längst nicht mehr nur in Schneverdingen und schon gar nicht mehr alleine.

Auch der Celler Wasa-Lauf diente ihnen und der örtlichen »KameradschaftCelle 73« in der Vergangenheit als willkommene Bühne für das politische Wirken. Die Tätigkeit ist dabei genauso einfach wie klar umrissen: durch Präsenz Öffentlichkeit schaffen. Die »Eroberung des öffentlichen Raumes« wird dabei recht subtil vorangetrieben. Kameradschaftslogo und mitunter versteckte antisemitische Statements auf Trikots reichen aus, um die gewünschte Außenwirkung zu entfalten.

Inzwischen haben weitere Neonazis die Akzeptanzpolitik der »Snevern Jungs« für sich entdeckt. Mitglieder der NPD Verden nahmen 2007 nicht nur am Heidelauf in Schneverdingen teil. Auch direkt im Landkreis Verden wird nun dem Vorbild aus der Heide nachgeeifert. Unter der Leitung von Daniel Fürstenberg, NPD-Gemeinderatsmitglied in Dörverden, wechselt die regionale NPD nun beizeiten Parteifahne gegen Laufschuhe oder tauscht bei Blutspenden schon mal die Ordnerbinde gegen die Kanüle, so beim Verden-Aller Stadtlauf 2007 oder bei einer »Blutspendeaktion« im September vergangenen Jahres.


Nichts als Propaganda


Der diesjährige »Kurparklauf« in Bad Nenndorf wurde von den beteiligten Neonazis auch dazu genutzt , das politische Repertoire zu erweiteren. Gemeinsam mit einem Team der »NPD Verden« versuchte das »Snevern-Jungs-Team« durch den Lauf in Bad Nenndorf den Boden für eine anstehende neonazistische Veranstaltung in dem idyllisch gelegenen Kurort zu bereiten. Spätestens bei Betrachtung der getragenen Trikots entpuppte sich die Sportbegeisterung der Neonazis als bloßer Propagandatrick: auf dem Hemden abgebildet - das Logo einer neonazistischen Kampagne.

Neonazis aus Niedersachsen versuchen seit längeren einen jährlich stattfindenen Aufmarsch in der Stadt zu etablieren. Den thematischen Hintergrund dazu bildet die Vergangenheit des örtlichen Wincklerbades. Nach dem zweiten Weltkrieg war hier ein Gefangenlager der Briten untergebracht. Ein Fernsehbericht von BBC machte die Geschehnisse rund um das Wincklerbad vor nunmehr 3 Jahren öffentlich. Seitdem versuchen norddeutsche Neonazis mit den Vorgängen in Bad Nenndorf eine propagandistische Kampagne aufzubauen. Geschichte soll umgedeutet, aus Tätern Opfer gemacht werden.

Diesbezügliche neofaschistische Bemühungen, in Bad Nenndorf Fuß zu fassen, blieben bislang jedoch ohne nennenswerten Erfolg. Stattdessen begleiteten in den beiden vorangegangenen Jahren massive Gegenproteste den neofaschistischen Aufmarsch: zu offensichtlich der neonazistische Hintergrund, zu dumpf die betriebene Rattenfängerei. Ob die diesjährige sportliche Einlage der Neonaziszene den beabsichtigten Erfolg beschert, bleibt abzuwarten. Aus ihrer Gesinnung machen die Neonazis indes auch in diesem Jahr kein Hehl. Abermals wurden gängige Klischees bedient. Ein Kommentar in einem einschlägigem Forum zu der Aktion lässt tief blicken. Er lautet: »Sport Heil!«.