Das »National Socialist Movement« in den Vereinigten Staaten

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Die Szenerie ist keinem Dokumentarfilm über die Nationalsozialistische Diktatur der 30er und 40er entnommen. Die braunen Uniformen, Koppelschlösser und Hakenkreuzarmbinden wirken dadurch umso befremdlicher. Kahlrasierte Männer und junge Frauen, gekleidet in schwarze Bomberjacken begleiten das Geschehen, in den Händen halten sie Fahnen mit dem im Wind flatternden Hakenkreuzsymbol. Mag sich das Rad der Geschichte weitergedreht haben, in den Vereinigten Staaten von Amerika sind solche Bilder aktuell. Den dort, wie zuletzt am 3. Juni 2009 im texanischen Austin, versucht das »National Socialist Movement« die Vergangenheit wieder auferstehen zu lassen.

Jeff Schoep erscheint aus der Ferne betrachtet wie ein Prototyp eines modernen Geschäftsmanns. Der eng geknöpfte Anzug mit Nadelstreifen, die mit Strichmustern versehene Krawatte unterstreichen diesen Eindruck noch. Nur der kleine, mit einem Hakenkreuz verzierte Anstecker unter dem ordentlich gebundenen Krawattenknoten wirkt irritierend auf Beobachter_innen. Ein Unternehmen leitet Schoep indes nicht, zumindest keines im herkömmlichen Sinne. Commander Jeff Schoep, wie seine offizielle Amtsbezeichnung lautet, ist der derzeitige Vorsitzende des »National Socialist Movement« (NSM), einer der derzeit größten und bedeutendsten Neonaziorganisationen in den Vereinigten Staaten. Das Geschäft von Jeff Schoep ist die politische Aufstachelung, Rassismus und Antisemitismus. Fernziele seines Unternehmens mit Sitz in Detroit (Michigan) sind untere anderen die Gründung eines »arischen Groß-Reiches« oder auch die Einführung der Euthanasie in Fällen von »geistiger Verlangsamung«.

Wie bei den meisten US-amerikanischen Neonaziorganisationen reichen die Wurzeln des »National Socialist Movement« bis zur »American Nazi Party« (ANP) um Georg Lincoln Rockwell zurück, welche sich ideologisch wiederum an der NSDAP der NS-Dikatur orientierte. Die ANP-Partei warb offen für Rassismus und forderte die Errichtung von Straf- und Konzentrationslagern für Menschen mit jüdischem Glauben. Der politische Aufstieg der amerikanischen Neonazipüartei wurde allerdings bereits wenige Jahre nach ihrer Gründung jäh unterbrochen. Ein enttäuschter Anhänger der »American Nazi Party« erschoss der Parteivorsitzenden Rockwell nachdem die ANP im Jahr 1967 in finanzielle Bedrängnis geriet und ihre Parteizentrale in Arlington (Virgina) gepfändet wurde. Der Verlust ihres »Leaders« und Parteivorsitzenden spaltete die Organisation und führte in der Folgezeit zu Neugründungen diverser Splittervereinigungen wie auch 1974 zu der Gründung des »National Socialist Movement« (NSM). Im Jahr 1994 übernahm dann der damals 21jährige Jeff Schoep die Führung der Gruppierung. Sein Vorgänger Cliff Harrington musste zuvor zurücktreten nachdem Gerüchte bekannt wurden, welche seine Ehefrau in die Nähe von Satanisten rückten. Die christlich orientierte Mehrheit des »National Socialist Movement« versagte Harrington daraufhin die Gefolgschaft.

Mit der Wahl von Jeff Schoep zum neuen Vorsitzenden versprach sich die NSM vor allem einen verstärkten Einfluss auf die neonazistische Skinheadszene und junge Rassist_innen. Jeff Schoep gelang es in den darauffolgenden Jahren dann auch das »National Socialist Movement« zur wichtigsten neonazistischen Kraft in den Vereinigten Staaten aufzubauen. Begünstigt wurde diese Entwicklung nicht zuletzt durch das Auseinanderbrechen der »Aryan Nations« (AN) nach dem Tod ihres langjährigen Vorsitzenden Richard Butler im Jahr 2004, die bis dahin als bedeutendste neonazistische Kraft in den Vereinigten Staaten galt, sowie einer Reihe organisatorischen Rückschlägen von anderen US-amerikanischer Neonazigruppen. Die gestiegenen Mitgliederzahlen und der wachsende Einfluss des »National Socialist Movement« resultierten dabei ebenso aus dem verstärktem wirtschaftlichen Engagement der Organisation. Die Verbreitung von »White Power Music«, und mit politischen Slogans ausgestatteten Kleidungsstücke über einen eigenen »NSM-SS-Shop» bescherte der Gruppe nicht nur einen finanziellen Gewinn sondern beförderte gleichsam den Bekanntheitsgrad der Gruppierung. Zu Propagandazwecken veröffentlicht das »Movement« in den USA derzeit nicht nur die monatlich erscheinende Publikation »The Stormtrooper«; es betreibt auch ein eigenes Internetradio.

