04.10.2008 / Dörverden: Die Artgemeinschaft zurück auf dem Heisenhof

recherche-nord

Der Herbst zieht ins Land. Anlass für rund 30 Mitglieder der neonazistischen »Artgemeinschaft«, sich für einen Arbeitseinsatz auf dem Heisenhof im niedersächsischen Dörverden einzufinden. Nach der Entscheidung des Landgerichtes Gera hat der Hamburger Neonazi Jürgen Rieger nun seit annähernd drei Monaten wieder Zugriff auf das ehemalige Bundeswehrgelände. Nun soll der zunehmend verwahrloste Gebäudekomplex mit Unterstützung der rassistischen »Artgemeinschaft« winterfest gemacht werden.

Durch die Baumreihen dringt lediglich das beständige Dröhnen einer Kettensäge. Kinder laufen über das Grundstück, einige von ihnen tragen Trachten. Abgeschirmt durch das umgebende Dickicht, haben sich wie bereits in den Jahren 2005 und 2006, am ersten Oktoberwochenende etliche Mitglieder der »Artgemeinschaft« auf dem Gelände in Dörverden eingefunden. Unter der Anleitung des NPD Bundesvorstandsmitgliedes Jürgen Rieger sind einige Personen der rassistischen Organisation damit beschäftigt, die Wege und Flächen auf dem Heisenhof zu säubern. Neben der »Artgemeinschaft« haben sich hier, am Rande der Gemeinde Dörverden, auch Mitglieder und Sympathisanten der neonazistischen NPD/JN Verden zum »Arbeitseinsatz« eingefunden.

»Es sind alle hier«, so zumindest der Kommentar eines NPD Sympathisanten, angesprochen auf die Anzahl der Mitglieder aus den Reihen der »Artgemeinschaft«. Gemeinsam mit einem weiteren Helfer ist er derweil damit beschäftigt, den Baumbestand in unmittelbarer Nähe des Gebäudekomplexes zu entfernen. »Die Arbeiten sind nötig geworden. Wasserschäden haben der Gebäudesubstanz im letzten Jahr ziemlich zugesetzt«, gibt er den anwesenden Beobachter_innen mit einigen kurzen Sätzen zu verstehen. Jürgen Rieger leite ihren Angaben zufolge die Aufräumarbeiten auf dem Gelände.

»Mit der NPD habe man persönlich nichts zu tun«, so der in Tarnjacke und Arbeitshose gekleidete Helfer weiter. Vielmehr seien er und sein Kollege »direkt vom Landkreis beauftragt worden, einen Teil der Bäume auf dem Gelände zu fällen«. Dass diese Aussage wohl als reine Schutzbehauptung zu werten ist, zeigt auch die Teilnahme der beiden selbsternannten »Landkreismitarbeiter« an einer NPD Kundgebung am 22.06.2006 in der Verdener Innenstadt. Im derem Verlauf wurde unter anderem Udo Voigt, derzeitger Bundesvorsitzender der neonazistischen NPD, aufgrund des Verdachts der Volksverhetzung, vorläufig in Gewahrsam genommen.

Die zuständigen Behörden des Landkreises Verden scheinen derzeit allerdings nur wenig Notiz von dem Treiben der Neonazis aus den Strukturen der »Artgemeinschaft« und NPD auf dem ehemaligen Bundeswehrgelände zu nehmen. Ob dies bewusst oder unbewusst geschieht, darüber schweigen sich die verantwortlichen Stellen bislang aus. Trotz einer Nutzungsbeschränkung für das Anwesen, welche derzeit etwaige Renovierungsarbeiten untersagt, suchte das Auge der Betrachter_innen am vergangenen Wochenende Mitarbeiter_innen des Landkreises vergebens.

Selbsternannte »Landkreismitarbeiter« und weitere angereiste Neonazis konnten hingegen nahezu ungestört auf dem Gelände wohnen und arbeiten. Ein Polizeibeamter, der anwesende Journalist_innen vor dem Gelände kontrollierte, vor einer Augenscheinnahme des Heisenhofes aber zurückschreckte, fasste den derzeitigen Kenntnisstand der Behörden folgendermaßen zusammen: »Wir wissen auch nicht woran momentan auf dem Gelände gearbeitet wird«.

Nach Angaben von Vertreter_innen des Landkreises handelt es sich bei den nun durchgeführten Arbeiten auf dem Heisenhof um sogenannte »Verschönerungsmaßnahmen«. Dass es Jürgen Rieger und die dort arbeitenden Neonazis allerdings nicht bei solchen »Maßnahmen« beließen, zeigt auch eine politische Vortragsveranstaltung, die im Verlauf des 03.08.2008 auf dem Gelände durchgeführt worden sein soll. Auch dass Neonazis, trotz der Auflagen des Landkreises, zur Übernachtung in den Räumlichkeiten des Heisenhof Quartier bezogen, scheint den Behörden entgangen zu sein.

Die Überprüfung der von Vertreter_innen des Landkreises angepriesenen Nutzungsbechränkungen erscheint bei Betrachtung der letzten Jahre eher zweifelhaft. So wohnten, trotz Verbot im Jahr 2006, mindestens drei Mitglieder der NPD Verden sowie ein NPD Aktivist aus dem nahegelegenen Osterholz-Scharmbeck monatelang unbehelligt auf dem Anwesen. In einem Nebengebäude wurden sogar Büroräume der NPD/JN Verden eingerichtet. Ob, wie von anwesenden Neonazis nun eingeräumt, auch die Beseitigung der Wasserschäden an dem Gebäude unter der Bezeichnung »Verschönerungen« in den Akten des Landkreises aufgeführt wird, bleibt bislang ein wohl gehütetes Geheimnis.