26.08.2009 / Ungarn: Polizei löst Vereidigungsfeier der Ungarischen Garde auf

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Trotz des gerichtlichen Verbotes ihrer Organisationsstrukturen treten militante Mitglieder der paramilitärischen „Magyar Garda“ in Ungarn weiterhin in die Öffentlichkeit. So auch am gestrigen Samstag im ungarischen Szentendre, wo sich rund 500, zum Teil uniformierte Anhänger_innen der Gruppierung versammelten, um an einer Vereidigungszeremonie neuer Rekruten teilzunehmen. Unbehelligt blieb das Treffen nicht: Polizeieinheiten umstellten die Zusammenkunft und lösten die Veranstaltung schließlich auf.

Ursprünglich sollte die am vergangenen Samstag, zumindest aus Sicht der „Magyar Garda“ (Ungarischen Garde) unfreiwillig beendete Veranstaltung, auf dem sogenannten „Heldenplatz“ im Zentrum der Landeshauptstadt Budapest stattfinden. Ein geschichtsträchtiger Ort, der bereits in der Vergangenheit mehrfach die öffentlichkeitswirksame Bühne für ähnliche Vereidigungszeremonien der Gardeorganisation bildete. Wiederholt wurden hier die neuen Mitglieder und Rekruten der ultranationalistischen Gruppierung vereidigt und feierlich in die Organisationsstrukturen aufgenommen. Zwar untersagte ein Budapester Gericht die für den vergangenen Samstag geplante Vereidigungsfeier, doch es blieb ein Urteil mit nur geringer Weisungskraft. Die „Garde“ wich aus und verlegte die Veranstaltung kurzerhand in die rund 30 Kilometer von Budapest entfernte Ortschaft Szentendre. Die im Vorfeld öffentlich unter der Bezeichnung „Familientag“ beworbene Vereidigungsfeier, führten nicht nur in Ungarn zu erheblichen Irritationen. Nicht zuletzt, nachdem ein Gericht die Vereinsstrukturen der „Ungarische Garde“, im Juli diesen Jahres endgültig verbot, die Existenz dieser Gruppierung somit der Vergangenheit angehören sollte.

Die ultranationalistische Partei „Jobbik“ („Bewegung für ein besseres Ungarn“), welche bei den diesjährigen Europawahlen fast 15% der Stimmen auf sich vereinigen konnte, hatte die „Magyar Garda“ im März 2007 als eine Art Jugendverein bei den zuständigen Behörden angemeldet. Doch bereits eineinhalb Jahre später, im Dezember 2008, fällten ungarisches Richter_innen eine Verbotsentscheidung zum Nachteil der Gardeorganisation. Rassistische wie antisemitische Rhetorik, gepaart von einer aggressive Stimmungsmache gegen Angehörige der Roma-Minderheit sorgten für die Einleitung des Verfahrens. Seit ihrer Gründung hatten die uniformierten Anhänger_innen der „Garde“ wiederholt Aufmärsche durch Dörfer mit einem hohem Bevölkerungsanteil der Roma-Minderheit durchgeführt. Den Machtdemonstrationen und Einschüchterungsversuchen folgte in den vergangenen Jahren eine Welle von Gewalt und Mordanschlägen mit mehreren Toten.

Ob ein direkter Zusammenhang mit den Aufmärschen der "Garde" und den Anschlägen bestand, ist in Ungarn derzeit die Fragestellung einer 100-köpfigen Sonderkommission der ungarischen Polizei. Sicher erscheint: Die Agitationen der "Garde" bereiteten zumindest das Feld für das offene Aufflammen antisemitischer und Roma-feindlicher Aktivitäten. Am vergangenen Freitag vermeldete die Polizei nun einen ersten Fahndungserfolg bei der Suche nach den Verantwortlichen für die Serie von Attentaten auf Roma-Familien. Vier Männer, welche der Neonaziszene Ungarns zugerechnet werden, wurden festgenommen. Laut Angaben des Polizeipräsidenten József Bencze hätten sie eindeutig aus rassistischen Motiven gehandelt.