Während das »National Socialist Movement« in den vergangenen Jahren insbesondere durch die Parteiuniform und den ausgiebigen Gebrauch des Hakenkreuzes mediale Aufmerksamkeit erlangte, sorgten anderseits auch immer wieder einzelne Mitglieder für Negativ-Schlagzeilen. Neben illegalem Waffenbesitz und rassistisch motivierten »Hatecrimes« gehört auch Mord zu den bekanntgewordenen Aktivitäten der Organisation. So kam es während einer NSM-Feier im Juni 2006 zum Streit zwischen zwei Anhängern des »National Socialist Movement« (NSM). Die Unstimmigkeiten eskalierten. Bei der kurz darauf einsetzenden Auseinandersetzung wurde mit harten Bandagen gekämpft in deren Folge eines der beteiligten Mitglieder seine Hakenkreuzarmbinde verlor welche daraufhin zu Boden fiel und von dem anderen Mitglied mit Fußtritten bedacht wurde. Dies führte wiederum zu wütenden Reaktionen in deren Folge der dadurch beleidigte NSM-Anhänger einen Dolch zog und seinen Kontrahenten erstach.

Im gleichen Jahr sorgte die Gruppierung für landesweite Schlagzeilen nachdem bekannt wurde sich mit John Tayler Bowles ein langjähriges NSM-Mitglied aus South Carolina für das Amt des amerikanischen Präsidenten bewarb. Die geplante Kandidatur scheiterte letztlich nachdem Bowles sich mit der Führungsspitze des NSM überwarf und darauffolgenden Jahr die Gründung des »National Socialist Order of America« (NSOA) initiierte. Im Jahr zuvor wendete bereits der NSM-Pressesprecher Bill White der Organisation den Rücken zu und gründete mit der »American National Socialist Workers Party« (ANSWP) eine weitere Splittergruppe enttäuschter NSM-Anhänger. Der für seinen extremen Rassismus und Antisemitismus bekannte White wurde zuletzt im Oktober 2008 von Polizeibeamten verhaftet nachdem dieser über das Internet zur Ermordung eines Bundesrichters aufrief. Im gleichen Monat veröffentlichte White auf seiner Internetseite einen Artikel über Barack Obama und die bevorstehende amerikanischen Präsidentschaftswahl. Obama plane nach Auffassung von Bill White »mit Hilfe der Juden und Kommunisten« einen »Völkermord an der weißen amerikanischen Bevölkerung«. Einen Monat zuvor, im September 2008 veröffentlichte White bereits eine Zeitschrift mit dem Titel »Kill this Ni -ger?« Das mit Hakenkreuzen umrandeten Cover der Zeitschrift zeigte dabei das Gesicht des damaligen Präsidentschaftskandidaten Barack Obamas über dessen Konterfei sich ein Fadenkreuz befand.


»Wir sind keine Hobbynazis – Wir sind amerikanische Patrioten«


In den vergangenen Jahren sorgte das »National Socialist Movement« darüber hinaus vor allem durch zahlreiche Demonstrationen und ähnlich gelagerte Aktivitäten für Aufsehen. So auch am 16. Oktober 2005 während eines NSM-Aufmarsches in Toledo. Die Demonstration richtete sich gegen die angeblich »Terrorisierung der Weißen Bevölkerung durch Gangs schwarzer Jugendlicher« welche, den Worten des damaligen NSM-Pressesprechers Bill White folgend, durch den »jüdische Einfluss« auf Politiker und Polizei hervorgerufen worden sei. Gegendemonstrant_innen versuchten zu der Veranstaltung des »National Socialist Movement« vorzudringen und lieferten sich dabei heftige Straßenschlachten mit der Polizei. Während die Demonstrationen in Toledo eine landesweite Berichterstattung auslöste, ernteten die sonstigen Aktivitäten der NSM nur geringen medialen Niederschlag. Schwerpunktthema des NSM ist dabei die Agitation gegen gleichgeschlechtliche Beziehungen und »Illegale Einwanderer«. Zuletzt veranstaltete die Neonazigruppe vor wenigen Tagen, am 3. Juni 2009 eine rassistisch motivierte Demonstration in Austin (Texas) um gegen die Zuwanderung mexikanischer Einwanderer zu protestieren.

