28.03.2009 / Lübeck: Neonazis veranstalten »Trauermarsch«

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Am 28. März 2008 marschierten ca. 300 Neonazis in Lübeck auf. Darunter befanden sich zahlreiche militante Anhänger_innen parteiunabhängiger »Freier Kameradschaften«. Unter anderem waren Neonazis aus Schleswig-Holstein, Delmenhorst, Bremen und Hamburg vertreten. Anlass des Aufmarsches war die Bombardierung der Stadt vor 67 Jahren. Der neonazistische Aufmarsch mit dem Motto »Bomben für den Frieden? Im Gedenken an den alliierten Bombenterror vom 28./29. März 1942« begann und endete am Lübecker Hauptbahnhof. Die Veranstaltung verlief ohne nennenswerte Zwischenfälle durch die Wohnviertel nördlich des Bahnhofs.

Der Aufmarsch begann gegen 12.00 Uhr. Von Anfang an wurde deutlich, dass der »Trauermarsch« durch sogenannte »Freie Kräfte« geprägt werden würde. Nur vereinzelte Kader der NPD (Jens Lütke u.a.) und DVU (Louisa Yardim u.a.) waren vertreten. Unstimmigkeiten zwischen Rednern und Ordnungsbehörde, besonders über die Länge der Redezeiten, zogen sich durch die gesamte Veranstaltung. Die Demonstrationsleitung war bemüht, diesbezügliche Auflagen zu umgehen. Jüngere radikale Neonazis verstießen ferner gegen das Vermummungsverbot. Gegen Ende des Aufzuges rannten einige Aufmarschteilnehmer_innen lautstark in den Lübecker Hauptbahnhof, um ihren Zug nicht zu verpassen.

Dass Neonazis sich immer häufiger den Auflagen der Polizei wiedersetzen, ist nichts Neues. Gerade im Hinblick auf den geplanten Aufmarsch am 1. Mai in Hannover ist es jedoch die Strategie der Neonazis, insbesondere der »Autonomen Nationalisten«, offensiver zu agieren. Radikale Neonazigruppierungen wollen so ihren Spielraum erweitern und der Neonaziszene Dynamik verleihen. Weiterhin ist die europäische Vernetzung der deutschen Neonaziszene erwähnenswert, die sich unter anderem in der Teilnahme von ca 10 dänischen Neonazis widerspiegelt.

In den Redebeiträgen von Jens Lütke und Dieter Riefling während der ersten Zwischenkundgebung wurde »eine neue Zeit« heraufbeschworen. Feinde der Nationalisten wurden als »Deutschhasser« und »Antideutsche« bezeichnet, die es ebenso zu bekämpfen gelte, so wie einst die »Allierten Besatzer«. Der letzte Redner der Zwischenkundgebung, Thomas »Steiner« Wulff, betonte den parteiunabhängigen Charakter dieses Aufmarsches. Es handle sich nicht um eine Veranstaltung der NPD, sondern der »Freien Kameradschaften«. Bei der zweiten und letzten Zwischenkundgebung sprachen Christian Worch aus Hamburg und Jörn Lemke aus Lübeck.

Während des gesamten Aufmarsches bildeten Bereitschaftspolizist_innen aus Hamburg und Schleswig-Holstein einen Kessel um die Neonazis. Trotz des großen Polizeiaufgebots von etwa 2000 Beamt_innen gelang es den mehr als 1500 Gegendemonstrant_innen immer wieder, ihren Protest direkt an der Aufmarschstrecke zu artikulieren. Eine Zwischenkundgebung musste aufgrund massiver Störaktionen verlegt werden. Eine Blockade des Aufmarsches verhinderten die Einsatzkräfte der Polizei jedoch.