07.08.2009 / Washington: »Killing all the bloody sand niggers« - Neonazis im US-Militär

recherche-nord

Das »Southern Poverty Law Center« (SPLC) schlägt Alarm. Die Bürgerrechtsgruppe, mit Sitz im US-Bundeststaat Alabama, hat vergangenen Monat Mitglieder des US-Kongress aufgefordert gegen die fortschreitende Unterwanderung der Streitkräfte durch militante Neonazis vorzugehen. Man erwartet von der Regierung Maßnahmen zu ergreifen um die mögliche Ausbildung »zukünftiger inländische Terroristen« durch die US-Armee zu verhindern. Etliche Neonaziorganisationen in den Vereinigten Staaten rufen ihre Anhänger_innen seit längerem dazu auf sich in der US-Armee militärisch ausbilden zu lassen.

Neonazis im US-Militär sind kein unbekanntes Phänomen. Entsprechende Warnungen sorgten zuletzt im Juli 2006 für internationale Schlagzeilen, nachdem in der irakischen Hauptstadt Bagdad neonazistische Graffiti mit dem Logo der US-amerikanischen Neonaziorganisation »Aryan Nations« aufgetaucht waren. Der damaligen Tat verdächtigt wurden amerikanische Soldaten die in Bagdad stationiert waren. Die Bürgerrechtsgruppe »Southern Poverty Law Center« (SPLC) warnte damals vor einer gezielten Unterwanderung des US-Militärs durch »tausende Neonazis«. Deren ideologische Vordenker, wie der 2002 verstorbene William Pierce, Verfasser der »Turner Tagebücher« und Gründer der neonazistischen »National Alliance«, würden ihre Anhänger_innen gezielt dazu aufrufen eine militärische Ausbildung in der US-Armee wahrzunehmen. Der Dienst in der US-Armee gelte innerhalb der neonazistischen Szene als willkommenes Training und Vorbereitung für einen »unvermeidlichen Rassenkrieg«. Ein Schreiben welches die Bürgerrechtsgruppe im Jahr 2006 an den damaligen Pentagonchef der USA , Donald Rumsfeld sendete, wurde ignoriert und blieb unbeantwortet.

Nach Darstellung der Bürgerrechtsgruppe bilden Neonazis in den Reihen der US-Armee schon längst keine Seltenheit mehr. Traurige Berühmtheit erlangte unlängst der ehemalige US-Soldat Timothy Mc Veigh. Der Golfkriegsveteran verübte im April 1995 mittels einer Autobombe einen Anschlag auf das »Murrah Federal Building«, dem Sitz mehrerer Regierungsbehörden im US-amerikanischen Oklahoma City. Bei dem verheerenden Bombenattentat wurden 168 Menschen getötet und weit über 500 Personen zum Teil erheblich verletzt. Die Tat gilt bis heute als eines der schwersten Attentate in der Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika. Der im Jahr 2001 hingerichtete Mc Veigh galt dabei als Sympathisant US-amerikanischen Neonazis und wird heute von deren Anhänger_innen als Märtyrer und Held verehrt. Zu dem Anschlag soll Mc Veigh durch den 1978 erschienen Roman »The Turner Diaries« inspiriert worden sein, welcher als Blaupause der Anschlagsvorbereitung gilt. Bei den antisemitischen »Turner Tagebüchern« handelt es sich um einen fiktiven Roman über eine amerikanische Terrororganisation namens »The Order«, deren Mitglieder einen »heiligen Rassenkrieg« führten. Das Buch gilt weltweit als »Bestseller« des Neonaziuntergrunds.


