25.05.2009 / Handorf: Landesparteitag der NPD-Niedersachsen in Handorf

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Am vergangenen Sonntag fand der diesjährige NPD-Landesparteitag in der niedersächsischen Provinz statt. Die Veranstaltung war hoch konspirativ organisiert, ein Großteil der etwa 70 angereisten Neonazis erfuhr den späteren Ort der Zusammenkunft erst wenige Stunden zuvor. Neben der Vorbereitung anstehender Wahlkämpfe wurde im Verlauf des mehrstündigen Treffens auch eine neue Führungsspitze gewählt. Die NPD Niedersachsen folgte damit den Forderungen militanter Neonazis eine, seit langem erwartete politische Richtungsänderung einzuläuten.

Bewacht von Mitgliedern des »NPD-Bundesordnerdienst«, einer als gewaltbereit geltenden Sicherheit- und Schutztruppe der neonazistischen Partei, tagte der niedersächsische Landesverband am vergangenen Wochenende in der kleinen Gemeinde Handorf. Nach mehreren Rückschlägen auf der Suche nach geeigneten Räumlichkeiten für den Parteitag griff man auf das Anwesen des NPD-Bundesvorstandsmitgliedes Manfred Börm zurück. Das Anwesen des langjährigen NPD Mitgliedes diente bereits in der Vergangenheit für konspirative Treffen. Bis zum Verbot der »Heimattreuen Deutschen Jugend« (HDJ) durch das Bundesministerium des Inneren, am 31. März 2009 tagten in den Räumlichkeiten der Familie Börm ebenfalls die Mitglieder der nun verbotenen »HDJ-Einheit Niedersachsen«. Treffen die nur wenig Verwunderung hervorriefen. Handelte es sich doch bei der Familie Börm, die ranghohe Funktionäre innerhalb der HDJ stellte, um eine der wichtigsten Knotenpunkte der neonazistischen Vereinsorganisationen in Norddeutschland.

Manfred Börm gilt innerhalb der Neonaziszene als Autorität, nicht zufällig leitet der »ergraute Anführer« innerhalb der NPD das sogenannte »Referat Ordnung«, und steht damit an der Spitze des »NPD Bundesordnerdienstes«. Bei der Wahl von jungen »Rekruten« der Ordnertruppe griff Börm in der Vergangenheit immer wieder auf ehemalige Mitglieder und Aktivisten der »Heimattreuen Deutschen Jugend« (HDJ) zurück. So auch im beschaulichen Handorf. Um auf das Gelände zu gelangen mussten neugierige Blicke erst am ehemaligen »Einheitsführer«, der als besonders militant geltenden »HDJ-Einheit Hermannsland« vorbei. Ein quer parkender Militärbus diente dabei als Kontrollposten und zusätzlicher Sichtschutz. Doch auch außerhalb der Ortschaft Handorf versahen die NPD-Wachposten ihren Dienst. Nach Bekanntwerden des Landesparteitages postierten sich Einsatzkräfte der Polizei auf den Zufahrtsstraßen und untersagten, den mit Privatfahrzeugen anreisenden Neonazis, die Weiterfahrt. Die Kraftfahrzeuge mussten schließlich außerhalb der Ortschaft zurückgelassen werden. Zuvor waren die Teilnehmer_innen über »Schleusungspunkte« zum späteren Veranstaltungsort gelotst worden. Zwei mit Klappstühlen und handlichen Funkgeräten ausgestattete NPD-Ordner übernahmen daraufhin die Sicherung des Parkplatzes.

Der Wahl- und Landesparteitag fand schließlich in einem eigens aufgebauten und mit Tarnnetzen abgehängten Militärzelt auf dem Grundstück der Familie Börm statt. Die organisatorische Vorbereitung des anstehenden Bundeswahlkampfes stand auf dem Programm. Ein sichtlicher Klärungsbedarf bestand bei den Anwesenden vor allem über die zukünftige Rolle des derzeitigen niedersächsischen Spitzenkandidaten Andreas Molau. Der ehemalige Hoffnungsträger der NPD Niedersachsen hatte in den vergangenen Monaten starken Einfluss auf die politische Stoßrichtung des Landesverbandes ausgeübt. Politischen Zerwürfnissen im Zusammenhang mit seiner Kandidatur zum NPD Bundesvorsitzenden gipfelten allerdings mit dem Rücktritt Molaus von allen Parteiämtern. In der Folge engagierte sich der ehemalige Waldorflehrer aus Groß Denkte bei Braunschweig verstärkt in den Strukturen der »Deutschen Volksunion« (DVU). Nach diesen Ereignissen zerbrach der Rückhalt von Molau in der Basis des niedersächsischen NPD Landesverbandes. Vordergründige Aufgabe des Landesparteitages war es demnach den organisatorischen Wegfall von Molau zu kompensieren und die »Ära Andreas Molau« innerhalb der NPD Niedersachsen offiziell für beendet zu erklären. Der langjährige Landesvorsitzende Ulrich Eigenfeld aus Oldenburg strebe nach parteiinternen Angaben sogar ein offizielles Ausschlussverfahren gegen Molau an.

