21.02.2009 / Amersfoort (NL): Deutsche und niederländische Neonazis in neuer Kollaboration

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Am 21.Februar marschierten Neonazis der »Nederlandse Volksunie« (NVU), zu deutsch »Niederländische Volksunion«, mit rund 80 angereisten Teilnehmer_innen im niederländischen Amersfoort auf. An dem Aufmarsch, nur wenige Kilometer von Amsterdam entfernt, beteiligte sich neben Neonazis aus Belgien und Großbritannien auch eine Gruppe sogenannter »Autonomer Nationalisten« (AN) aus dem Raum Dortmund. Der Aufmarsch wurde von lautstarkem antifaschistischen Protest begleitet.

Die NVU ist eine seit den 1970ern bestehende Neonazipartei mit Sitz in Arnhem. Sie folgt traditionell einer im Kern allgemein fremdenfeindlichen und rassistischen Programmatik. Seit der Übernahme des Parteivorsitzes durch Constant Kusters im Jahre 2001 orientiert sich die Partei verstärkt an offen nationalsozialistischen Gruppen wie der NSDAP/AO oder dem Neonazi-Terrornetzwerk »Combat 18«. Dennoch verfügt die neonazistische Partei nur über begrenztes Potenzial und ist dadurch bei größeren Veranstaltungen auf externe Hilfe angewiesen. In Amersfoort stellten deutsche Neonazis aus dem Umfeld der AN den Lautsprecherwagen, fungierten als Ordner und beteiligten sich an der Demonstrationsleitung. Moderiert wurde die Veranstaltung freilich durch Constant Kusters, den Vorsitzenden der NVU. Redebeiträge deutscher, belgischer und britischer Neonazis zeigen jedoch, dass die NVU großen Wert auf internationale Kontakte legt und mit Neonazis aus den Nachbarländern eng zusammenarbeitet.

Das Motto des Aufmarsches »Tegen het casino-kapitalisme! Tegen de plutocratie! Eerlijke winstverdeling voor ons volk!« (»Gegen Casinokapitalismus! Gegen Plutokratie! Ehrliche Gewinnteilung für unser Volk!«) zielt auf weit verbreitete antisemitische Verschwörungstheorien ab und macht den als international gebrandmarkten »Casinokapitalismus« für sämtliche Probleme der Gesellschaft verantwortlich. Auf der Veranstaltung wurde trotz ausdrücklichen Verbotes nationalsozialistische Symbolik verwendet; anwesende Neonazis äußerten sich offen antisemitisch und rassistisch. Der Logik rechten Antikapitalismuses folgend, propagierten die Teilnehmer_innen des Aufmarsches einen rassistisch begründeten »Nationalen Sozialismus«. Darunter ist weder Sozialismus im eigentlichen Sinn, noch Kapitalismus, wie er gegenwärtig existiert und funktioniert, zu verstehen. Neben dem symbolischen Wortspiel mit der begrifflichen Nähe des Terminus »Nationaler Sozialismus« zu »Nationalsozialismus« verbirgt sich hinter diesem Begriff in der Vorstellung der Neonazis ein Kapitalismus ohne Finanzsektor und eine Gesellschaft ohne Migrant_innen - quasi ein diffuser Mix aus Apartheitssystem, historischem Nationalsozialismus und einer Rückkehr zu spätmittelalterlicher Wirtschaftsweise.

Anwesend waren neben bekannten NVU-Kadern wie Kusters oder Christian Malcoci auch Arnoud Kuipers, der Chef von Blood & Honour Vlaandern, der britische Combat 18« Kader Mark Atkinson, sowie Michael Brück, Alexander Deptolla und Christoph Drewer aus dem Raum Dortmund. Christian Malcoci ist langjähriger Funktionär der niederländischen neofaschistischen Szene, war jedoch auch in deutschen Neonazistrukturen aktiv - etwa in der Anfang der 1990er verbotenen FAP. Mark Atkinson ist der Gründer der »Combat 18«-Splittergruppe »Radical Volunteer Force«, mit der die NVU seit langem zusammenarbeitet. Die Gruppe um die Dortmunder Michael Brück und Alexander Deptolla, die bei dem Aufmarsch in Amersfoort von so zentraler Bedeutung war, gehört in Deutschland zu einem aktionistischen und militanten Spektrum; sie nimmt an zahlreichen Aktionen teil und pflegt gute Kontakte zu führenden Neonazikadern im In- und Ausland.

Als Erfolg für die niederländische Neonaziszene kann der Aufmarsch schon wegen sehr geringer Beteiligung nicht gelten. Die NVU hatte im Vorfeld erheblichen Werbeaufwand betrieben; dennoch erschienen gerade einmal 80 Neonazis. Was von den Erwartungen des NVU-Vorsitzenden Kusters übrig blieb, ging im lautstarken Protest der antifaschistischen Gegendemonstrant_innen unter. Über 100 Menschen beteiligten sich an den Gegenaktionen; die Aufmarschroute musste wegen Straßenblockaden verkürzt werden.