17.10.2008 / Gerdehaus: Jürgen Rieger - »Gebt der Meute was sie braucht?«

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Der Hamburger Neonazi Jürgen Rieger soll das Landhaus »Gerhus« in Nähe der Gemeinde Faßberg (Kreis Celle) käuflich erwoben haben. Während der mediale Blätterwald bereits die »Schaffung eines Schulungszentrums der Neonaziszene« prognostiziert, mehren sich die Zweifel an den »ernst gemeinten« Kaufabsichten von Jürgen Rieger.

In den Morgenstunden des 17.10.2008 machte Rieger, anlässlich der angesetzten Zwangsversteigerung des Gebäudes, dem Amtsgericht Celle seine Aufwartung. Nach dem Erscheinen von Jürgen Rieger in den Räumlichkeiten des Gerichts, wurde die Zwangsversteigerung auf Betreiben der Gläubiger um die Volksbank Südheide vorsorglich unterbrochen. Hintergrund seien Gerüchte über »ernst zunehmende Kaufverhandlungen« des Hamburger Rechtsanwaltes mit den Eigentümern des Gebäudes gewesen. Rieger, der in den vergangenen Jahren mit Scheinkäufen im Immobilienbereich bundesweit mediales Aufsehen erregte, gab kurze Zeit später bekannt, das Gebäude erworben zu haben. Ein Freund der Familie des vormaligen Eigentümers bestätigte anschließend den Kauf des des Gebäudes für insgesamt 1,2 Millionen Euro an den Hamburger Rechtsanwalt.

Die Ereignisse treffen die Gemeinde Faßberg allerdings keineswegs unerwartet. Bereits im Jahr 2006 kündigte der damalige Eigentümer Karl Hennies an, das Gebäude an den Neonazi Jürgen Rieger veräußern zu wollen. Vorangegangen waren gescheiterte Kaufverhandlungen mit anderen Investoren. Die Gemeinde Faßberg plante ursprünglich in Gerdehaus die Betreuung von Suchtkranken sowie demenzkranken Senioren zu ermöglichen. Voraussetzungen, welche in dem Objekt hinlänglich gegeben seien. Die Räumlichkeiten bieten rund 80 Betten. Ein Schwimmbad sowie eine Saune gehören ebenfalls zu dem Gebäudekomplex. Nach Bekanntwerden von Kaufabsichten des Hamburger Rechtsanwaltes gab es dann im Dezember 2006 allerdings eine vorläufige Entwarnung. Weitere Investoren hätten Interesse angemeldet, der Umwandlung des Gebäudes in ein Zentrum für Demenzkranke würde nichts mehr im Wege stehen.

Der lokalen Presse gab Hennies im Jahr 2006 folgendes auf den Weg: »Dass Ich rechts stehe, dürfte keinem unbekannt sein«. Er bezeichne sich zwar als »Demokrat«, die CDU sei in den Augen von Karl Hennies »allerdings eine Links Partei«. Kontakte zu Jürgen Rieger würden, den Aussagen des damals 68ährigen folgend, bereits seit längerem bestehen. So habe er auch die sogenannten »Pfingstwochen« in Hetendorfer »Heideheim« besucht und dort persönliche Kontakte mit Rieger knüpfen können. Bei dem »Heideheim« handelte es sich um ein von Jürgen Rieger betriebenem neonazistisches Schulungszentrum in der kleinen Gemeinde im Landkreis Celle. Zu Veranstaltungen, wie den »Hetendorfer Tagungswochen« reisten regelmäßig Neonazis aus der gesamten Bundesrepublik und dem europäischen Ausland in die Lüneburger Heide.

Im Februar 1998 verbot dann das niedersächsische Innenministerium die von Jürgen Rieger geführten Trägervereine des »Neonazi-Zentrums«. Das Schulungszentrum wurde geschlossen. Nach Verbot der Trägervereine und der damit verbundenen Auflösung des »Heideheims« wollte Hennies, den von dem Verbot betroffenen Neonazis um Jürgen Rieger, zur Seite stehen. »Ich wollte Gerdehaus denen damals schon geben, als Hetendorf verboten wurde«, gab Hennies der lokalen Presse 2006 zu verstehen, aber seine Frau sei dagegen gewesen.