Unterschätzte und bewaffnete Gefahr


Das nun im Juli durch das »Southern Poverty Law Center« an die Ausschüsse für »Heimatschutz« und für Armeeangelegenheiten des US-Kongress gerichtete Ersuchen, in Zukunft verstärkt gegen Neonazis vorzugehen, begründet sich mit Auswertungen von Mitgliederprofilen der neonazistischen Internetseite »New Saxony«. Die US-Militärzeitung Stars & Stripes, die dem Thema nachging, geht nach Recherchen im Zusammenhang mit der einschlägigen Internet-Community von mindestens 130 Nutzer_innen aus, welche dem US-Militär zugerechnet werden können. »I am 20 years old, serving in the U.S. Army in Iraq right now« beginnt beispielsweise die Selbstbeschreibung eines nach Eigenangaben derzeit im Irak stationierten US-Rekruten. Über das Internetportal suche er eine »weiße Frau...mit moralischen Werten«. Sein Anliegen sei es »die weiße Rasse vorherrschend und rein zu halten«. Feindbilder werden gleich mitgeliefert: »jews, jew lovers and liberals«.

In den, zum Teil mit eindeutiger NS-Symbolik ausgestatteten Profilen vermeintlicher Militärangehöriger, werden unter anderem Stationierungsorte, Namen der militärischen Einheiten inklusive privaten Wohnorten aufgeführt. Darunter auch im Irak und Afghanistan stationierte Soldaten die als Lieblingslektüre Adolf Hitlers »Mein Kampf« und Interessen wie »Fascism and Freikorps« anführen. Er freue sich auf das »Killen der verdammten Wüstenneger« so der Kommentar eines weiteren jungen Mannes der sich derzeit auf seine Entsendung und Stationierung in Afghanistan vorbereitet. Mit den Zeilen »Braune Augen und alle die nicht zu 100% weiß sind« umreißt ein anderer seine persönlichen Abneigungen.

Im Zuge, der auch in den USA zunehmend unpopulären Kriegseinsätze im Irak und Afghanistan sei im US-Militär ein erhöhter Rekrutierungsbedarf entstanden, so das »Southern Poverty Law Center«. Damit Quoten eingehalten werden und potentielle Rekrut_innen die Einstellungsvorgaben nicht verfehlen, würden bestehende Richtlinien zur Bekämpfung von Rassismus im US-Militär außer Acht gelassen, kritisierte die Bürgerrechtsgruppe. Einem Ermittler des US-Verteidigungsministerium zufolge, würden amerikanische Rekrutierungsstellen »Wissentlich Neonazis und Rassisten anwerben» um erforderliche Quoten an Neuzugängen zu erzielen. Neonazistische Skinheads und Rassisten erhielten so eine militärische Ausbildung und Zugang zu Waffen und Sprengstoff. Eindeutige Tätowierungen wie Hakenkreuze oder SS-Runen seien demnach kein gravierender Hinderungsgrund für eine spätere Verwendung als Mitglied des US-Militärs. Besagte Richtlinien zur Bekämpfung des Rassismus innerhalb des US-Militärs wurden ein Jahrzehnt zuvor vom damaligen Verteidigungsminister Caspar Weinberger geschaffen, nachdem bekannt wurde, das Soldaten der »Marine Corps« gemeinsam mit Mitgliedern des rassistischen »Klu Klux Klan« (KKK) paramilitärische Übungen durchführten.

Im Jahr 2008 bezeichnete ein Bericht des amerikanische »Department of Homeland Security« rechtsgerichtete und neonazistische Extremisten als wichtigste Bedrohung des »einheimischen Terrorismus« in den Vereinigten Staaten. Die Regierungsorganisation zeigte sich besorgt darüber das Neonaziorganisationen dabei verstärkt auf die Erfahrung und Ausbildung von Veteranen des US-Militärs zurückgriffen. Die SPLC-Bürgerrechtsgruppe berichtet weiter das seit 1994 hingegen über 12.500 Bedienstete des US-Militärs wegen Homosexualität aus dem militärischen Dienst entfernt wurden. »Es ist irritierend warum das Pentagon in Homusexualität eine größere Gefahr für den ordnungsgemäßen Ablauf im US-Militär sieht, als in Neonazis und Rassisten welche die Grundsätze der Verfassung ablehnen«, so Mark Potok, Direktor des SPLC für die Beobachtung »extremistischer Bestrebungen«. Täglich würden weitere Neonazis in der Armee gefunden, so der Bürgerrechtler weiter.