Ein Hamburger Szenehändler und der Tierschutz (u.a.)

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Der Hund ist der beste Freund des Menschen, so berichtet zumindest ein altes Sprichwort. Diesen Freund hat Volker Fuchs, seines Zeichen bekennender Neonazi und ehemaliger Szenehändler für ideologisch-orientierte Kundschaft nun verloren. Trotz hochsommerlicher Temperaturen hatte Fuchs seinen tierischen Begleiter, einen 3jährigen Boxermischling, während einer Demonstration im niedersächsischen Bad Nenndorf in seinem Fahrzeug eingeschlossen. Nach mehrstündigem Todeskampf verendete der Hund schließlich qualvoll. Der ehemalige Betreiber der Hamburger Szeneläden „Odin & Freya“ und „Unbreakable Streetwear“, sieht sich nun einem Ermittlungsverfahren wegen Verstoß gegen das Tierschutzgesetz gegenüber.

Etwa 750 Anhänger_innen versammelten sich am 1. August 2009 anlässlich des besagten Neonaziaufmarsches in dem beschaulichen Kurort. Unter Ihnen – kaum übersehbar, der langjährige Szeneaktivist Volker Fuchs. Bereits während der Anreise sorgte, der zum Teil großflächig tätowierte Demonstrationsteilnehmer für Aufsehen. Selbstbewusst näherte sich Fuchs anwesenden Journalist_innen - forderte einige sogar zu einem Zweikampf heraus. Man könne sich, „ja später noch einmal zu einem Match treffen“, so sein Kommentar bevor er sich mit einem „Man sieht sich immer zweimal im Leben“ auf den Lippen wieder entfernte. Doch auch ohne diesbezügliche Verlautbarungen zog Fuchs ungeteiltes Interesse auf sich. So prangte auf seinem Hals, feinsäuberlich tätowiert. das Wappen der „SS-Sondereinheit Dirlewanger“, ein für außerordentliche Grausamkeit und Massaker berüchtigtes „Sonderkommando“ des NS-Regimes. Das Niederbrennen ganzer Dörfer, Massenerschießungen, Vergewaltigungen, bestialische Folter und andere Exzesse gehen auf das Konto dieser „Sondereinheit“. Verbrechen, denen gegenüber Volker Fuchs, nicht zuletzt angesichts seiner dargebotenen Tätowierungen, keineswegs negativ eingestellt sein dürfte.

Das Faible für „SS-Todesschwadronen“ kommt nicht von ungefähr. Volker Fuchs kann sich rühmen auf eine langjährige Karriere innerhalb der militanten Neonaziszene zurückzublicken. Mit seiner Verehrung für die „Sondereinheit Dirlewanger“ steht Fuchs im dortigen „Kreise der ideologisch-motivierten Kameraden“ nicht allein. So findet das Wappen der berüchtigten SS-Sondereinheit, zwei gekreuzte Stabgranaten, auch bei der sogenannten „Arischen Bruderschaft“ Verwendung. Diese konspirativ agierende Gruppierung aus dem Umfeld der militanten „Kameradschaft Northeim“ wird dem Untergrundnetzwerk deutschsprachiger Rechtsrockbands zugerechnet. Nach dem Verbot der Netzwerkorganisation „Blood & Honur – Divison Deutschland“, durch das Bundesinnenministerium in September 2000, versuchten militante Neonazis deren Tätigkeiten zu gewissen Teilen unter dem dem Label „Arische Bruderschaft“ fortzuführen. Ein organisatorischer Schwerpunkt der Gruppierung befindet sich derzeit im nord-östlichen Thüringen.

