19.07.2008 / Güstrow: Befreite Zone Mecklenburg-Güstrow

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Die Trommler gingen voran. Im Takt der dumpfen Trommelschläge marschierten am Samstag, dem 19.07.2008, rund 300 angereiste Neonazis durch das mecklenburg-vorpommersche Güstrow. Als Hauptredner während des Aufmarsches fungierte der Fraktionsvorsitzende der neonazistischen NPD im Schweriner Landtag, Udo Pastörs. Neben dem Griff zu rassistischem Gedankengut versuchten die beteiligten Aufmarschsteilnehmer_innen vor allem mit staatsfeindlicher Propaganda auf Stimmenfang in Güstrow zu gehen.

»Ceterum censeo Carthaginem esse delendam!« - Im Übrigen bin Ich der Meinung, dass Karthago zerstört werden muss! Einer alten Legende folgend soll das römische Senatsmitglied Cato der Ältere jede seiner Ausführungen und Redebeiträge mit diesem Satz beendet haben. Die immer wiederkehrende Wiederholung dieser Forderung nach Zerstörung der antiken Handelsmacht soll schlussendlich zur Verinnerlichung seiner Ansichten unter weiteren Mitgliedern des Senates geführt haben, bis das »Imperium Romanum« eines Tages ohne Zögern und Zaudern dem als Konkurrenz empfundenen Karthago wahrhaftig den Krieg erklärte.

Diese Metapher wird dann und wann noch herangezogen, um die Wirkungsweise politischer Propaganda zu verdeutlichen. Jene Nutzung propagandistischer Inhalte dient nicht der Überzeugung durch politische Inhalte, durch Disskusion oder gar durch Argumente. Vielmehr dient es der unterschwelligen Bildung von Meinungen und der politischen Stimmungsmache durch populistische Parolen; ein Konzept, dem sich auch die NPD nicht verschließt. Natürlich geht es der neonazistischen Partei nicht um jenen antiken Stadtstaat Karthago, der nun unter dem Staub der Geschichte begraben liegt. Es geht der NPD vielmehr um die Abschaffung der Bundesrepublik Deutschland. Im Verlauf des neonazistischen Aufmarsches am 19.07.2008 in Güstrow waren lauthals ausgesprochene Forderungen dieser Art zumindest keine Seltenheit.

Bereits wenige Minuten nach Verlesen der Auflagen durch den Versammlungsleiter David Petereit, seines Zeichens ehemaliger Mitarbeiter der NPD-Fraktion im Schweriner Landtag, wurden entsprechende Parolen von den Aufmarschsteilnehmer_innen verbreitet. Dabei trat vor allem eine Gruppe sogenannter »Autonomer Nationalisten« in Erscheinung. Neben diesen bildeten Neonazis aus dem militanten Kameradschaftsspektrum den größten Teil der angereisten Teilnehmer_innen. Der eingesetzte Ordnerdienst der Neonazis in Güstrow wurde durch Andreas Theissen, Mitarbeiter der NPD im Schweriner Landtag sowie Führungsperson des »NPD-Bundesordnerdienstes«, koordiniert und geleitet.

Der Aufmarsch wurde nach etwa vier Stunden von den Veranstalter_innen für beendet erklärt. Gegendemonstrant_innen gelang es im Verlauf des Tages nur vereinzelt an die Aufmarschsroute der Neonazis vorzudringen. Neben Mitgliedern der mecklenburgischen NPD und des militanten Kameradschaftsspektrums waren auch Vertreter der »Heimattreuen Deutschen Jugend e.V.« (HDJ) an dem Aufmarsch beteiligt. Aus diesem Personenkreis bildete sich unter anderem der Trommlerzug an der Spitze des Aufmarsches. Auch in die organisatorischen Aufgaben der neonazistischen Veranstaltung waren Mitglieder der »HDJ-Einheit Mecklenburg und Pommern« eingebunden.

Neben Udo Pastörs agitierten als weitere Redner David Petereit sowie der Landesvorsitzende der NPD Mecklenburg-Vorpommen Stefan Köster. Das von den Neonazis in Güstrow verwendete und vom Neonaziaktivisten Sven Krüger aus dem mecklenburgischen Jamel gesteuerte Lautsprecherfahrzeug wird ebenfalls Stefan Köster zugerechnet. Vom Anmelder des Aufmarsches, Michael Grewe, fehlte während der Veranstaltung hingegen jede Spur.