09.02.2009 / Athen: Rassistische Ausschreitungen in Griechenland

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Die Neonazis warfen Brandsätze und Steine. Im Stadtzentrum von Athen, der griechischen Landeshauptstadt ertönten am Samstag, den 09.05.2009 Schreie und ein Chor von Hassgesängen, um sogleich von den regelmäßig wiederkehrenden Explosionsgeräuschen von Feuerwerkskörpern abgelöst zu werden. Gewaltbereite und vermummte Neonazis versuchten in der Folge eine Flüchtlingsunterkunft im Herzen der Stadt zu stürmen. Die gewaltsamen Ausschreitungen entwickelten sich im Verlauf einer Kundgebung der griechischen Neonaziorganisation »Chrysi Avyi« (Goldene Morgendämmerung).

Die Anhänger_innen der neonazistische Parteiorganisation »Chrysi Avyi« verstehen sich als Überzeugungstäter. Ultra-Nationalismus, Antisemitismus und offen formulierter Rassismus gehören innerhalb der wohl wichtigsten neonazistischen Parteiorganisation Griechenlands zum guten Ton. In ihrem Aufruf anlässlich der Kundgebung auf dem Omania-Platz im Stadtzentrum von Athen forderte die Anhänger_innen der »Chrysi Avyi« und Mitglieder ihre Jugendorganisation »Chrysi Avyi Jugend Front« unmissverständlich die »Befreiung Athens und Griechenlands von den Horden illegaler Einwanderer«. Im Anschluss an die Kundgebung marschierten die angereisten Neonazis zum ehemaligen Athener Berufungsgericht. Der seit dem Jahr 2000 leerstehende Gebäudekomplex wurde einige Wochen zuvor durch etwa 500, von Abschiebung bedrohten Einwander_innen besetzt. Zuvor wurde der Kundgebungsplatz durch Einsatzkräfte der Polizei abgeriegelt, antifaschistische Gegendemonstrant_innen der Zugang zu der Neonaziveranstaltung und auch zur Flüchtlingsunterkunft verwehrt.

Nachdem die, zum Teil mit Knüppeln und Fahnenstangen bewaffnete Anhängerschaft der »Chrysi Avyi« die Unterkunft der Einwanderer erreichten, wurden Wurfgeschosse und Feuerwerkskörper auf den Gebäudekomplex geschleudert. Gleichlautenden Augenzeugenberichten folgend, seien auch Brandsätze verwendet worden. Aus der gröhlenden Menge heraus ertönte «Griechenland den Griechen«, die Arme wurden zum Hitlergruß gestreckt. Die Bewohner des Hauses setzten sich zur Wehr und bewarfen ihrerseits die Angreifer mit Bauschutt. Daraufhin schossen Polizeibeamte Tränengas in das mehrstöckige Gebäude. Im Verlauf der gewaltsamen Auseinandersetzungen spielten sich verstörende Szenen ab. Die Polizeikräfte unterließen es, die angreifenden Schar der Neonazis zurückzudrängen. Fotografien zeigen hingegen griechische Polizeibeamte welche sich inmitten der wütenden Angreifer bewegten und nur wenig Anstalten unternahmen die Situation unter Kontrolle zu bekommen.

Die gewaltsame Erwiderung der Verteidigungsversuche der im Gebäude Eingeschlossenen mit dem Beschuss von Tränengas wirft nicht zuletzt ein erschreckendes Bild auf das Vorgehen der griechischen Sicherheitsbehörden. Nach Beendigung der Krawalle wurden Stimmen laut welche der Polizei vorwarfen die Flüchtlingsunterkunft nicht ausreichend geschützt zu haben. Während das Gebäude attackiert wurde, überwanden antifaschistischen Gegendemonstrant_innen die Absperrungen der Polizei und lieferten sich Auseinandersetzungen mit den angreifenden Neonazis und konnten so weitere Angriffe auf den Gebäudekomplex verhindern. Die Gegendemonstrant_innen wurden daraufhin von den eingesetzten Polizeikräften zurückgedrängt. Vor dem Gebäude der nahegelegenen Polytechnischen Schule in der Athener Innenstadt, attackierten Mitglieder der griechischen Autonomen wenig später Polizeibeamte mit Molotowcocktails und Steinen, es kam zu Festnahmen. Bei den Krawallen am vergangenen Samstag sollen den Angaben griechischer Medien folgend mehrere Demonstrant_innen und Polizeibeamte verletzt worden sein. Unter den Verletzten befanden sich auch Einwanderer die zuvor von Neonazis angegriffen wurden.

Noch am Vortag der neofaschistischen Kundgebung hatten mehrere Menschenrechtsgruppen, unter anderem die Hilfsorganisation »Ärzte ohne Grenzen« die Zustände in dem ehemaligen Gerichtsgebäude scharf kritisiert. Die rund 500 Einwanderer müssen in dem achtstöckigen Haus ohne Müllbeseitigung, Strom, sanitäre Anlagen und fließendes Wasser auskommen. Die Einwanderer die in dem Gebäude unter menschenunwürdigen Bedingungen leben kündigten derweil an selbst für den Schutz des Gebäudes zu sorgen zu wollen. Nach den Vorgängen des Wochenendes und dem Vorgehen der Polizei wolle man »nun selbst Wache« halten. Das Vorgehen der Einwanderer scheint angebracht. Die »Chrisy Avgi« verkündete bereits weitere gegen die in ihren Augen »tolerante Politik gegenüber Einwanderern« anzustrengen. Die griechische »Reinheit des Blutes« müsse schließlich verteidigt werden, so die anschließenden Kommentare griechischer Neofaschiste_innn auf einschlägigen Internetseiten.