Verbindungen zur „Arischen Bruderschaft“ werden auch dem NPD-Bundesvorstandsmitglied Thorsten Heise aus dem thüringischen Fretterode nachgesagt. Über seinen Versandhandel „Witwe-Bolte-Versand“ (WB-Versand), vertrieb der prominente Neonaziaktivist etliche Kleidungsstücke mit Insignien der „Arischen Bruderschaft“, und somit auch der „Sondereinheit Dirlewanger“. Dies und seine mutmaßliche Verstrickung in die Produktion von einschlägigen Tonträgern veranlasste das Landeskriminalamt Thüringen zu einem Ermittlungsverfahren gegen den NPD-Bundespolitiker. Im September 2008 durchsuchten dann Einsatzkräfte der Polizei das herrschaftliches Anwesen der Familie Heise in Fretterorde. Im Visier der Fahnder befand sich die CD “Wie Brüder” der Band “Faktor Deutschland”, deren Cover das Symbol der “Arischen Bruderschaft” schmückte. Ähnlich wie die „Arischen Bruderschaft“ (AB) huldigte auch die Neonazirockband S.K.D. dem geschichtlichen Vorbild. Allerdings weitaus offener. Der volle Name der thüringischen Musikgruppe lautete schlichtweg „Sonderkommando Dirlewanger“ - Verwechselung ausgeschlossen.

Angesicht der Beteiligung der „Schutzstaffel“ (SS) in die industriell betriebene Vernichtung der europäischen Juden durch das NS-Regime, gewährt die Wahl von Volker Fuchs Tätowierung tiefe Einblicke. Weitaus unverständlicher erscheint allerdings der Umgang der Polizei in Bad Nenndorf mit solcherlei Erkennungszeichen. Während der Demonstration am 1. August 2009 konnte Fuchs das SS-Wappen, entgegen der polizeilichen Auflagen weithin sichtbar präsentieren. Bei der Beantwortung der Frage, ob die „SS-Sondereinheit Dirlewanger“ im Jahr 1945, gemeinsam mit anderen SS-Einheiten als verbrecherische Organisation verboten wurde, scheint zumindest aus Sicht der Behörden noch Klärungsbedarf zu bestehen.


Vergiss die Sonnenbank - Kauf dich Braun beim Szenehändler Volker Fuchs


Mit seiner Anwesenheit, auf der Neonazidemonstration im niedersächsischen Bad Nenndorf, trat Volker Fuchs aus seiner, nunmehr zweijährigen Versenkung. Still war es um den ehemaligen Szenehändler geworden. In den Jahren 2005 bis 2007 sorgten die Tätigkeiten von Fuchs hingegen noch für überregionale Aufmerksamkeit. Fuchs, der sich seit längerem in der militanten Neonaziszene der Hansestadt Hamburg bewegte, eröffnete im Mai 2005 den Szeneladen „Odin & Freya“ in der Hamburger Talstraße. In dem kleinen Ladengeschäft, unweit der Hamburger Reeperbahn, konnte die geneigte Kundschaft einschlägige Markenkleidung der Neonaziszene erwerben. Wohl nicht zuletzt aus diesem Grund, entwickelte sich der Szeneladen zu einem gut besuchten Treffpunkt Hamburger Neonazis und politisch motivierter Hooligans. Bedrohungen und körperlichen Auseinandersetzungen vor den Türen des „Odin & Freya“ gehörten zum altäglichen Geschäft.

Bei der Auseinandersetzung mit politischen Gegner_innen und vermeintlich unfreundlicher Kundschaft langte der Hamburger Szenehändler auch schon mal selber zu. Im August 2006 attackierte Fuchs, vor der Schwelle seines Ladens einen Passanten mit Faustschlägen. Einige Monate später, im Februar 2007 verurteile ihn daraufhin das Landgericht Hamburg wegen Beleidigung und Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 3600,- Euro zu jeweils 120 Tagessätzen. Zu diesem Zeitpunkt war das Ladengeschäft „Odin & Freya“ allerdings bereits Geschichte. Anhaltenden Protestaktionen von Anwohner_innen, Stadtteilinitiativen sowie antifaschistischen Gruppen führten im September 2006 zur Kündigung des Mietvertrages durch die Grundstücksverwaltung. Im Verlauf einer, eigens für diesen Zweck von Volker Fuchs organisierten Abschiedsfeier, entwickelten sich dann abermals turbulente Szenen. Dutzende Neonazis versammelten sich in den Geschäftsräumen und lieferten sich zu fortschreitender Stunde gewaltsame Auseinandersetzungen mit Gegendemonstrant_innen. Als die Polizei die Neonazis mit Bussen wegbringen wollte, flogen Flaschen und Steine.

