30.08.2008 / Nordhorn: »Sie sind Teil der Versammlung«

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Zu einem Störversuch einer antifaschistischen Kundgebung durch eine zehnköpfige Gruppe Neonazis kam es am vergangenen Samstag. Die Nordhorner »Initiative GeRecht« (gegen Rechts) hatte zu dieser Versammlung im Nordhorner Stadtteil »Blanke« aufgerufen, nachdem es dort vermehrt zu neofaschistisch motivierten Übergriffen kam.

In unmittelbarer Nähe zu den beiden Gaststätten »zum Turm« und »Old Shatterhand«, welche Szenekenner_innen zufolge als Treffpunkte für die neofaschistische Szene dienen, nahmen etwa 120 Personen an der Protestkundgebung »gegen rechte Gewalt und Nazis auf der Straße« teil.

Bereits zu Beginn kam es zu einer ersten Störaktion durch den Nordhorner Peter W., welcher mit seinem Auto an den Kundgebungsplatz heranfuhr und laut Musik mit rassistischen Texten abspielte. W. ist Domaininhaber der kürzlich gegründeten Internetplattform »Grafschafter Widerstand«, in der vor allem gegen Migrant_innen und Menschen aus dem politisch linken Spektrum mobil gemacht wird. In seinem Nachbericht des Tages schrieb er: »Ich wünsche mir mal eine Veranstaltung gegen Ausländerkriminalität und für Deutsche Interessen an selber Stelle.«

Kurz darauf näherte sich eine zehnköpfige Gruppe Neonazis der Versammlung und postierte sich zunächst auf einem nahegelegenen Supermarktparkplatz, später auf dem Kundgebungsplatz selbst. Unter ihnen war auch der 20jährige Jens S. aus Wilsum. Auf dem Privatgelände seiner Eltern fand im Juni 2006 ein paramilitärisches Sommercamp statt, welches von der Kameradschaft »Freie Nationale Vechta« veranstaltet wurde. Auf dem Camp, unter anderem geleitet von Führungsaktivist_innen der Vereinsorganisation »Heimattreuen Deutschen Jugend« (HDJ), wurden Schießübungen durchgeführt und Hinrichtungen trainiert. Gegen S. und 25 weitere Teilnehmer_innen des Camps kam es daraufhin zu Hausdurchsuchungen, bei denen unter anderem ein umfangreiches Waffenarsenal beschlagnahmt wurde.

Ermittlungsverfahren wegen der »Bildung einer bewaffneten Gruppe« sowie wegen des Verstoßes gegen das Waffengesetz wurden eingeleitet. Auf dem Camp trug Jens S. ein T-Shirt der Gruppe »No Remorse« aus England, welche in ihrem Song »Barbecue in Rostock« die rassistisch motivierten Brandanschläge auf ein Flüchtlingsheim in Rostock-Lichtenhagen verherrlicht. Heute trug S. einen Pullover der neofaschistischen Kleidungsmarke »Consdaple«, welche sich in neofaschistischen Kreisen aufgrund der Buchstabenkombination »NSDAP« großer Beliebtheit erfreut. Außerdem war ein T-Shirt der britischen neofaschistischen Terrororganisation »Combat 18« zu sehen, das mit der Losung »C4 for Reds« beschriftet war. C4, ausgeschrieben »Composition Compound 4« ist ein Sprengstoff.

Weiterhin war mit Kai t.B. auch eine Person anwesend, welche bereits an dem »Gedenkmarsch« für den Hitler-Stellvertreter Rudolf Hess 2004 in Wunsiedel teilgenommen hatte.

Bereits in der Nacht vor der Veranstaltung verklebte eine Gruppe Neonazis im Kundgebungsbereich Aufkleber und Plakate mit neofaschistischen Inhalten und drohte alternativ aussehenden Jugendlichen Gewalt an, welche aber fliehen konnten.

Die Polizei duldete die Gruppe Neonazis, welche sich vor allem dem Spektrum der Nordhorner Kameradschaft bzw. den »Autonomen Nationalisten Grafschaft Bentheim« (ANGB) zugerechnet werden, auf dem Kundgebungsplatz mit der Begründung, dass ihr rechtlich die Hände gebunden seien. Ein Ordnungshüter bemerkte, dass die Gruppe rechtlich als Teil der Versammlung gewertet werden würde und dass sie, sofern sie sich ruhig verhielte, auf dem Platz verweilen dürfe. Trotzdem wurde es den Ordner_innen nicht gestattet, die Gruppe von der Kundgebung zu verweisen. Erst nach ca. einer halben Stunde wurden dann doch Platzverweise gegen die Neofaschist_innen verteilt und die Kundgebung konnte ohne weitere Störungen beendet werden.

Nachtrag: Der Neonazi Patrick F. trug an diesem Tag ein T-Shirt mit der Aufschrift "Arische Bruderschaft" und zwei gekreuzten Handgranaten. Aufgrund dieses Motives kam es am 3.September bei dem Inhaber des "WB-Versandes", Thorsten Heise aus dem thüringischen Fretterode, zu einer Hausdurchsuchung. Daraufhin war auf der Internetseite des Shops zu lesen: "Leider sind uns bei einer Hausdurchsuchung am 3.9.2008 alle Waren und Werbemitte, die Zeichen der Arischen Bruderschaft zeigen, trotz Rechtsgutachten beschlagnahmt worden! Wir bitten alle Kameraden die Handgranaten zur Zeit nicht öffendlich zu verwenden!" Herauszufinden, inwieweit Patrick F. sich mit dem öffentlichen Zeigen dieses Motivs strafbar gemacht hat, liegt jetzt an den Ermittlungsbehörden.