21.06.2008 / Preußisch-Ströhen: Brauner Spuk kennt keine Grenzen

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Die völkisch - neofaschistische "Heimattreue Deutsche Jugend" (HDJ) hatte am vergangenen Wochenende Quartier in der niedersächsischen Grenzregion in Preußisch-Ströhen bezogen. Nachdem im vergangenen Jahr ein Zeltlager der Organisation bei Melle (Kreis Osnabrück) von Einsatzkräften der Polizei aufgelöst wurde, wich die HDJ nun ins angrenzende Ostwestfalen aus.

Das Essenzelt steht auf nordrhein-westfälischem Gebiet, zum anschließenden Gruppensport wechseln etwa 30 jüngeren Teilnehmer des Zeltlagers an der Großen Aue über die Grenze nach Niedersachsen. Hier laufen sie ihre Runden, üben Staffeln im Hüpfschritt und im Entengang. Nur das T-Shirt mit dem Flammenemblem auf dem Rücken, das einer der Jungen trägt, und zwei kleine Wimpel mit der gleichen Flamme deuten auf den Veranstalter des Lagers hin: die neofaschistische Jugendorganisation »HDJ -Heimattreue Deutsche Jugend« hat im Grenzgebiet zwischen Niedersachsen und NRW ihre Zelte aufgeschlagen.

Die HDJ hat allen Grund nicht auf sich aufmerksam zu machen: seit einem vom Bundesinnenminister im vergangenen Jahr verhängten Uniformierungsverbot fordern immer mehr Politiker das Verbot dieser Organisation. Und das zu Recht: hier werden schon Kleinkinder in eine rechte Parallelwelt gezogen, aus der ein späterer Ausstieg fast unmöglich ist. Vom Uniformierungsverbot zeigten sich die Mitglieder der HDJ bislang unbeeindruckt. Auch beim Treffen am vergangenen Wochenende wird gleichartige Bekleidung getragen. Frauen in völkischen Trachten sowie Männer in weißen Hemden und Klufthosen bestimmen das Erscheinungsbild.

Angereist waren rund insgesamt 40 Mitglieder der rechtsextremistischen Gruppierung; darunter etliche Führungsaktivisten aus dem gesamten Bundesgebiet. Ebenfalls vor Ort Horst Görmann, seines Zeichens Landesvorsitzender der NPD in Bremen. Das Grenzgebiet zwischen Ostwestfalen und Niedersachsen gilt dabei als regionaler Schwerpunkt der HDJ. Hier befindet sich der Sitz der "HDJ-Einheit Hermannsland". Gemeinsam mit Neonazis der "HDJ-Einheit Niedersachsen" mit Sitz im Lüneburger Umland gilt die Gruppierung als eine der aktivsten Untergruppen der bundesweit tätigen Organisation.

Mitglieder der beiden HDJ-Gruppen veranstalteten bereits im August 2006 im ostwestfälischen Fromhausen (Detmold) ein HDJ-Sommerlager, das bundesweit für Aufsehen sorgte. An den Zelteingängen wiesen Hinweisschilder mit Aufschriften wie »Führerbunker« den anwesenden Teilnehmern den Weg. Aus ihrer nationalsozialistischen Gesinnung machen Mitglieder der Organisation auch bei anderen Gelegenheiten keine Hehl.

Ebenfalls im Jahr 2007 organisierten Aktivisten der »HDJ-Einheit Hermansland« eine so genannte »Rasseschulung«, an der auch Minderjährige teilnahmen. Als Referent trat an diesem Abend Ragnar Dam in Erscheinung. Bei dem Biologiestudent aus dem mecklenburgischen Greifswald handelt es sich um den »Führer der Leitstelle Nord«. Die besagten HDJ-Leitstellen dienen der Organisation dabei als Dachverband einzelner HDJ-Einheiten in Norddeutschland. Als Mitorganisator der »Schulungsveranstaltung« im Raum Osnabrück agierte das HDJ-Mitglied Christian Fischer aus dem benachbarten Vechta. Nachdem die Vorgänge bekannt wurden, fanden im vergangenen Monat Hausdurchsuchungen bei den beiden HDJ-Aktivisten statt.