Die politischen Aktivitäten von Volker Fuchs beschränkten sich jedoch nicht auf den alleinigen Vertrieb von Szenemarken für neonazistisch-orientierte Kundschaft. So gehörte der Neonaziaktivist im Mai 2006 zu den Teilnehmer_innen einer Vortragsveranstaltung mit Angehörigen der „Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit der Soldaten der ehemaligen Waffen-SS“ (HIAG) im „Ratskeller“ in Hamburg Stellingen. Das Treffen mit den ehemaligen Mitgliedern der Waffen-SS hatte die Hamburger „Burschenschaft Chattia“ organisiert. Noch im gleichen Monat nahm Volker Fuchs, gemeinsam mit weiteren Mitgliedern der Hamburger Neonaziszene, an einem NPD-Aufmarsch in Neubrandenburg teil. Auch während einer NPD-Demonstration im Hamburger Stadtteil Wandsbeck, im Oktober des gleichen Jahres, konnte Fuchs mit Anwesenheit glänzen. Seine Teilnahme war indes nicht dem Zufall geschuldet. Vielmehr gehörte der Szenehändler spätestens seit dem Jahr 2006 zum kurzweiligen Kern der militanten Kameradschaftsszene in Hamburg Bergedorf.

Die parteiunabhängige Neonaziszene verfügte zu jenem Zeitpunkt über zwei feste Koordinationspunkte im Hamburger Stadtgebiet. Dabei handelte es sich zum einen um das sogenannte „Aktionsbüro Norddeutschland“ (AB-Nord), welches sich vor allem um die langjährigen Neonazifunktionäre Tobias Thiessen und Inge Nottelmann gruppierte, sowie einem weiteren Vernetzungstreffen in Hamburg Bergedorf. Bei den Führungsfunktionären der Bergedorfer Zusammenkunft handelte es sich unter anderem um die Hamburger Neonazis Torben Klebe und Jan Steffen Holthussen. Beides ehemalige Führungskader des „Hamburger Sturms“. Nach Ansicht der Hamburger Innenbehörde verherrlichte der „Hamburger Sturm“ das NS-Regime und sah sich in Tradition des Nationalsozialismus. Die Gruppierung, welche enge Verbindungen zur wenig später verbotenen „Blood & Honour – Sektion Nordmark“ besaß, sowie eine gleichnamige Publikation wurden am 10. August 2000 verboten. Nach dem Wegfall des "Hamburger Sturms" organisierten sich Neonazis wie Klebe und Holthussen daraufhin in dem Bergedorfer Vernetzungstreffen. Neben Karl-Heinrich Goebel, dem zeitweiliger Vorsitzenden des NPD-Kreisverbandes Wandsbeck gehörte auch Volker Fuchs zum Inventar der „Bergedorfer Runde“. Hier wurden und werden politische Absprachen getroffen, Kampagnen und Demonstrationen geplant.

Doppelt hält besser: „(Un)-breakable Streetwear“ und andere Verbindungen


Das Bergedorfer Vernetzungstreffen entwickelte sich für Fuchs zu einem lukrativen Unterfangen. Hier soll sich der zuvor gescheiterte Szenehändler, dass Startkapital für einen erneuten geschäftlichen Anlauf besorgt haben. Diese finanzielle Unterstützung wurde Fuchs für den Ankauf von einschlägigen Bekleidungsprodukten, wie beispielsweise Thor-Steinar Sortimenten überlassen. Hintergründiges Ziel der Beteiligten: Die Schaffung einer festen Anlaufstelle, eines Treffpunktes der Hamburger Neonaziszene. Eine ähnlich finanzkräftige Unterstützung soll Fuchs bereits bei der Gründung des „Odin & Freya“ erhalten haben. Im Februar 2007 wurde schließlich das Bekleidungsgeschäft "Unbreakable Streetwear", nahe der Hamburger Bürgerweide eröffnet.