Rassistische Motive die auch in der Gardeorganisationen einen hohen Stellenwert genießen. Beschworene Feindbilder sind das „internationale Judentum“ und die als „Zigeunerbanden“ bezeichnete Roma-Minderheit. Nach Auffassung der „Magyar Garda“ gelte es vor allem „die Jugend geistig und körperlich auf außerordentliche Situationen vorzubereiten, falls es nötig wird, das Volk zu mobilisieren. So lautete es zumindest in der Satzung der Vereinsorganisation. Zur Durchsetzung der gesteckten Ziele „werde man sich bewaffnen“, verkündeten deren Funktionäre in der Vergangenheit ungeniert. Die Gruppierung versteht sich dabei als militante Bürgerwehr im „Dienste der Nation“ - der Sturz der als liberal empfundenen Regierung gehört zum innewohnenden Glaubensbekentniss. Als im März 2009 Ministerpräsident Ferenc Gyurcsany, nach tagelangen Krawallen und Straßenkämpfen in der ungarischen Landeshaupstadt von seinem Amt zurücktrat, war dies auch auf die Aktivitäten der Gardeorganisation und und ihrer „Mutterpartei“, der „Jobbik“ zurückzuführen. Die gewalttätigen Ausschreitungen begannen nach einer Vereidigungsfeier der „Ungarischen Garde“.

Der militärische Habitus, Uniformen wie auch die Organisationszeichen der „Magyar Garda“ wecken nicht nur bei Außenstehenden Erinnerungen an ein dunkles Kapitel der ungarischen Geschichte. Als Erkennungszeichen findet, ähnlich wie auch bei ungarischen Neonazigruppen die sogenannte Árpád-Fahne Verwendung. Ein traditionelles Symbol welches in der Vergangenheit ebenfalls die sogenannten „Pfeilkreuzer“ nutzten. Jene Organisation ungarischer Faschisten, die während der Besetzung Ungarns, im Verlauf des zweiten Weltkriegs mit den NS-Regime kooperierten und in dem mitteleuropäischen Land ein Schreckensregime errichteten. In einer Terrorwelle ermordeten deren Anhänger_innen zehntausende politische Gegner_innen und ungarische Bürger jüdischen Glaubens. Später deportierten die „Pfeilkreuzer“ zu hunderttausenden ungarischen Juden in Konzentrations- und Vernichtungslager. Schätzungen zufolge fielen rund 600.000 Juden der faschistischen Pfeilkreuzer-Diktatur zum Opfer.

Die rot-weiß gestreiften Árpád-Fahne der „Pfeilkreuzer“ wehten nun auch am vergangenen Wochenende auf einem Privatgrundstück in der ungarischen Ortschaft Szentendre. Mit Reisebussen hatten „Jobbik“ und die „Magyar Garda“ ihre Anhänger_innen in die nördlich von Budapest gelegene Gemeinde gebracht. Neben den rund 500, zum Großteil uniformierten Garde-Rekruten, die auf verbotene „Magyar Garda“ eingeschworen werden sollten, versammelten sich ebenfalls knapp 1000 Schaulustige und Sympathisanten um der Veranstaltung beizuwohnen. Auch die Polizei traf wenig später ein. Nachdem die Sicherheitskräfte die Versammlung für illegal erklärten und Personenkontrollen durchführten, wurden die Beamten als „dreckige Juden“ und „Vaterlandsverräter“ beschimpft. Zu Gewalt kam es nicht. Der ebenfalls in Szentendre anwesende Gabor Vona, Vorsitzender der ultranationalistischen „Jobbik“ verurteilte das Vorgehen der Polizei. Die „Magyar Garda“ sei seinen Worten folgend eine Bewegung die nicht verboten werden könne. Das die Organisation trotz Verbot weiterhin als politischer Faktor in Ungarn angesehen werden kann, zeigen auch Vorkommnisse vom Mittwoch voriger Woche. Die Polizei war gegen Anhänger_innen der Gruppierung eingeschritten, die am Vorabend des Nationalfeiertages im nordungarischen Cheb in Uniform in Erscheinung traten.