Die politischen Aktivitäten Riegers bewertete der Besitzer des »Gerhus« in dem Gespräch positiv. Auf die Frage nach Riegers Verurteilungen erwiderte Hennies: »Wenn ich mal wegen Volksverhetzung eingesperrt werde, wäre ich stolz darauf«. Im Oktober 2006 wollte sich Hennies allerdings nicht auf Rieger als alleinigen Käufer festlegen. Er würde »auch an Kommunisten verkaufen«, so sein Kommentar dazu. Riegers Idee von einem Schulungszentrum fände Hennies grundsätzlich gut. »Da könnten den 50.000 Jugendlichen ohne Lehrstelle die Augen geöffnet werden, warum es in Deutschland nicht läuft. Gerhaus wäre geeignet: Neben dem Hotel könnten auf dem Campingplatz große Zelte aufgebaut werden«.


Die »Artgemeinschaft« in Faßberg


Politische Anknüpfungspunkte mit der Region Faßberg, besitzt Jürgen Rieger nicht nur über das ehemalige Schulungszentrum »Heideheim« in Hetendorf oder offene Bewunderer, vom Kaliber eines Karl Hennies. Mitglieder der völkisch-rassistischen »Artgemeinschaft« leben hier. Bei der »Artgemeinschaft – Germanische Glaubens-Gemeinschaft wesensgemäßer Lebensgestaltung e.V.« handelt es sich um eine völkisch-religiöse Sekte des Neonazispektrums. An der Spitze der Organisation, welche über rund 150 Mitglieder verfügen soll, befindet sich Jürgen Rieger. Die als Verein eingetragene Gruppierung um den Hamburger Rechtsanwalt, fordert ein Leben nach streng rassistisch ausgerichteten »Sittengesetzen«.

Nach Eigenangaben, plant Jürgen Rieger bereits seit längerem, für die Aktivitäten der »Artgemeinschaft« , in Norddeutschland vermehrt Immobilien zu erwerben. Diese sollen dann als völkische Wirkungsstätte dienen. Der Kauf des, einem ehemaligen Gebäudekomplex der Bundeswehr im niedersächsischen Dörverden, stand ebenfalls in einem solchen Zusammenhang. Während Behörden im Bezug auf den Heisenhof vor einem entstehenden »neonazistischen Schulungszentrum mit europaweiter Bedeutung« warnten, plante Rieger im Hintergrund, den Gebäudekomplex vor allem im Zusammenhang mit der »Artgemeinschaft« zu nutzen. Neben einer geplanten Forschungseinrichtung für rassistisch motivierte »künstliche Befruchtung« sollte das Gelände in erster Linie als Rückzugsraum der »rassistischen Religionsgemeinschaft« dienen. Wohnräume sowie eine Bibliothek der »Artgemeinschaft« sollen hier geplant gewesen sein. Zur Beantragung von möglichen Subventionsgeldern beabsichtigten die Neonazis darüberhinaus eine Schafzucht auf dem Gelände aufzubauen. Alle diesbezüglichen Pläne Jürgen Riegers scheiterten bislang.