Wie im Vorfeld angekündigt, stellte sich der bisherige Landesvorsitzende Eigenfeld keiner erneuten Wiederwahl. Er wolle sich nun verstärkt um sein Amt als frisch gewählter NPD Bundesschatzmeister bemühen. Eigenfeld entging damit einer bevorstehenden Niederlage. Seit Jahren gilt Eigenfeld innerhalb der NPD Niedersachsen als höchst umstritten. Der politische Kurs des ehemaligen Beamten sorgte besonders bei den Vertreter_innen der »Freien Kräfte« immer wieder für entsprechende Reaktionen. Mitglieder der militanten Neonaziszene verhöhnten Eigenfeld in den vergangenen Jahren regelmäßig als »Betonkopf« und »rückwärtsgewandten Demokraten«. Auch innerhalb der NPD regte sich Widerstand gegen die, »als zu bürgerlich-demokratisch« empfunden Marschrichtung des NPD-Landesvorsitzenden.

Nachdem eine offene Gegenkandidatur des radikalen Flügels, um den NPD-Kreistagsabgeordneten Adolf Dammann vor zwei Jahren scheiterte verfielen die militanten Kräfte auf eine andere Herangehensweise. Mitglieder der militanten Neonaziszene begannen spätestens im Jahr 2007 mit einer schrittweisen Unterwanderung der niedersächsischen Landesverbandes. Als gewichtigster Förderer dieses Weges trat in der Vergangenheit insbesondere Andreas Molau in Erscheinung. Dessen Motivation lag allerdings weniger in einer zunehmenden Radikalisierung der niedersächsischen NPD. Molau benötigte die »Freien Kräfte« vielmehr zur personellen Unterstützung des zurückliegenden NPD-Wahlkampfes anlässlich der niedersächsischen Landtagswahl im Januar 2008. Die radikalen Kräfte verfolgten allerdings eigene Ziele, welche sich spätestens mit dem Rückzug Andreas Molau nun durchzusetzen scheinen. Der nun in Handorf stattgefundene NPD Landesparteitag der NPD-Niedersachsen wurde dann auch die Anwesenheit von Mitgliedern der militanten »Freien Nationalisten« geprägt. Vor Ort waren unter anderem Mitglieder der neonazistischen »Kameradschaft Lüneburg Sturm 16», der «Kameradschaft Celle 73», sowie Aktivisten der »Snevern Jungs«, der »Kameradschaft Northeim« und Anhänger der Neonaziszene aus Hannover und Hannover-Garbsen. Durch die starke Machtbasis der militanten Neonaziszene erschien eine erfolgreiche Kandidatur Ulrich Eigenfelds von vornherein ausgeschlossen.

Stattdessen wurde mit Adolf Dammann nun ein Vertreter des radikalen Flügels an die Spitze des niedersächsischen Landesverbandes berufen. Eine Unterstützung der militanten Neonaziszene war ihm gewiss. Dammann versteht sich als politischer Hardliner, ein politischer Überzeugungstäter der das »System über die Straße ablösen« wolle. In logischer Konsequenz erweiterte der frisch gewählte Landesvorsitzende die Machtbefugnisse der gewaltbereiten Neonaziszene im Landesverband und verkündete sogleich eine Absichtserklärung die Zusammenarbeit mit den »Freien Nationalisten« intensivieren zu wollen. Solche Ankündigungen beziehen sich dabei vor allem auf zukünftige Aktivitäten im Bezug auf Kundgebungen und Demonstrationen . Die gesteigerten Machtbefugnisse der »Freien Nationalisten« manifestierten sich in Handorf nicht zuletzt durch die Wahl von Matthias Behrens aus dem niedersächsischen Schneverdingen zum neuen stellvertretenden Landesvorsitzenden, der damit die Nachfolge des in Ungnade gefallenen Andreas Molau antrat. Der ehemalige Bundeswehroffizier Matthias Behrens und Führungsaktivist der militanten »Snevern Jungs« gilt als einer der führenden Köpfe der niedersächsischen Neonaziszene. Seit nunmehr zwei Jahren engagiert sich Behrens intensiv innerhalb der Strukturen des NPD-Landesverbandes. Im Vorfeld der niedersächsischen Landtagswahl 2008 gehörte der Versicherungskaufmann Matthias Behrens mit dem Bereich »Finanzwesen« zu den eifrigsten Koordinatoren der NPD Wahlkampfunterstützung durch die Strukturen militanter Neonazis.

