18.02.2009 / Osnabrück: Viel Lärm um Hermann

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Nur an ein Schlachtfeld hatte die NPD Osnabrück wohl gedacht, als sie ihren Aufruf zum Gedenkmarsch am 7. März veröffentlichte: an die Stelle in Kalkriese, wo vermutlich im Jahre 9 unserer Zeitrechnung die Römer von geeinten germanischen Stämmen unter Führung von Arminius, dem Fürsten der Cherusker, geschlagen und zurückgedrängt wurden. Dass aus diesem einen Schlachtfeld schnell drei wurden, ist den Führungskadern parteiunabhängiger »freier Kameradschaften« Christian Worch und Thomas Wulff zu verdanken. Sie verweigern den Osnabrücker Neonazis und ihrem geplanten Gedenkmarsch durch die Innenstadt Osnabrücks öffentlich ihre Unterstützung.

Der NPD-Unterbezirk Osnabrück ruft für den 7. März zu einem Gedenkmarsch durch die Innenstadt Osnabrücks auf. Dieser Marsch soll an die »Hermannschlacht« im Jahre 9 n. Chr. erinnern. Mit dem Slogan »2000 Jahre Kampf gegen Überfremdung ?für nationale Selbstbestimmung« versuchen die Neofaschist_innen einen Bogen von der Schlacht bei Kalkriese im Landkreis Osnabrück zu der ihrer Meinung nach immer stärker werdenden Macht zu schlagen, »die mit militärischer Gewalt andere Völker unterwirft, ihnen ihre Coca-Cola und McDonalds Kultur aufzwingt und mit Hilfe von Lakaien fremden Scharen Tür und Tor öffnet.« Dieses Gemenge aus Geschichtsklitterung und offenem Antiamerikanismus erscheint selbst Gesinnungsfreunden zumindest als »bizarr«, wie es in der neonazistischen Internetplattform »Altermedia« heißt.

Aber nicht das Motto des Aufrufes war der Anlass für Christian Worch, seine Zusage zur Weiterverteilung des Aufrufes in einem offenen Brief zurückzuziehen. Der langjährige parteifreie Führungsaktivist störte sich an einer dem Anhang angehängten Auflage der Veranstalter_innen. Dort wird den Teilnehmer_innen nahe gelegt, ?nur themenbezogene Spruchbänder ohne Anglizismen? zu zeigen und »auf Kleidungsstücke, deren Aufdrucke Anglizismen enthalten oder zur Gewalt aufrufen« zu verzichten. Worch, der regelmäßig auch Aufmärsche für »Autonome Nationalisten« (AN) anmeldet, sieht darin »nicht Verbindendes, sondern potentiell Trennendes«. Und auf diesem zweiten Schlachtfeld scheint es tatsächlich um das Verhältnis zwischen den »Ans« die sich mit scheinbar linkem Outfit und Schwarzem-Block-Auftreten immer weiter in die neofaschistische Öffentlichkeit drängen, und den eher völkisch geprägten Osnabrücker NPDler_innen zu gehen.

Mit Christian von Velsen und Christian Fischer, an den Worchs offener Brief gerichtet war, gehören dem NPD-Unterbezirk zwei führende Aktivisten der »Heimattreuen Deutschen Jugend« (HDJ) aus der Einheit »Hermannsland« an. Gegen diese beiden und 24 weitere Neofaschist_innen aus der NPD Osnabrück und ihrem Umfeld wird seit dem Sommer 2007 wegen »Bildung einer bewaffneten Gruppe« sowie »Verstoß gegen das Waffengesetz« ermittelt. Besagte 26 Neonazis hatten im Juli 2006 an einem von der Polizei als »Wehrsportcamp« bezeichneten Zeltlager in Wilsum (Grafschaft Bentheim) teilgenommen. Bei Razzien im April 2007 wurden bei etlichen Teilnehmer_innen Waffen sichergestellt. In dem Lager selbst gab es eine AG »Schießen mit Kleinkalibergewehren« sowie eine AG »Überleben im Felde«, in der die teils noch jugendlichen Neofaschist_innen das Ausheben von Stellungen und Unterständen lernten. Bei den Durchsuchungen wurden auch Bilder von Scheinhinrichtungen sichergestellt, auf denen die Campteilnehmer_innen zwar Freizeitkleidung- »T-Hemden und Bermudahosen«- tragen, sich aber als äußerst martialisch und gewaltbereit darstellen. Da sich die NPD Osnabrück seitdem bemüht, möglichst bürgernah und friedlich aufzutreten, dürfte ihr an »Kleidungsstücken, deren Aufdrucke zur Gewalt aufrufen« auf ihrem Gedenkmarsch nicht gelegen sein.