Doch auch die neue Wirkungsstätte geriet bereits nach kurze Zeit in die Schlagzeilen der Hansestadt. Anwohner_innen beschwerten sich im April 2009 über Getöse, Lärm und lautstarkes Gegröhle der aus dem Inneren des „Unbreakable-Streetwear“ drang. Eine Gruppe von etwa 15 Neonazis hatte sich im „Unbreakable“ versammelt und offenbar den Geburtstag von Adolf Hitler gefeiert. Die alarmierte Polizei beendet daraufhin die Zusammenkunft. Ein beschlagnahmter Erdbeerkuchen gehörte dann zu den eher skurrilen Begleiterscheinungen des Abends. Ähnlich wie „Odin & Freya“ blieb auch das Ladengeschäft des „Unbreakable Streetwear“ keine dauerhafte Erscheinung. Kurze Zeit später kündigte die „Hanseatische Baugenossenschaft“ Volker Fuchs das Mietverhältnis und ließ den Geschäftsbetrieb im September des gleichen Jahres zwangsräumen.

Die Verbindungen des umtriebigen Geschäftsmannes Volker Fuchs gingen indes weit über die Neonaziszene hinaus und reichten bis in die Grauzonen organisierter Kriminalität. Neben der Hooliganszene, in der sich Fuchs zuweilen auch selbst tat- und schlagkräftig engagierte, konnte Fuchs in gewissen Teilen Verbindungen zu Mitglieder Rockerclubs „Hells Angels“ aufbauen. Dabei ging es dem „Szenehändler“ vordergründig um Abschreckungszwecke. Die Unversehrtheit seines Ladengschäfts waren ihm dabei ein besonders Anliegen. Mehrfach drohte der Hamburger Neonazi politischen Gegner_innen im Falle von Protesten mit „Vergeltungsmaßnahmen“ von Mitgliedern des Rockerclubs. Zu Unterstreichung diesbezüglicher Verbindungen prangten auf den Außentüren seiner Geschäftsräume auch die obligatorischen Aufkleber der „Höllenengel“.

Auf rein oberflächliche Kontakte scheinen sich diese Verbindungen nicht beschränkt zu haben. Die geschäftlichen Beziehungen erlaubten es Fuchs zumindest, neben Szenemarken der Hooligan- und Neonaziszene, auch Hemden sowie Erkennungszeichen der „Hells Angels“ zu veräußern. Ob diese Verbindungen, den umtriebigen Geschäftsmann Volker Fuchs schließlich dazu motivierten, ebenfalls einen Fuß in das Hamburger Rotlichtmilleu zu setzen, bleibt allerdings das Geheimnis des „Szenehändlers“. Innerhalb der militanten Neonaziszene sind seine Ausflüge ins „Milleu“ und speziellen Etablissements keineswegs unbekannt. Nicht nur hinter vorgehaltener Hand erzählt man sich hier „das der Volker da was laufen habe“. Nach dem unerwarteten Verlust seiner Geschäftsräume verstärkte Fuchs seine Aktivitäten in diesem Wirtschaftsbereich noch und verschwand kurze Zeit später von der politischen Bildfläche um nun im August 2009 wieder im niedersächsischen Bad Nenndorf in Erscheinug zu treten. Einen Auftritt den Volker Fuchs, angesichts des Tod seines Hundes, sicherlich anders geplant hatte. Um sich abschließend erneut eines Sprichworts zu bedienen, stellt sich - zumindest im Bezug auf den Umgang mit seinem Haustier - die Frage: "Der Fuchs ist schlau und stellt sich dumm" - ist es beim Volker etwa andersrum?