21.08.2008 / HDJ - Trotz Uniformverbot nicht tot

recherche-nord

Die schrillen Laute einer Trillerpfeife durchschneiden die Stille in dem kleinen Bergtal. Kommandos werden gebrüllt um kurz darauf wieder von dem Geräusch der Trillerpfeife abgelöst zu werden. Durch die Zeltreihen bewegen sich Jugendliche - gekleidet in Uniform. Die Älteren hier tragen Rangabzeichen. Mit Ausnahme der zum Teil minderjährigen Jugendlichen erweckt das Szenario, das sich über die Pfingstage 2008 in der Nähe der sächsischen Gemeinde Hausdorf abspielte, den Eindruck eines militärischen Feldlagers. Auch hier, bei dem diesjährigen Pfingstlager der »Heimattreuen Deutschen Jugend«>(HDJ) wurden Soldaten ausgebildet - politische Soldaten.

Einer der hier zum militärischen Drill von Jugendlichen die Kommandos gibt, ist Christian von Velsen. Der Neonazi aus dem niedersächsischen Georgsmarienhütte (Kreis Osnabrück) gilt als einer der wichtigsten Nachwuchskader der neofaschistischen Vereinsorganisation. Aus seiner politischen Gesinnung macht das Mitglied der »HDJ Einheit Hermannsland« dabei kein Geheimnis. Als Redner, während einer Kundgebung der NPD im niedersächsischen Vechta im Frühjahr 2008, erteilte von Velsen der Demokratie eine Absage und forderte in seinen Ausführungen hingegen lautstark die Errichtung eines »Führerstaates«.

Dass sich Christian von Velsen selbst zu solchen Führungsaufgaben berufen fühlt, zeigen auch Vorkommnisse im Juni 2006 während eines paramilitärischen Übungslagers von militanten Neonazis in Wilsum (Grafschaft Bentheim). Unter seiner Anleitung wurde dort den mitunter minderjährigen Teilnehmern bei Schießübungen der Umgang mit Schusswaffen nähergebracht. Es kam zu Scheinhinrichtungen. Zur unterschwelligen Vermittlung nationalsozialistischer Inhalte wurden an den Unterkünften des Zeltlagers Namensschilder befestigt. Zelte der »Hitlerjugend« oder der »Leibstandarte« standen dabei zur Auswahl.

Bei einem wenige Wochen später stattgefundenen »Sommerlager« der »Heimattreuen Deutschen Jugend e.V.« im nordrhein-westfälischem Fromhausen wurde ein ähnliches Vorgehen gewählt. Lediglich die Bezeichnungen änderten sich. Die uniformierten Kinder und Jugendlichen wurden dort im »Führerbunker« einquartiert. Auch hier erteilte Christian von Velsen Anweisungen an seine jugendlichen Schützlinge. Ihm zur Seite stand Christian Fischer aus dem niedersächsischen Vechta. Fischer gehörte zu den Organisatoren einer »HDJ-Rasseschulung«, welche im Mai 2008 für Schlagzeilen und Hausdurchsuchungen in mehreren Bundesländern sorgte. Als Referent trat damals der Biologiestudent Ragnar Dam aus Greifswald in Erscheinung. Ragnar Dam ist Anführer der »HDJ-Leitstelle Nord«, einem Dachverband der norddeutschen HDJ Einheiten.

Zu den Ausbildern in Fromhausen gehörten auch Mitglieder der »HDJ-Einheit Niedersachsen«. Als Einheitsführer tritt dabei Alf Börm aus dem niedersächsischen Handorf in Erscheinung. Alf Börm gilt als umtriebiger und überzeugter HDJ Aktivist. So gehörte er im Juni 2007 zu den Organisatoren eines HDJ Zeltlagers im niedersächsischen Ausbergen. Eine Hundertschaft der Polizei beendete das Zeltlager allerdings damals bereits nach wenigen Stunden. Die angereisten Teilnehmer wichen daraufhin ins sogenannte »NPD Heim« im nahe gelegene Georgsmarienhütte aus.

