12.02.2009 / Celle: »Hilfsweise eine milde Strafe« - für Neonazi in Celle

recherche-nord

Der gezielte Angriff eines niedersächsischen NPD-Aktivisten auf einen Pressefotographen im vergangenen Jahr sorgte nun für juristische Konsequenzen. Das Amtsgericht Celle sah es als erwiesen an, dass der Angreifer im Juni 2008 bewusst auf den Fotographen zutrat, ihn bedrängte und zuletzt durch einen Ellenbogenschlag im Gesicht verletzte. Wie der Angeklagte im Verlauf des Prozesses einräumte, wollte man verhindern, dass eine Veranstaltung von Rechtsradikalen im niedersächsischen Eschede von Medienvertretern dokumentiert werden konnte. Das in der Vergangenheit bereits mehrfach, wegen einschlägigen Gewaltdelikten verurteilte Führungsmitglied der militanten »Kameradschaft Celle 73« wurde schlussendlich zu einer Geldstrafe und vier Monaten auf Bewährung verurteilt.

Der nun vor dem Amtsgericht Celle verhandelte Vorfall ereignete sich im Verlauf eines sogenannten »Sommerfestes mit anschließender Sonnenwendfeier« am 20. und 21.06.2008. Hunderte Mitglieder der niedersächsischen NPD sowie der parteiunabhängigen »Freien Nationalisten« versammelten sich zu diesem Zweck auf dem Anwesen des langjährigen NPD Funktionärs Joachim Nahtz in der kleinen Gemeinde Eschede. Die Veranstaltungen auf dem abgelegenen Grundstück besitzen inzwischen Tradition. Bereits seit mehreren Jahrzehnten finden hier inmitten der Lüneburger Heide die ideologisch eingefärbten Zusammenkünfte unter dem Deckmantel »völkischer Brauchtumspflege« statt. Im vorangegangenen Jahr wurde das Treiben darüber hinaus durch eine neonazistische Konzertveranstaltung am Vortag ergänzt. Ungestört von der Außenwelt konnten dort Rechtsrockbands, wie die niedersächsische Musikgruppe »Cherusker«, rechtsradikale Propaganda verbreiten.

Bewacht wurde die Veranstaltung im Juni 2008 durch einen eigens aufgestellten Ordnerdienst der Neonaziszene, der über das landwirtschaftliche Anwesen patrouillierte. Aus ihrer Gewaltbereitschaft machte die, in blauen Hemden uniformierte Truppe, keinen Hehl. Die Parole »Saalschlacht« und »Hier kommen Sie nicht durch -- Hier machen wir sie Platt« prangte umrahmt von einem aufgedruckten Schlagring auf der Uniformbekleidung der szeneeigenen »Sicherheitskräfte«. Der Ordnerdienst rekrutierte sich dabei vorwiegend aus Mitgliedern der »Kameradschaft Celle 73«, einer militanten Neonazigruppe aus der nahe gelegenen Kreisstadt. Auch Klaus Hellmund, ehemaliger NPD Kandidat anlässlich der vorangegangenen niedersächsischen Landtagswahl und langjährige Neonaziaktivist, zuletzt im Jahr 2003 wegen schwerem Landfriedensbruch und Körperverletzung zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt, gehörte zu den eingesetzten Patrouillen.

Als sich in den Abendstunden des 20.06.2008 zwei Pressevertreter in Begleitung der Polizei dem Anwesen näherten, versuchten Mitglieder des Ordnerdienstes diese an der Arbeit zu hindern. Während ein Teil der Neonazis die anwesenden Polizeibeamte in Gespräche verwickelten, wurde wenige Meter entfernt der wenig später verletzte Pressefotograph durch Klaus Hellmund abgedrängt und wenige Sekunden später gewaltsam attackiert.

Die Anwältin des Täters gab in dem nun am 12.02.2009 stattgefundenen Prozess vor dem Amtsgericht Celle zu bedenken, dass sie sich eine Tatbeteiligung ihres Mandanten nur schwer vorstellen könne. Der Vorfall sei in Anbetracht der eingesetzten Polizeikräfte »wahnwitzig und hirnrissig«. Einem »vernünftigen Menschen« traue die Anwältin eine solche Tat nicht zu. Angesichts der vorgebrachten Zeugenaussagen beantrage die Verteidigung später allerdings »Hilfsweise eine milde Strafe«. Die Staatsanwaltschaft forderte zuvor eine Haftstrafe welche, aufgrund des massiven Vorstrafenregisters des Angeklagten, nicht zur Bewährungsstrafe umgewandelt werden könne. Dass dennoch eine Geld- und Bewährungsstrafe verhängt wurde, begründete der zuständige Richter des Amtsgerichts Celle mit dem derzeitigen Lebenswandel des 1972 geborenen Elektromonteurs. Auch die ausdrückliche Reue und eine Entschuldigung gegenüber dem Pressefotographen wertete das Gericht strafmildernd. Von einer Abgrenzung zur Neonaziszene wollte der Angeklagte allerdings nicht sprechen. Man habe verhindern wollen die Teilnehmer der Veranstaltung in Eschede dokumentiert werden konnten, und »dies werde man auch weiterhin tun«.