15.02.2009 / Dedensen: Sonderparteitag der NPD Niedersachsen

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Wenige Kilometer von Hannover entfernt, fand am Sonntag, den 15.02.2009 ein Sonderparteitag der NPD-Niedersachsen statt. Rund 50 Mitglieder des Landesverbandes versammelten sich zu diesem Zweck in den Räumlichkeiten des Gaststättenbetriebs »Zum Deutschen Hause«, im Ortskern von Dedensen. Ziel der nun stattgefundenen NPD-Landesdelegiertenkonferenz war die Aufstellung der niedersächsischen NPD-Landesliste zur Bundestagswahl im September 2009.

Die am vergangenen Wochenende stattgefundene Landesdelegiertenkonferenz der NPD Niedersachsen sollte ursprünglich im Verborgenen stattfinden. Auf eine öffentliche Bewerbung der Veranstaltung wurde verzichtet, unliebsame Beobachter_innen sollten von dem Treffen ferngehalten werden. Aus Sicherheitsgründen wurden selbst die eigenen Parteimitglieder über den Ort der Veranstaltung in Unkenntnis gelassen. Die anreisenden NPD-Delegierten erhielten im Vorfeld lediglich die Adresse einer Autobahnraststätte an der A2. Auf dem besagten Rastplatz bei Hannover-Garbsen, hatten Mitglieder des niedersächsischen NPD- Landesverbandes einen sogenannten Schleusungspunkt für den nun durchgeführten Sonderparteitag errichtet. Erst hier wurde den Mitgliedern der rechtsradikalen NPD der eigentliche Veranstaltungsort offenbart. Das konspirative Vorgehen sowie die strengen Sicherheitsvorkehrungen erinnern dabei mehr an einschlägige Propaganda- und Musikveranstaltungen militanter Neonazigruppen, als an Veranstaltungen legaler Parteiorganisationen. Zumindest ist der Sinn und Zweck eines solchen Vorgehens identisch. Man will unter sich bleiben.

Als ein halbes Dutzend Fahrzeuge auf dem Autobahnrastplatz zusammengekommen war, setzte sich die Kolonne in Bewegung und stoppte bereits nach kurzer Fahrt im nahe gelegenen Dedensen, am Rande der Stadt Seelze. Hier, in der Gaststätte »Zum Deutschen Hause«, im Umland der niedersächsischen Landeshauptstadt, ist die NPD ein gern gesehener Gast. Bereits seit mehreren Jahren können hier politische Treffen der rechtsradikalen Partei sowie parteiunabhängiger Neonazis stattfinden. So boten die Räumlichkeiten beispielsweise im Juli 2004 unter anderem Unterschlupf für eine NPD-Kreisverbandstagung und am 21.05.2006 konnte in Dedensen dann der Landesparteitag der niedersächsischen NPD durchgeführt werden. Doch nicht nur die NPD wird in der Gaststätte mit offenen Armen empfangen. Auch militante Neonazis, sogenannte »Freie Kräfte« nutzten in der Vergangenheit das Gebäude für Zusammenkünfte des sogenannten »Stammtisch Nationaler Kräfte« (SNK). Die unscheinbare Bezeichnung »Stammtisch« trügt. Hinter dem Kürzel »SNK« verbirgt sich eines der bedeutendsten Vernetzungstreffen niedersächsischer Neonazis, welches regelmäßig unter größter Geheimhaltung und an wechselnden Orten im Hannoveraner Umland stattfindet.

Die Landesdelegiertenkonferenz der NPD am 15.02.2009 in Dedensen steht im direkten Zusammenhang mit der Bundestagswahl im September 2009. Ähnlich wie bereits zuvor in anderen Bundesländern, vergab nun auch der niedersächsische NPD-Landesverband die Listenplätze für den bevorstehenden Wahlkampf. Als Spitzenkandidat wurde dabei Andreas Molau nominiert. Zuletzt hatte der derzeitige Pressesprecher der NPD-Niedersachsen sowie der NPD-Fraktion im Landtag von Mecklenburg Vorpommern Ambitionen geäußert, für das Amt des NPD-Bundesvorsitzenden zu kandidieren. Der ehemalige Lehrer einer Braunschweiger Waldorfschule gilt dabei als einer der strategischen Köpfe der NPD. Der anstehende Bundestagswahlkampf dient laut Ausführungen Molaus vordergründig der inhaltlichen Vorbereitung auf die niedersächsische Kommunalwahl im Jahr 2011. »Die Wiederherstellung einer nationalen Identität soll ausgehend von den regionalen Kreisen, einer Graswurzelrevolution gleich, errungen werden«, so Molau weiter.

Ulrich Eigenfeld, seines Zeichens Landesvorsitzender der NPD-Niedersachsen sowie Mitglied im NPD Bundesvorstand wurde von den in Dedensen versammelten NPD-Deligierten auf Listenplatz 2 gewählt. Der in Oldenburg wohnhafte Eigenfeld sorgte in der Vergangenheit für politische Turbulenzen innerhalb des Landesverbandes. Eigenfeld gilt dabei als Vertreter des »nationaldemokratischen« Flügels der Partei. Radikale Kräfte aus den Strukturen der NPD sowie der »freien Kräfte« planten im Jahr 2007 die politische Entmachtung Eigenfelds, scheiterten mit diesem Ansinnen allerdings auf dem NPD-Landesparteitag am 15.04.2007 in Scharzfeld. Als Kompromiss zwischen radikalen und gemäßigten Strömungen sind nun auch Vertreter der militanten »Freien Kräfte« auf der nun verabschiedeten Landesliste vertreten.