Bei dem im Mai 2007 stattgefundenen »HDJ Pfingslager« war Börm ebenfalls zugegen. Ursprünglich sollte das jährlich stattfindende Pfingstlager im hessischen Hofgeismar, im Kreis Kassel stattfinden. Nach Intervention der Kriminalpolizei wich die HDJ kurzerhand ins niedersächsische Eschede aus. Die Wahl des Ausweichortes fiel beileibe nicht zufällig auf die kleine Gemeinde in der Lüneburger Heide. Hier finden bereits seit Jahren Veranstaltungen der norddeutschen Neonaziszene statt.

Völkisch-neonazistische Jugendarbeit besitzt innerhalb der Familie Börm eine gewisse Tradition. Bei dem Vater von Alf Börm handelt es sich um Manfred Börm, den ehemaligen niedersächsischen Gauführer der 1994 durch das Bundesministerium des Inneren verbotenen »Wiking-Jugend« (WJ). Heute ist Manfred Börm im NPD Bundesvorstand vertreten und zuständig für die Leitung der parteieigenen Schutztruppe, den »NPD-Bundesordnerdienst«. Manfred Börm war ebenfalls im Mai 2007 in Eschede zugegen und koordinierte dort sogar zeitweise die eingesetzten Wachposten der HDJ, welche wie der 58jährige Börm ebenfalls allesamt im NPD Bundesordnerdienst tätig sind.


Ersatzsorganisation der Wiking Jugend?


Die Familie Börm ist nicht die einzige Überschneidung der HDJ zur verbotenen »Wiking-Jugend«. Die Liste der personeller Überschneidungen ist lang. So ist auch der derzeitige Bundesvorsitzende der HDJ, Sebastian Räbiger, seit vielen Jahren mit nationalsozialistischer Jugendarbeit vertraut. Bis zum Verbot der WJ war Räbiger Gauleiter der »Wiking-Jugend« in Sachsen. Ähnlich verhält es sich mit den ehemaligen WJ-Aktivisten Stefan Köster und Udo Pastörs. Die derzeitigen Abgeordneten der NPD im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern treten nun bei Veranstaltungen der »Heimattreuen Deutschen Jugend e.V.« in Erscheinung.

Auch Thorsten Heise, derzeitiges NPD-Bundesvorstandsmitglied und Referent bei HDJ Veranstaltungen, wie am 31.03.2007 im thüringischen Pfersdorf, trug vor einigen Jahren noch die Uniform der »Wiking-Jugend«. Eine weitere personelle Überschneidung führt das Amt für Verfassungsschutz in Brandenburg ins Feld. Der Berliner Rechtsanwalt Wolfram Narath wird dort, als »führender Kopf, der vor allem aus dem Hintergrund agiert« bezeichnet. Eine Anmerkung die aufhorchen lässt. Bei Wolfram Narath handelt es sich um den ehemaligen Bundesvorsitzenden der »Wiking-Jugend«.

Neben den Personellen existieren weitere Überschneidungen zwischen HDJ und »Wiking-Jugend«. Ebenso wie bei der verbotenen »Wiking-Jugend« verwenden beispielsweise auch die Mitglieder der »Heimattreue Deutsche Jugend e.V« sogenannte Pfeifenschnürre zur Kennzeichnung von Funktionsträgern. Ein Verfahren welches lange Jahre vor der »Wiking-Jugend«, zur Zeit der nationalsozialistischen Diktatur schon der »Bund deutscher Mädels« (BDM) praktizierte. Auch bei dem Freizeithemd der HDJ handelt es sich um eine fast exakte Kopie des Freizeithemdes der »Wiking-Jugend«.

Ähnlich verhält es sich mit der Odalrune, dem Erkennungszeichen der »Wiking-Jugend«. Das Vereinszeichen der verbotenen »Wiking-Jugend« findet sich dabei nicht nur als Organisationszeichen in den Vereinsunterlagen der HDJ wieder. Als am 07.08.2008 ein Zeltlager der HDJ, in der Nähe der Gemeinde Hohen Strenz (Landkreis Güstrow) von Einsatzkräften der Polizei aufgelöst wurde, stellten die Beamten umfangreiches Beweismaterial sicher. Auf den beschlagnahmten Gegenständen des HDJ Zeltlagers fanden die Einsatzkräfte der Polizei nicht nur mit Hakenkreuzsymbolik beschmierte Gegenstände- auch die Odalrune wurde dabei festgestellt. Und auf dem Hof des HDJ-Anführers Börm ziert das Runenzeichen weithin sichtbar einen Fachwerkgiebel.