Dass nun ausgerechnet Christian Fischer um Unterstützung bei der Verbreitung des Demoaufrufes bat, entbehrt nicht einer gewissen Komik. Sicher wird sich auch Christian Worch noch gut an den Boykottaufruf aus Vechta gegen die vom Bremer NPD-Vorsitzenden Horst Görmann angemeldete und von Christian Worch massiv unterstützte Demonstration in Bremen am 4.11.2006 erinnern. Der Boykott wurde mit »ausländischen Funktionären in den Reihen der NPD Bremen« begründet. Gemeint waren Gabriele und Luisa Yardim, die zu dieser Zeit in der JN Bremen um Sascha Humpe aktiv waren.

Unterzeichnet war der Aufruf mit dem Kürzel FNV der Kameradschaft »Freie Nationale Vechta«, seinerzeit angeführt vom NPD-Stützpunktleiter Christian Fischer, der im Aufruf mit den Worten »Es könne nicht sein, dass unsere Partei sich in seinen eigenen Ideologien verrate.« ( Fehler im Original) zitiert wird. Später versuchte Fischer die Wogen zu glätten, indem er als NPD-Aktivist nichts mit dem Aufruf der Kameradschaft zu tun gehabt haben wollte. Doch in der Szene war allgemein bekannt, dass der Vechtaer NPD-Stützpunkt und die FNV in Personalunion geführt wurden. Zwischen Worch und Fischer entspann sich damals ein umfangreiches Streitgespräch auf Altermedia.

Unterstützung aus den Reihen der AN dürfte die NPD- Osnabrück nun kaum noch erwarten. Das Aufmarschbanner verschwand nach dem Brief von Christian Worch von AN- Seiten, so zum Beispiel bei der »AG Delmenhorst«, die sonst eng mit der »JN-Delmenhorst« um Florian Cordes zusammen arbeitet und neonazistische Aufmärsche in der Vergangenheit gemeinsam besuchte ? eine in der Szene eher unübliche Konstellation. Aus dem benachbarten Nordrhein-Westfalen wird der Zustrom zum Gedenkmarsch dank der internen Auflage auch geringer ausfallen als erwartet. Gerade die »Autonomen Nationalisten« aus dem Ruhrpott zeigen gern Anglizismen auf Bannern und T-shirts, was bisher auf neonazistischen Aufmärschen auch nie als anstößig betrachtet wurde.

Ein drittes Schlachtfeld eröffnete kurz darauf Thomas Wulff, frisch gekürter Bundestagskandidat der NPD Schleswig-Holstein und langjähriger Führungskader der norddeutschen Kameradschaftsszene. Während Christian Worch nur seine Unterstützung zurückzog, rief Thomas Wulff sogar zum Boykott des Gedenkmarsches auf und empfahl den »freien Kräften aus Norddeutschland« »lieber nach Dessau« zu fahren. Dort findet am gleichen Tag ebenfalls ein neofaschistischer Aufmarsch statt. Grund für diese Empfehlung ist für Wulff die Tatsache, dass als Redner in Osnabrück neben dem mecklenburgischen Landtagsabgeordneten Udo Pastörs und dem ehemaligen Bombenbauer und heutigem NPD-Fraktionsmitarbeiter Peter Naumann auch der stellvertretende Landesvorsitzende der NPD Niedersachsen, Andreas Molau, vorgesehen ist. Wulff wirft Molau, der beim Bundesparteitag der NPD im März gegen Udo Voigt kandidiert, vor, durch seine Äußerungen in der »Jungen Freiheit« Spaltung in den eigenen Reihen zu betreiben und damit gleichzeitig »Anpassung an die Vorgaben unserer Feinde«. Molaus Nähe zur »Neuen Rechten« und sein Kurs eines »modernen, europäischen Nationalismus« erscheint der Fraktion um Jürgen Rieger, zu der auch Thomas Wulff zählt, als zu »moderat«. Sie unterstützen die Wiederwahl Udo Voigts als NPD-Bundesvorsitzenden.

Wulff trägt damit den in der neofaschistischen Szene seit Bekanntwerden von Molaus Kandidatur schwelenden Streit um den »besseren« Vorsitzenden in die Öffentlichkeit und versucht, den Osnabrücker Gedenkmarsch zu einer »Abstimmung mit den Füßen» hochzustilisieren. Auch damit dürfte die Osnabrücker NPD nicht gerechnet haben. Inzwischen hat Andreas Molau seine Kandidatur zurückgezogen. Ob dieser Rückzug dem Osnabrücker Gedenkmarsch nun allerdings wieder größeren Zuspruch einbringt wird sich am 7. März letztlich zeigen.

Eins zeigt das Vorfeldgetöse um den Gedenkmarsch deutlich: die Zerrissenheit der neofaschistischen Szene in Norddeutschland. Vom »kleinen Volk geschart um einen großen Führer« und von der »einigenden Kraft« des Arminius ist hier wenig zu spüren.