08.11.2008 / Aachen: Stehen statt gehen...

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Nachdem das Bundesverfassungsgericht, ein zuvor von der Aachener Polizei erlassenes Versammlungsverbot aufhob, versammelten sich insgesamt 111 Neonazis zu einer Kundgebung in unmittelbarer Nähe des Aachener Hauptbahnhofes. Unter dem Motto »gegen einseiteige Vergangenheitsbewältigung« versuchten die angereisten Neonazis am Vortag des 70ten Jahrestages der »Reichsprogromnacht« revisionistische Opfermythen zu verbreiten.

Durch Verklärung dieser Machart versuchen die Interpreten und ideologischen Führungspersonen der neonazistische Szene die Rolle von Opfern und Tätern umzudeuten. Im Verlauf der sogenanten »Reichsprogromnacht« kam es im gesamten »Deutschen Reich« zu organisierten Angriffen gegen jüdische Einrichtungen. Synagogen, Geschätsräume, öffentliche Einrichtungen und Privatwohnungen gingen in Flammen auf, es kam schweren Misshandlungen und Todesopfern unter der jüdischen Bevölkerung.

Im Vorfeld der nun stattgefundenen Kundgebung von Neonazis untersagte Aachener Polizeiführung den Aufmarsch zunächst aufgrund der zeitlichen Nähe und des inhaltlichen Bezugs der antisemitischen Novemberprogrome vom 9.November 1938 in Deutschland, jedoch wurde dieses Verbot kurzfristig vom Bundesverfassungsgericht gekippt. Der ursprüngliche Anmelder der Versammlung, Axel Reitz, bekam von der Polizei die Auflage, weder als Versammlungsleiter, noch als Redner oder Ordner bei dieser Veranstaltung in Erscheinung zu treten. Grund dafür sei sein ausgeprägt antisemitisches Weltbild und die Tatsache, dass der Kölner bereits wegen Volksverhetzung verurteilt sei.

So übernahm der Hamburger Neonaziaktivist Christian Worch die Rolle des Versammlungsleiters. Das Bundesverfassungsgericht erlaubte eine Kundgebung inklusive Aufzug, doch aufgrund mangelnder Gesprächsbereitschaft Worchs, welcher nicht zu einem angesetzten Koordinierungsgespräch mit der Polizei erschien, gestattete diese lediglich eine stationäre Kundgebung auf dem Bahnhofsvorplatz.

Redner auf der ca. einstündigen Veranstaltung waren neben Christian Worch der Vorsitzende der nordrhein-westfälischen NPD Claus Cremer, der Düsseldorfer Neonaziaktivist Sven Skoda, Ingo Haller in seiner Funktion des Vorsitzdenden der NPD Düren sowie der jüngst aus der Haft entlassenen Neonazikader Paul Breuer. Vor allem Claus Cremer nutze seine Redezeit, um auf die Ereignisse im April diesen Jahres in Stolberg einzugehen. Damals wurde ein 19jähriger von einer Gruppe Jugendlicher, offenbar mit Migrationshintergrund, niedergestochen und erlag später seinen Verletzungen. Dieser Vorfall dient der neofaschistischen Szene seitdem als Projektionsfeld für rassistische und fremdenfeindliche Agitation.

Begleitet wurde die Kundgebung von lautstarkem Protest von rund 400 Menschen, die auf der anderen Seite des Platzes eine Gegenkundgebung abhielten. Außerdem wurde eine Gegendemonstration in der Aachener Innenstadt von rund 2500 Menschen besucht.