Aktivitäten wie diese, gehören inzwischen zum Standard-Repertoire der Organisation. Das Spektrum der einzelnen Aktionen ist dabei ebenso umfangreich wie vielfältig. So patrouillierten im Dezember 2008 bewaffnte und mit einer Hakenkreuzfahne ausgestattete NSM-Mitglieder an der Grenze zwischen Mexiko und den USA. In einem daraufhin verbreiteten Artikel forderte die nationalsozialistische Gruppe die Bevölkerung zur Unterstützung ihres Anliegens auf: »Wenn sie Arisch sind und Sorgen um die Zukunft ihre Kinder und Amerikas haben, sie in der Reichweite der Süd-Kalifornischen Grenze leben und sich dem Kampf anschließen wollen dann nehmen sie mit uns Kontakt auf. Ihr Land braucht sie jetzt!«. Neben regelmäßig stattfindenden Konzertveranstaltung mit eigenen NSM-Rechtsrockbands sowie politischen Schulungsveranstaltungen veranstaltet das »National Socialist Movement« zur Erinnerung an Adolf Hitler einmal jährlich am 20. April eine »Geburtsfeier«. Die geistige Verbindung mit dem nationalsozialistischem Regime der NSDAP manifestiert sich auch in anderen Aktivitäten. So organisierten Mitglieder der Organisation im Januar 2007 ein Bücherverbrennung.

Vor wenigen Wochen, im April 2009 fand nun eine Veranstaltung des »National Socialist Movement« anlässlich des 35jährigen Bestehens der Organisation in St. Louis statt. In Redebeiträgen schworen die in Uniform angetretenen NSM-Führungsfunktionäre ihre Anhänger_innen auf kommende Aktivitäten des »National Socialist Movement« ein. »This years speakers were firing on all cylinders«, urteilte die NSM in einer anschließen veröffentlichen Presseerklärung. In Anbetracht der verstärkten Anbindung neonazistischer Skinheads an die Organisationsstrukturen gehörte auch der Auftritt der »NSM-Rockband« »Enforcer« sowie zwei Demonstrationen zum Rahmenprogramm der Veranstaltung. Eine der Demonstrationen richtete sich dabei gegen ein neu eröffnetes Holocaust Museum in Skoki (Illinois). Neben den, zum Großteil ebenfalls uniformierten Delegierten der einzelnen NSM-Bezirksgruppen waren während des »NSM 35th Anniversary events« auch mehrere Vertreter_innen der parteieigenen Frauengruppe, der »NSM Woman's Divison« sowie Mitglieder des »Viking Youth Corps«, der NSM-Jugendorganisation in St. Louis vor Ort.

Die derzeitige Bedeutung des »National Socialist Movement« innerhalb der zerstrittenen amerikanischen Neonaziszene erwächst nicht zuletzt aus ihrer erfolgreich praktizierten Netzwerktätigkeit. Der NSM-Führungsspitze gelang es in den vergangenen Jahren in Kooperationen mit anderen Gruppierungen wie der »National Alliance« oder dem zu treten. Vereinendes Band ist der ideologische Bezug zur »White Supremacy«, zur Idee der »Weißen Vorherrschaft«. In einer Erklärung der NSM heißt es dazu: "Wir kooperieren und arbeiten mit vielen gleichgesinnten weißen nationalistischen Gruppen wie dem KKK (Ku Klux Klan), arischen Skinheads, der Racial Nationalist Party of America und vielen anderen zusammen, die sich entweder als Neonazis verstehen oder sich zumindest unserem rassisch arischen Erbe bewusst sind«.

Die militärische Struktur der NSM erlaubt der derzeitigen Parteiführung dabei vollkommene Handlungsfreiheit. Unter Leitung ihres »Commanders« Jeff Schoeb gelang es der Organisation aus der Bedeutungslosigkeit der Vergangenheit herauszutreten. So konnten innerhalb weniger Jahre in den USA dutzende Neugründungen von NSM-Gruppen verzeichnet werden. Gleichzeitig fand eine zunehmende Radikalisierung der Gruppierung statt. Die NSM unterwirft ihre Mitglieder nicht nur einer paramilitärisch Ausbildung sondern beteiligte sich ebenso aktiv an der Verbreitung von Anleitungen zur Herstellung von Sprengstoff und Sprengsätzen. Die weitere Entwicklung der NSM bleibt angesichts der Fluktuationsbewegungen amerikanischer Neonazis hingegen abzuwarten. Für die nächsten Wochen wurden kündigte die NSM bereits weitere Demonstrationen in Springfield und Ohio an. In einer Erklärung auf der Internetpräsenz der Organisation verkündete Jeff Schoeb inzwischen »Man werde die bisherige Arbeit unvermindert fortsetzen« und mit dem Verweis auf das NSM-Parteiprogramm abschließend zu verkünden »wenn nötig, unter Einsatz des eigenen Lebens für die Durchführung der vorstehenden Punkte rücksichtslos einzutreten«.