01.03.2009 / Rhade: DVU Landesparteitage - »Im Inneren schlägt das Reich«
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Aus der politischen Zielrichtung wird kein Geheimnis gemacht. »Im Inneren schlägt das Reich« und »Deutschland über Alles« schallt es vom Podium herab. Die rund 80 angereisten Zuhörer_innen quittieren diese markigen Worte mit anhaltendem Applaus. Doch hier werden nicht nur Stammtischparolen geschwungen, sondern handfeste Politik betrieben. Anlässlich der Landesparteitage von insgesamt drei Landesverbänden der »Deutschen Volksunion« (DVU) hatten sich dazu am vergangenen Wochenende Mitglieder und »NPD-Gesinnungsfreunde« im niedersächsischen Rhade versammelt.
Im Vorfeld wurde das Licht der Öffentlichkeit gescheut. Streng vertraulich und nur den Organisator_innen und Busfahrer_innen bekannt war der Veranstaltungsort. Selbst die Mitglieder der rechtsradikalen Partei erfuhren diesen erst im Verlauf der Anreise. Eingeladen zu der konspirativ vorbereiteten Zusammenkunft hatten die DVU-Landesverbände aus Niedersachsen, Hamburg und Bremen. Auf dem Programm standen die jeweiligen Landesparteitage der drei Landesverbände, welche schlussendlich in den Räumlichkeiten einer Gaststätte im niedersächsischen Rhade abgehalten wurden. Für die Betreiber der kleinen Gastwirtschaft im Landkreis Rotenburg Wümme kam der Besuch hingegen wenig überraschend. Die »Deutsche Volksunion« kommt hier bereits seit Jahren zusammen. Man kennt sich hier. Erfahrungswerte, die in der Vergangenheit auch die neonazistische NPD sammeln konnte. So fand hier im Juni. 2001 bereits der niedersächsische NPD Landesparteitag statt.
Und auch auf der nun stattgefundenen DVU Veranstaltung glänzte die NPD keineswegs mit Abwesenheit. Neben den Vorsitzenden dreier DVU Landesverbände thronte auf dem Podium der »Deutschen Volksunion« in Rhade auch Horst Görmann, seines Zeichens Landesvorsitzender der NPD Bremen. Neben zahlreichen Mitgliedern der NPD Bremen fand dann mit Lasse Krüger, auch der stellvertretende Landesbeauftragte der niedersächsischen »Jungen Nationaldemokraten« (JN), einen Platz im Publikum. Dem Aktivisten der NPD Jugendorganisation wurde zum Ende der Veranstaltung dann Gelegenheit gegeben die versammelten Parteifunktionäre auf den anstehenden Europawahlkampf einzustimmen. »Die JN-Niedersachsen werde die DVU dabei unterstützen« betonte der Vertreter der militanten Neonaziorganisation. Geistige Unterstützung lieferte der niedersächsische JN-Landesverband gleich mit. Auf einem eigens zusammengestellten Infotisch wurde neben einschlägigen Propagandamaterialien die Publikation »Das Reich« angeboten. Dabei handelt es sich um ein Nachfolgeprojekt der von der Bundesprüfstelle mehrfach indizierten Zeitung »Der Reichsbote«. Ebenso wie im publizistischen Vorgänger, bietet auch »Das Reich« Geschichtsrevisionisten und verurteilten Holocaustleugnern wie Ernst Zündel und Ursula Haverbeck eine willkommene Plattform.
Die enge Verbundenheit der beiden Parteiorganisationen zeigte sich, während der nun am 01.03.2009 in Rhade durchgeführten Landesparteitage, auch in der Wahl des ehemaligen Lüneburger NPD Aktivisten Hans Gerd Wiechmann zum niedersächsischen DVU Landesvorsitzenden. Dieser plane nach Eigenangaben, im Jahr 2009 gleich mehrere Kundgebungen der DVU in Niedersachsen durchzuführen. »Zunächst werde man sich Wilhelmshaven vornehmen«, so Wiechmann weiter. Darüber hinaus habe man laut Wiechmann »entgegen dem Bundestrend« einen verstärkten Zuwachs von Mitgliedern in Niedersachsen zu verzeichnen. Die Frage nach der Herkunft der »neuen Mitglieder« blieb auf dem Landesparteitag nicht unbeantwortet. Mit Jürgen Henke wurde in Rhade ein weiterer ehemaliger NPD Aktivist in den Landesvorstand gewählt. Zuvor war Henke bereits als Kandidat der NPD zur niedersächsischen Landtagswahl im Januar 2008 in Erscheinung getreten.