Mit dem Versicherungskaufmann Matthias Behrens aus Schneverdingen wurde dabei ein Führungsmitglied der Neonazigruppierung »Snevern Jungs« auf den Listenplatz 3 gewählt. Der als politischer Hardliner geltende Behrens, soll ein ehemaliger Aktivist der 1992 »Wegen Wesensverwandschaft mit dem Nationalsozialismus« durch das Bundesinnenministerium verbotenen »Nationalistischen Front« (NF) sein. Sein Name wird auf Sympathisanten- und Mitgliedslisten der verbotenen Organisation geführt. Ihm folgt auf dem nachstehendem Listenplatz die NPD Aktivistin Ricarda Riefling, Landessprecherin des »Ring Nationaler Frauen« (RNF) in Niedersachsen und Aktivistin der neonazistischen »Gemeinschaft Deutscher Frauen« (GDF). Ähnlich wie Behrens gilt auch Ricarda Riefling als Vertreterin des radikalen NPD-Flügels und tritt als Vorsitzende des »NPD Unterbezirks Oberweser« in Erscheinung. Als führende Aktivistin des niedersächsischen Ablegers der »RNF« ist Ricarda Riefling ebenfalls im Landesvorstand der niedersächsischen NPD vertreten.

Nominiert für einen Listenplatz wurde ebenfalls Patrick Kallweit. Berührungsängste mit militant agierenden Neonazigruppierungen sind dem 1985 geborenen Kallweit, dessen programmatische Schwerpunkte nach Eigenangaben im Bereich »Sicherheit« liegen, weitestgehend fremd. Als Vorsitzender des NPD Unterbezirks Braunschweig sowie gleichsam Vorsitzender des NPD Kreisverbandes Goslar / Salzgitter gehörte der NPD Nachwuchsfunktionär zu den Veranstaltern eines szene-internen Fußballturniers im August letzten Jahres. Unter den Teilnehmer_innen befand sich auch eine Mannschaft, bestehend aus Mitgliedern der neonazistischen Gruppierung »Kameradschaft Northeim«. Diese Organisation sorgte zuletzt Anfang des Jahres für negative Schlagzeilen. Bei einer groß angelegten Polizeirazzia am 21. Januar 2009, beschlagnahmten Einsatzkräfte der Polizei neben Propagandamaterialien ein umfangreiches Waffenarsenal.

Neben der nun verabschiedeten Landesliste stellt die NPD-Niedersachsen weitere Bundestagskandidaten. In mehreren niedersächsischen Wahlkreisen wurden bereits NPD-Mitglieder nominiert. So auch im Wahlkreis Braunschweig, wo mit Andreas Wolf ein weiterer Vertreter, mit radikal-politischer Ausrichtung aufgestellt wurde. Wolf beteiligte sich in der Vergangenheit mehrfach an Aktivitäten des militanten Kameradschaftsspektrums. Zuletzt am 16.11.2008 anlässlich des Volkstrauertages während einer Kundgebung von Neonazis auf dem Soldatenfriedhof im niedersächsischen Essel. Mit Michael Hahn im Wahlkreis Göttingen wurde auch ein ehemaliger Aktivist der 1995 verbotenen »Freiheitlichen Arbeiterpartei« nominiert. Hahn verfügt derzeitig als Abgeordneter der NPD über einen Sitz im Stadtrat von Bad Lauterberg. Hahn soll ebenfalls enge Verbindungen zur »Kameradschaft Northeim« besitzen, und trat in der Vergangenheit mit Erkennungszeichen der Organisation in Erscheinung.

Bei weiteren Kandidaten handelt es sich um das langjährige NPD Mitglied Friedrich Preuß aus Helmstedt sowie Uwe Kallweit im Wahlkreis Gifhorn / Peine. Auch die NPD-Osnabrück verfügt mit dem 33jährigen Jochim Schnell und Dirk Heimsoth über zwei NPD Bundestagskandidaten. Dirk Heimsoth, der Vorsitzende des NPD Unterbezirks Osnabrück muss sich derzeit nicht nur auf die anstehende Bundestagswahl vorbereiten, Heimsoth sieht sich ebenfalls schwerwiegenden Anklagepunkten gegenüber. Das NPD Mitglied war Teilnehmer eines paramilitärischen »Sommerlagers« von Neonazis im Juli 2006 nahe der Gemeinde Wilsum. Die zuständige Staatsanwaltschaft Osnabrück ermittelt in diesem Zusammenhang wegen »Bildung einer bewaffneten Gruppe« sowie »Verstoß gegen das Waffengesetz«.

Während der NPD-Landesdelegiertenkonferenz am 15.02.2009 in Dedensen waren neben Heimsoth noch weitere Teilnehmer_innen des 2006 durchgeführten paramilitärischen Zeltlagers zugegen. Als Mitglieder des parteieigenen NPD-Ordnerdienstes waren diese für die Einlasskontrolle der Veranstaltung verantwortlich. Darunter befand sich auch Christian Fischer, ein Mitglied der neonazistischen Vereinsorganisation »Heimattreue Deutsche Jugend e.V.« (HDJ) und einer der Ausbilder während des Wilsumer Zeltlagers. Gegen Fischer sind derzeit weitere staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren anhängig. Dem ehemaligen NPD Kandidaten zur niedersächsischen Landtagswahl im Januar 2008 wird vorgeworfen an der Vorbereitung und Organisation einer sogenannten »Rasseschulung« beteiligt gewesen zu sein. In Anbetracht der in Dedensen versammelten NPD-Deligierten fiel die Bedrohung anwesender Journalisten durch angereiste Neonazis dann nicht weiter ins Gewicht.