Ein Stillstand von Riegers Tätigkeiten ist in Dörverden allerdings nicht zu verzeichnen. Unter der Leitung des Hamburger Rechtsanwaltes versammeln sich zweimal im Jahr Mitglieder der Organisation auf dem Dörverdener Gelände zu sogenannten »Arbeitseinsätzen der Artgemeinschaft«. Bei diesen Arbeitseinsätzen waren auch Mitglieder der rassistischen Gruppierung aus Faßberg vor Ort, so zuletzt am 04.10.2008. Bereits in den Jahren zuvor beteiligten sie sich, mit einem Teil ihrer Kinder, an den regelmäßig stattfindenden Aufräumarbeiten auf dem Gelände. Dabei handelt es sich um Christain und Siv Annette von Fintel. Als am 05.05.2005, unter dem Kommando von Jürgen Rieger, mehrere Neonazis zwei Journalist_innen, welche das Treiben der »Artgemeinschaft« auf dem Gelände beobachteten, tätlich angriffen und einem Journalisten ins Gesicht schlugen, waren Mitglieder der Familie von Fintel ebenfalls involviert. Christian und Siv Annette von Fintel verbinden mit Jürgen Rieger auch geschäftliche Beziehungen. Für eine seit dem Jahr 2006 bestehende Internetseite des Hamburger Rechtsanwaltes treten sie im Impressum der Internetpräsenz als Verantwortliche in Erscheinung.


Ernst gemeinte Kaufabsichten von Jürgen Rieger?


Im September 2008 verstarb dann der ehemalige Besitzer des »Gerhus«, Karl Hennies. Seither gehört der nahe Faßberg gelegene Gebäudekomplex, einer Erbengemeinschaft, die ebenfalls mit Jürgen Rieger in Kontakt getreten sei. Im Hinblick, auf die vorangegangenen Monate sind die »ernst gemeinten Kaufabsichten« von Jürgen Rieger hingegen eher zweifelhafter Natur. Mit Scheinangeboten für Immobilien sorgte der Hamburger Rechtsanwalt in den letzten zwei Jahren für bundesweite Negativschlagzeilen. Aussteiger der Szene berichteten in diesem Zusammenhang immer wieder von einem regelrechten »Finanzierungsmodell« Jürgen Riegers. Durch die Verbreitung von Informationen, bezüglich der Kaufabsichten des Hamburger Neonazis sollten Preise von Immobilien unverhältnismäßig in die Höhe getrieben werden. Die Besitzer der Gebäude sollen darauf spekulierten haben, das betroffene Gemeinden von einem »Vorkaufsrecht« Gebrauch machen und die Objekte selbst erwerben würden. Rieger soll laut Angaben von Aussteigern mit mindestens 10% an dem daraufhin erzielten Gewinn beteiligt worden sein.

In dem nun im Amtsgericht Celle stattgefundenen Bieterverfahren signalisiert Rieger nun abermals Kaufabsichten, für den laut Szeneangaben »leicht heruntergekommenen« Gebäudekomplex des »Gerhus«. Zur Unterstreichung seiner Absichten hinterlegte das Mitglied des NPD Bundesvorstandes rund 100.000 Euro als Bietersicherheit. Dabei handelt es sich um rund zehn Prozent des veranschlagten Verkehrswertes des Hauses. Das bisherige Vorgehen Riegers in Faßberg nährt den Eindruck eines Scheinkaufes. Der Hamburger Rechtsanwalt hätte das Gebäude während der Zwangsversteigerung für insgesamt 750.000,- Euro ersteigern können. Anstatt das Gebäude für diesen Preis zu erwerben, wird nun die Summe 1,2 Millionen Euro als möglicher Kaufpreis von Jürgen Rieger und dem Kreis der Erbengemeinschaft ins Feld geführt. Die erste Phase von Riegers üblichen Vorgehens bei Scheinkäufen ist damit bereits geglückt.

Rieger erklärte er wolle den Gebäudekomplex in der Zukunft für Schulungsveranstaltungen und NPD-Landesparteitage nutzen. Im Fall der Gemeinde Faßberg sind realistische Kaufabsichten von Jürgen Rieger zwar nicht gänzlich ausgeschlossen. Doch noch ist fraglich, inwieweit Rieger seine öffentlich verkündeten Pläne im Bezug auf das »Gerhus« tatsächlich umsetzen wird. Wie ein Kreissprecher der Gemeinde Faßberg bereits mitteilte, besitzt die Gemeinde auf das Gebäude ein noch zwei Monate geltendes »Vorkaufsrecht«.