26.09.2008 / Hamburg: Thor Steinar unter falscher Flagge

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Begleitet von antifaschistischen Gegenprotesten öffneten in den Morgenstunden des 25.09.2008 die Pforten eines neuen »Thor Steinar« Geschäfts in der Hansestadt Hamburg. Mit Blick auf die Marktwirtschaftlichkeit scheint die Wahl des neuen »Thor Steinar« Standortes nicht zufällig gefallen zu sein. Die potentielle Zielgruppe der Käufer_innen liegt dabei weniger bei Neofaschist_innen und dem Inneren ihrer Geldbeutel. Vielmehr ist das Geschäft ein weiterer Baustein in der Strategie von »Thor Steinar« und dahinterliegenden Geschäftsstrukturen, sich als »etablierte« Bekleidungsmarke zu präsentieren.

Hier, im Herzen der Hamburger Innenstadt, existiert für die seit dem Jahr 2003 durch die »Mediatex-Gmbh« vertriebene Bekleidungsmarke, ein gewaltiges Kundenpotential. Dementsprechend politisch unauffällig ist auch die Präsentation des derzeitigen Standortes in der Hansestadt gehalten. Vergebens sucht das Auge der Betrachter_innen, in der Außenansicht der Geschäftsräume die Bezeichnung »Thor Steinar«. Umrahmt von zwei norwegischen Landesfahnen findet sich über dem Eingang hingegen die Bezeichnung »Brevik«. Der Name bezieht sich dabei auf eine kleine Siedlung in Skandinavien. Das norwegische Brevik liegt etwa 50 Kilometer östlich der Stadt Tønsberg, Auch in der Nähe der schwedischen Stadt Norrköpin gibt es eine kleine Ortschaft gleichen Namens.

Der politische Hintergrund von »Thor Steinar« wird zumindest vor der Ladentheke von »Brevik« weitestgehend ausgeblendet. In der Reklamewerbung, welche potentiellen Besucher_innen an den Schaufenstern entgegenlacht, tummeln sich neben Bergen von Kleidung, lediglich Wikingerschiffe und Gestalten aus der nordischen Mythologie. Ein Vorgehen, welches sich auch im Inneren des Geschäftes fortsetzt. Die dahinter stehende Logik ist genauso einfach wie klar. Szeneläden für Neonazibekleidung sehen anders aus.

Voraussetzungen die es den Ladenbetreibern durchaus erlauben größere Kundenschichten zu erreichen. Angesichts der monatlichen Miete von mehreren tausend Euro, scheinen die Betreiber_innen von »Brevik«, allen vorran der Geschäftsführer der »Mediatex GmbH« Uwe Meusel, dieses Unterfangen als realistisch zu betrachten. Solche Versuche der »Mediatex-Gmbh« mit der Kleidungsmarke »Thor Steinar« in breiteren gesellschaftliche Schichten als »normale« Kleidungsmarke einzusickern ist kein neues oder gar unbekanntes Phänomen.

Bereits im vergangenen Jahr sorgte ein solches Vorgehen in Brandenburg für überregionale Schlagzeilen. Höhrer_innen des lokale Radiosender »Radio KW« aus Königs Wunsterhausen (Kreis Dahme Spreewald) ist »Thor Steinar« schon lange ein Begriff. Unter der Bezeichnung »Dein Freund und Helfer« präsentierte »Thor Steinar« dort seit Dezember 2006 die regelmäßig ausgestrahlten Warnungen vor Geschwindigkeitskontrollen auf »Radio KW«.


»Thor Steinar - Dein (unauffälliger) Freund und Helfer«


Die Marke »Thor Steinar« existiert seit dem Jahr 2002. Registriert wurde sie unter dem Namen von Axel Kopelke. Vertrieben wird »Thor Steinar« seit 2003 durch die »Mediatex-Gmbh« mit Sitz in Königs Wunsterhausen. Bei dem aus dem brandenburgischen Niederlehme stammende Axel Kopelke handelt es sich um kein unbeschriebenes Blatt. Kopelke soll in der Vergangenheit an neonazistischen Sonnenwendfeiern sowie einer »Reichsgründungsfeier« der NPD in Königs Wunsterhausen teilgenommen haben. Inzwischen hat Axel Kopelke eine neue Bleibe in der Schweiz gefunden. Im Kanton Zürich widmet sich der umstrittene Geschäftsmann dem Aufbau einer weiteren Bekleidungsfirma.

In den vergangenen Jahren entwickelte sich »Thor Steinar« zu der derzeitig wohl beliebtesten und bedeutendste Kleidungsmarke von Neofaschisten in der Bundesrepublik. Zwar werden die Kleidungsstücke in der Türkei gefertigt, doch daran störte sich die bundesweite Neonaziszene bislang nicht sonderlich. Bekanntheit innerhalb der Neonaziszene erlangte die Kleidungsmarke in den letzten Jahren vor allem durch Werbekampagnen in einschlägigen Szenepublikationen wie beispielsweise »Rock Nord«. Auch die juristischen Auseinandersetzung um das Firmenlogo der Marke, welches Runenzeichen verwendete, die während der Zeit des Nationalsozialistischen Regimes von SS-Divisionen genutzt wurden, trugen zu der Popularität der Marke bei.

Inwieweit das nun in Hamburg eröffnete Bekleidungsgeschäft Bestand haben wird, bleibt abzuwarten. Antifaschistischer Gegenprotest begleitete die Eröffnung vom Hamburger »Thor Steinar-Shop«, welcher durch ein starkes Polizeiaufgebot geschützt werden musste. Die Einkaufspassage, in der sich die Geschäftsräume befinden, musste daraufhin zeitweilig geschlossen werden. Ein Sprecher der HSH-Nordbank, Eigentümerin der Einkaufspassage und verantwortlich für den Mietvertrag mit »Brevik«, gab noch während der Eröffnung des Ladengeschäftes bekannt, den Vertrag mit den Betreiber_innen aufkündigen zu wollen. »Man fühle sich getäuscht«, so der Kommentar.

Die HSH Nordbank zeigte sich überrascht, über das Sortiment und die politischen Hintergründe des Ladens. Die Verhandlungen über den Mietvertrag führte das Hamburger Bankhaus zuvor mit der »Protex Gmbh«, bei der »nichts auf eine Marke namens Thor Steinar hingedeutet hätte«, so der Sprecher der HSH Nordbank weiter. Eine einfache Überprüfung durch die HSH Nordbank, hätte vermutlich bereits im Vorfeld zur Aufhellung von politischen Hintergründen der »Prontex Gmbh« deren Firmananschrift mit der »Mediatex Gmbh« identisch ist, beitragen können. Pikantes Detail: In der »HSH Nordbank Arena«, dem Stadion des Fußballbundesligisten »Hamburger SV«, ist das Tragen der Bekleidungsmarke »Thor Steinar« seit September 2007 durch die Stadionverordnung verboten.