Im Gegensatz zu den personellen Rotationen in Niedersachsen gab es in den weiteren DVU Landesverbänden keinen Führungswechsel. Der derzeitige Vorsitzende der DVU Bremen, Hans-Otto Weidenbach, wurde ebenso im Amt bestätigt wie auch Matthias Faust vom Landesverband Hamburg. Der politische Weg des selbstständige Kaufmannes Matthias Faust, welcher in der »Deutschen Volksunion« seit Januar 2009 auch den Posten des Bundesvorsitzenden bekleidet, führte von der CDU über die rechtsradikalen Republikaner und die NPD zur DVU. Nach persönlichen Zerwürfnissen mit dem Hamburger NPD Landesvorsitzenden Jürgen Rieger wechselte Faust anschließend in das Lager der DVU und gilt darüber hinaus als enger Vertrauter des militanten Neonazifunktionärs Christian Worch aus Hamburg. In seinem in Rhade gehaltenem Vortrag, unter dem Titel »Hat Deutschland noch eine Zukunft« beklagte der DVU Politiker einen, in seinen Augen, gefährlich zunehmenden politischen Einfluss des Zentralrates der Juden in Deutschland. Aussagen, mit welchen Faust zumindest bei den zunehmend alkoholisierten Teilnehmer_innen der Veranstaltung heftige Zustimmung auslöste. Weitere Redner der zusammengelegten DVU Landesparteitage waren Hans-Otto Weidenbach, dessen Redebeitrag vornehmlich von antiamerikanischen Inhalten geprägt wurde. In diesem Kontext war es keine Überraschung, dass der Staat Israel in Weidenbachs Vortrag als ideologisches Feindbild nicht fehlte.
Auch der praktizierende Rechtsanwalt Ingmar Knop, DVU Landesvorsitzender in Sachsen-Anhalt, schaffte es mit seinem gehaltenem Referat, das versammelte rechtsradikale Publikum in Rhade zu begeistern. Ihn störe vor allem die Verunglimpfung »deutscher Patrioten«, für ihn und die DVU gelte weiterhin die Parole »Deutschland den Deutschen«. Laut den Ausführungen von Ingmar Knop sei es eine infame Lüge zu behaupten, im Hitler-Faschismus seien Frauen als »Gebärmaschinen eingesetzt worden«. Weiter könne man, so Knop, darauf verweisen, dass im Nationalsozialismus die Deutschen Mathematik gelernt hätten »um bis sechs Millionen zählen zu können«. Diesen Verweis, auf die vom nationalsozialistischen Regime betriebene industrielle Vernichtung der europäischen Juden in Europa, quittierten die Zuhörer_innen des DVU Mitglieds im Stadtrat in Dessau-Roßlau anschließend mit johlendem Gelächter.
Während im Inneren der Gaststätte, unter dem Schutz eines eigens eingesetzten DVU Ordnerdienstes, mit dumpfer Symbolik politisch ein- und aufgepeitscht wurde, versammelten sich im Verlauf des Nachmittags vor den Räumlichkeiten rund zwei Dutzend Gegendemonstrant_innen. Ebenfalls anwesende Einsatzkräfte der Polizei schirmten das rechtsradikale Treffen, welches gegen 16:00 Uhr von den Veranstalter_innen für beendet erklärt wurde, kurzerhand ab. Vereinzelnd wurden Platzverweise erteilt. Doch auch in Rhade selbst keimt der Widerstand gegen die regelmäßig stattfindenden Veranstaltungen der »Deutschen Volksunion«. Zumindest wolle man nach Auskunft eines Anwohners das »braune Treiben im Dorf nicht weiterhin finanziell unterstützen« und »das kommende Grünkohlessen in eine andere Kneipe verlegen«. Bevor der Mitvierziger wieder im Inneren der Gaststätte verschwand teilte er noch mit, dieses Unterfangen, angesichts des gerade stattfindenden Grünkohlessens allerdings »erst im nächsten Jahr angehen« zu wollen.