Christian Fischer, der ebenfalls im NPD-Bundesordnerdienst tätig ist sowie das Amt des Vorsitzenden der NPD-Vechta bekleidet, war im Juli 2006 Mitorganisator eines paramilitärischen Lagers in Wilsum (Grafschaft Bentheim). Auch hier waren wie auch beim Sommerlager in Fromhausen die Zelte mit Bezeichnungen und Hinweisschildern versehen worden. Unterkünfte, deren Namen »Hitlerjugend« und »Leibstandarte« lauteten, standen den Teilnehmern dabei zur Auswahl.

Im Zeltlager fanden neben militärischen Übungen auch eine Reihe von Scheinhinrichtungen statt. Das militärische Waffenlager zog für die Neonazis polizeiliche Massnahmen nach sich. Anschließende Hausdurchsuchungen bei den beteiligten Neonazis förderten ein umfangreiches Waffenarsenal ans Tageslicht. Gegen die beteiligten Neonazis laufen derzeit Ermittlungsverfahren wegen »Bildung einer bewaffneten Gruppe« und »Verstoß gegen das Waffengesetz«.

Die Kommandos beim Sport gibt an diesem Wochenende in der ostwestfälischen Grenzregion Christian von Velsen aus Georgsmarienhütte. Der Neonazis ist es gewohnt Befehle zu erteilen. Während des paramilitärischen Sommerlagers 2006 in Wilsum unterrichte er anwesende Neonazis im Umgang mit Schusswaffen. Von Velsen und Fischer gelten als die Köpfe hinter dem Wilsumer »Sommercamp«, das unter dem Motto »Leben ist Kampf« stand und nach Eigenangaben der Veranstalter_innen als Grundlage dazu dienen sollte »sich dem maroden System der BRD weiterhin entgegen zu stellen«. Auch Fischer ist an diesem Wochenende zwischen den weißen Alexzelten zu sehen. Sport treibt er jedoch heute nicht; er vertieft sich stattdessen in Gespräche mit seinem Einheitsführer Gerd Ullrich aus Detmold. Auch Christian Fischer ist in den organisatorischen Ablauf des Zeltlagers eingebunden. Im nahegelegen Wagenfeld (Landkreis Diepholz) ist Fischer im Verlauf des Tages für die Schleusung von anreisenden Neonazis zuständig.

Bereits im vergangenen Jahr planten Fischer und von Velsen ein Sonnenwendlager in Lemförde i Landkreis Diepholz. Nach Intervention des Diepholzer Staatsschutzes zog der Landwirt, auf dessen Wiese das Lager stattfinden sollte, seine Zusage jedoch zurück. Ein kurzfristig als Ersatz besorgtes Waldstück in Dratum - Ausbergen bei Melle mussten die HDJler verlassen, bevor sie ihre Zelte vollständig aufbauen konnten. Als der Grundstücksbesitzer erfuhr, wer da auf seiner Waldwiese zelten wollte, gebot auch er dem braunen Spuk Einhalt.

Die HDJler, die aus den Einheiten »Hermannsland«, »Niedersachsen« und »Nordland« stammten, fanden schließlich Unterkunft im NPD-Heim am Harderberg in Georgsmarienhütte, einem heruntergekommenen Einfamilienhaus aus den 50er-Jahren. Hier wurde dann abgeschottet von der Öffentlichkeit ein eilig zusammengesuchtes Sonnenwendfeuer entzündet, begleitet von Feuersprüchen und rechtem Liedgut. Die Räumlichkeiten dienten den HDJ-Aktivisten bereits für die von Ragnar Dam gehaltenen »Rasseschulung« im Jahr 2007.

Ein Sonnenwendfeuer dürfte es im HDJ-Zeltlager am vergangenen Wochenende in der nordrhein-westfälischen Grenzregion ebenfalls gegeben haben. Anders als im vorangegangenen Jahr besitzt das diesjährige Zeltlager in der Region allerdings eine weitaus größere Bedeutung. Mit Dennis Schauer, dem Leiter der »HDJ Einheit Preußen«, sowie Michael Gellenthin, dem Leiter der »HDJ Einheit Franken«, waren weitgereiste Führungkader der HDJ zugegen.