HDJ - Trotz Uniformierungsverbot nicht tot!


Das am 07.08.2008 aufgelöste HDJ Zeltlager im Landkreis Güstrow sorgte für bundesweites Aufsehen. Nicht nur in Mecklenburg-Vorpommern wird nun der Ruf nach einem Verbot der neonazistischen Vereinsorganisation lauter. Der niedersächsische SPD Bundestagsabgeordnete Sebastian Edathy, bis zum Jahr 2005 Sprecher der »Arbeitsgruppe Rechtsextremismus« der SPD Fraktion und derzeitiger Vorsitzender des Bundestags-Innenausschusses, forderte Innenminister Schäuble vergangene Woche dazu auf »vom Vereinsrecht Gebrauch zu machen« um mit einem Verbot, der laut Edathy »widerwärtigen Organisation«, das Handwerk zu legen.

Inwieweit die neuerlichen Forderungen nach einem Verbot der HDJ Erfolg haben werden, bleibt abzuwarten. Mit der politischen Bewertung der HDJ scheinen sich die Ermittlungsbehörden, allen voran der Verfassungsschutz, hingegen noch schwer zu tun. So findet die »Heimattreue Deutsche Jugend e.V.« beispielsweise im niedersächsischen Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2007 keinerlei Erwähnung- trotz mehrerer in dem Bundesland durchgeführter Zeltlager.

Von rechtlichen Schritten gegen ihre Organisation zeigen sich die Mitglieder der HDJ bislang nur wenig beeindruckt. So wird ein im November 2007 durch das Bundesministerium des Inneren erlassenes Uniformierungsverbot durch Mitglieder der HDJ ohne nennenswerte Konsequenzen bisher weitestgehend ignoriert. So auch am 21.06.2008 in Preußisch-Ströhen während eines HDJ Zeltlagers im niedersächsischen Grenzgebiet zu Nordrhein-Westfalen.

Ähnliches spielte sich zuvor während des »HDJ-Pfingslagers«, am 10.05.2008 in der Nähe der sächsischen Gemeinde Hausdorf, ab. Auch hier waren die HDJ Mitglieder uniformiert. Im Verlauf des Zeltlagers brach ein minderjähriges Mitglied der HDJ nach einem Geländemarsch zusammen und musste durch einen Notarzt ambulant versorgt werden. Eintreffende Polizeikräfte, welche sich daraufhin im Zeltlager umsehen wollten, wurden durch die Wachposten der HDJ am Betreten des Zeltlagers gehindert und zogen sich daraufhin zurück.

Einen Monat davor, am 26.04.2008 bot sich Beobachtern während eines sogenannten »Pimfplagers« im sächsischen Limbach das gleiche Schauspiel. Alarmierte Polizeibeamte wurden durch uniformierte HDJ Mitglieder des Grundstücks verwiesen. Der sächsische Innenminister Albrecht Buttolo erklärte in einer anschließenden Sitzung des Innenausschusses, dass im Verlauf des HDJ Lagers in Limbach keine Uniformierung festgestellt wurde. Durch Journalist_innen im Verlauf des HDJ Lagers angefertigte Fotographien beweisen hingegen das Gegenteil.

Derzeitig ist das Bundesminesterium des Innern noch bemüht eine mögliche Verfassungsfeindlichkeit, der als gemeinnütziger Verein angemeldeten HDJ festzustellen um ein entsprechendes Verbotsverfahren zu begründen. Auf die Frage der Verfassungsfeindlichkeit gibt die HDJ, zumindest intern selber bereitwillig Auskunft. Während einer HDJ Veranstaltung im Jahr 2005 bringt es der Gastredner Ralf Tegenthoff auf den erhellenden Punkt: »Dieses System ist ein Fehler und wir sind angetreten dieses System abzuschaffen und durch einen freien deutschen Volksstaat zu ersetzen.«