25.06.2009 / Hannover: Braune Rattenfängerei nach Innen und Außen in Hannover

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Sie täuschen sogar ihre Idole. Unter falschen Angaben wollte man den Referenten zu den Veranstaltung locken. Am vergangenen Wochenende fand in Hannover-Laazen ein internes Koordinierungstreffen der niedersächsischen Neonaziszene statt. Beworben wurde die Veranstaltung zuvor mit dem Auftritt eines Ritterkreuzträgers, der »als blutjunger Soldat« in Afrika stationiert war. Pikanterweise wurde der angekündigte Referent bis zuletzt über die politischen Hintergründe im Unklaren gelassen.

Bei dem angekündigten Referenten handelte es sich um den 1922 geborenen Günter Halm aus dem niedersächsischen Bad Münder. Doch Halm, der 1995 ebenfalls mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande ausgezeichnet wurde, ist nach Eigenangaben alles andere als ein Sympathisant der braunen Überzeugungstäter. »Eher das Gegenteil« wie der heutige 86jährige auf Nachfrage betonte. Wie viele andere Jugendliche, gerade dem Kindesalter entwachsen, sei er damals »von der Schulbank weg« an die Kriegsschauplätze geschickt worden und bitter enttäuscht zurückgekommen. Mit Politik hatte er damals wie heute nichts am Hut. Nicht zuletzt aus diesem Grund reagierte Halm mit Erstaunen und Verärgerung auf eine Neonaziveranstaltung am vergangenen Wochenende in Hannover.

Anlässlich des »Stammtisch Nationaler Kräfte«, einem monatlich stattfindenden Neonazi-Treffen in der Landeshauptstadt warben die Organisatoren der Veranstaltung mit dem Auftritt von Günter Halm als Zeitzeugen. Ankündigungen welche bei dem fälschlich angekündigten Referenten noch Tage später nur Kopfschütteln hervorrufen. „Hätte Ich den Vortrag gehalten, hätten sich die Teilnehmer umgeschaut und sich wohl auf der falschen Veranstaltung gewähnt“, amüsiert sich Halm im Nachhinein. Tatsächlich sei man an ihn herangetreten. »Ein junger Mann«, erinnert sich Halm, »überaus höflich und gut erzogen«. Wie ein Neonazi habe dieser nicht gewirkt. Er gehöre zu einem »unpolitischen Stammtisch«, und man wolle einen Vortrag über den zweiten Weltkrieg veranstalten, mit Halm als Referenten. Da ihm der Mann suspekt war, Hintergründe sowie den Ort des »Stammtisches« verschwieg, schlug der Umworbene das Angebot aus. Daraufhin sei der Mann einige Tage später erneut an der Haustür erschienen, insgesamt dreimal. Sogar um eine Autogrammkarte habe er gebeten.

Doch die Absage des Referenten hinderte die neonazistischen Veranstalter des »Stammtisches Nationale Kräfte« nicht daran weiterhin mit dem bevorstehenden Auftritt des Ritterkreuzträgers zu werben. Erst nachdem das Treffen im Vorfeld ruchbar wurde sagte man das angekündigte Referat ab. Man wolle dem 86jährigen einen möglichen Polizeieinsatz »nicht zumuten«, hieß es in einer Mitteilung. Aussagen mit nur wenig Wahrheitsgehalt. Halm fühlt sich verleumdet und ist sich sicher: »Da möchte man mich für mehr als fragwürdige Zwecke missbrauchen«. In der Neonaziszene gehört der Bezug in die Vergangenheit zum Selbstverständnis. Jedoch ein anderes, als es Halm vertritt. »Krieg ist für die Betroffenen schrecklich«, das habe er schmerzlich erfahren müssen.

Erfahrungswerte, die innerhalb der Neonaziszene jedoch ausgeklammert werden. Kampf- und Durchhalteparolen prägen seit jeher deren Auftritte. »Wenn wir es geschafft haben, wirklich alle in der nationalen Opposition zu vereinigen, unter welchem Vorzeichen auch immer, dann wird es wie einst einen Sternmarsch nach Berlin geben, und dann wird uns keiner dieser Hochverräter mehr entkommen. Dann wird jede Ausfallstraße gesperrt sein, Barrikaden werden stehen. Dann ist Deutschland wieder erwacht«. Mit Aussagen wie diesen, welche der langjährige Führungsaktivist der niedersächsischen Neonaziszene Dieter Riefling in einem Redebeitrag verkündete, soll die Anhängerschaft auf militanten Aktivismus und den geforderten »Kampf um die Straße« eingestimmt werden. Riefling gilt ebenso als Verfasser des Einladungsschreibens des nun in Hannover stattgefundenen »Stammtisches Nationalen Kräfte«.

Dass Riefling mit Günter Halm als Referenten trotz dessen Absage und somit wieder besseren Wissens warb, erscheint als inszenierte Werbeaktion. Dadurch »erhoffte man sich wohl eine erhöhte Anzahl der Teilnehmer« merkte Halm an. Vor allem in den ehemaligen Soldaten manifestiere sich nach neonazistischer Lesart »Deutsche Tugenden« wie »Treue, Mut und Ehrlichkeit«. Die »Erlebnisgeneration« des zweiten Weltkrieges, ihre Vorträge und Bücher besitzen nicht zuletzt deswegen innerhalb der Neonaziszene eine ungebrochene Anziehungskraft. Tugenden die, so abstrakt sie auch sein mögen, keinen Eingang in die aktuellen Tätigkeiten der Neonaziszene gefunden haben. Zumindest bei Dieter Riefling scheint es nicht nur im Bezug auf die Ehrlichkeit erheblichen Nachholbedarf zu geben.