Auch der zweite Stellvertreter des Landesvorsitzenden Adolf Dammann wird dem radikalen Flügel der niedersächsischen NPD zugerechnet. Schon alleine aus diesem Grund war eine Wiederwahl von Manfred Börm nie gefährdet gewesen. Als Beisitzer des neu gewählten Landesvorstandes wählten die Delegierten außerdem Ulrich Plate vom NPD Unterbezirk Osnabrück, der niedersächsische NPD-Landesgeschäftsführer Malte Holzer aus Amelinghausen, Michael Hahn aus Bad Lauterberg, das Hamelner NPD-Mitglied Friedrich Werner Graf von der Schulenburg, Carsten Steckel vom der NPD-Osterode, Friedrich Preuß aus den Strukturen der NPD-Braunschweig sowie Ricarda Riefling als führende Vertreterin des niedersächsischen Ablegers der NPD Frauenplattform »Ring Nationaler Frauen« in das höchste Gremium der NPD in Niedersachsen. Als abschließende Überraschung konnte dann die Wahl des ehemaligen HDJ-Aktivisten Christian Berisha als weiterer Beisitzer im Landesvorstand gewertet werden. Christian Berisha gilt dabei als äußerst umtriebiger Aktivist der Szene. Nachdem die neonazistische Vereinsorganisation »Heimattreue Deutsche Jugend e.V.« im März diesen Jahres verboten wurde, wurden die Beamten auch bei Berisha in Groß Bleckede vorstellig. Berisha soll für das Finanzwesen der Organisation zuständig gewesen sein. Aktivitäten entfaltete Berisha ebenfalls in den Strukturen des »NPD Bundesordnerdienstes« und verfügt als Abgeordneter der NPD-Wählervereinigung »UWL/Bündnis Rechte«,über einen Sitz im Lüneburger Kreistag.

Der nun stattgefundene Landesparteitag der NPD-Niedersachsen kann als Richtungsweisend bezeichnet werden. Die Vertreter des radikal-militanten Flügels konnten sich in dessen Verlauf erfolgreich durchsetzen. Mit Matthias Behrens als stellvertretenden Landesvorsitzenden wurden ebenfalls erste Schritte im Bezug eines »Generationswechsels« vollzogen. Dammann hatte in der Vergangenheit hinlänglich erklärt seine Wahl zum Landesvorsitzenden nur als mehr oder weniger kurzfristige Übergangslösung der niedersächsischen NPD zu betrachten. Die Anwesenheit einer Delegation der »Jungen Nationaldemokraten«(JN) in Handorf unterstreicht die zunehmender Handlungsfähigkeit der niedersächsischen NPD. War der niedersächsische Ableger der NPD Jugendorganisation in den vergangenen Jahren vor allem durch seine Nichtexistenz aufgefallen, konnte der JN-Landesverband durch Führungskader, wie dem derzeit in Delmenhorst wohnhaften Florian Cordes reaktiviert werden. Inzwischen verfügt die JN-Niedersachsen wieder über mehrere Stützpunkte im »Stammland der NPD«. Ein Zustand welcher nicht zuletzt durch das vorangegangene Verbot der »Heimattreuen Deutschen Jugend« (HDJ) unterstützt wurde. Ehemalige HDJ-Aktivisten, so auch die Mitglieder der »HDJ-Einheit Hermannsland« nutzen nun, neben dem »NPD Bundesordnerdienst«, die JN-Strukturen als neue und bislang legale politische Plattform. Ein Weg, welcher wohl nun auch vom ehemaligen HDJ-Aktivisten Christian Berisha im NPD Landesvorstand bestritten wird und Sinnbildlich für die derzeitige Entwicklungsphase und Radikalisierung der NPD in Niedersachsen steht.