28.08.2009 / Plante Mitglied der NPD-Jugend Bombenanschlag?

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Der 22jährigem Stützpunktleiter der NPD-Jugendorganisation „Junge Nationaldemokraten“ (JN) im baden-württembergischen Lörrach, Thomas Baumann, erhielt am gestrigen Mittwoch unerwarteten Besuch. Einsatzkräfte der Polizei durchsuchten seine Wohnräume und beschlagnahmten Beweismittel. Baumann selbst wurde festgenommen. Der NPD-Aktivist steht im Verdacht sich Chemikalien für den Bau von Sprengsätzen beschafft zu haben. Bei der Hausdurchsuchung seien neben Bauteilen von Bomben und hochexplosiven Stoffen ebenfalls Messer und Schusswaffen sichergestellt worden.

Gegen den 22jährigen Thomas Baumann stehen schwere Vorwürfe im Raum. Neben seiner Ausbildung zum Altenpfleger im St. Fridolin Pflegeheim in Lörrach-Stetten, „wo Pflege mit Herz und Kompetenz zu Hause ist“, soll sich Baumann in seiner Freizeit noch anderen, explosiveren Tätigkeiten gewidmet haben. Wie nun bekannt wurde, soll sich der 22jährige in den vergangenen Monaten hochexplosive Chemikalien und Bestandteile zum Bau von Sprengstoffen beschafft haben. Bewaffnet war der nette Altenpfleger von nebenan, bereits vorher: Scharfe Schusswaffen und Messer gehörten zu seinem Inventar. Der Besitz der chemischen Kampfstoffe wirft Fragen auf. Handelt es sich bei Baumann um einen potentiellen Amokläufer? Bilder aus dem baden-württembergischen Winneden, wo ein 17jähriger im März diesen Jahres neun Schüler_innen und drei Lehrer erschoss, werden wach. Doch die Hinweise verdichten sich, das Baumann ganz andere, ideologischere Ziele anvisierte. So soll sich der 22jährige die chemischen Kampfstoffe mithilfe des Vorsitzenden der NPD Lörrach mit dem Ziel beschafft haben, einen Anschlag auf politische Gegner durchzuführen. Baumann ist ebenfalls in der NPD-Parteiorganisation zu Hause und gilt in Baden-Württemberg als zentrales Mitglied der NPD-Jugendorganisation. Als Stützpunktleiter der Lörracher „Jungen Nationaldemokraten“ (JN) isoll der JN-Aktivist zu den Knotenpunkten der NPD Vernetzung in Baden-Württemberg gehört haben.

Baummanns politische Entwicklung reicht indes noch einige Jahre zurück. Vor seiner NPD/JN-Parteikarriere war er in der neonazistischen Skinheadszene Süddeutschlands aktiv. Auch die Strukturen des neonazistischen „Kampfbundes Deutscher Sozialisten“ (KDS) boten Baummann zeitweilig eine politische Heimat. Der „Kampfbund“ galt jahrelang als Besonderheit der Neonaziszene, seine Mitglieder verfolgten die sogenannten Querfrontstrategie. Zu diesem Zweck übernahm der „KDS“ Insignien und Erkennungszeichen der politischen Linken. Ziel war eine Bündnisstrategie zwischen den politischen Lagern um die jeweilige Schlagkraft zu bündeln und letztlich die politische Macht in der Bundesrepublik Deutschland zu übernehmen. Hohe Ziele, deren Realisierung im vergangenen Jahr in weite Ferne rückten. Interne Streitigkeiten führten im Juli 2008 zur Selbstauflösung der Gruppierung. Neben seinen Tätigkeiten im KDS gehörte Thomas Baumann zu den Führungsfiguren einer weiteren Neonazigruppierung. Unter der Bezeichnung „Freie Kräfte Lörrach“ scharrte Baummann seit Jahren neonazistisch-orientierte Jugendlich um sich, band diese in die überregionale Vernetzung der Neonaziszene ein. Solche Verbindungen sollen auch zum selbsternannten „Aktionsbündnis Dreiländereck“ bestanden haben, das jahrelang unter der Bezeichnung „Aktionsbüro Südbaden“ in Erscheinung trat. Sogenannte Aktionsbüros dienen der militanten Neonaziszene als organisatorische Knotenpunkte und existieren im gesamten deutschsprachigen Raum. Im Juli diesen Jahres gründete Baumann schließlich den JN-Stützpunkt Lörrach.

Die neonazistische Skinheadszene gilt Baummann heute als politisch verkommen und „Asozial“. Gegenüber NPD-Parteimitgliedern entschuldigte sich Thomas Baumann regelrecht für seine bisherige politische Sozialisation. Wie weit sich das jetzige JN-Mitglied in den vergangenen Jahren dabei von seinen ehemaligen „Kameraden“ entfernte, zeigt auch ein Kommentar des jungen Neonazis in einschlägigen Internetforen wie thiazi.net. So schrieb Baumann im Juli 2009 unter dem Pseudonym „Julius Evola“ eine persönliche Nachricht an Wolfgang Grunwald, dem derzeitigen NPD-Vorsitzenden von Lörrach. Baummann und Grunweald hatten sich kurze Zeit zuvor auf einem NPD-Grillfest kennengelernt. „Ich war der (damals noch) Skinhead der aufs Auge bekommen hat. Naja. Ich habe mich Charakterlich und politisch-weltanschaulich weiterentwickelt. Die Assozialen nicht. Mittlerweile bin ich Mitglied der JN und ab nächste Woche als Stützpunktleiter auch Mitglied des hiesigen Landesvorstandes.“

Ein vermeintliches Streben nach Anerkennung bestimmte auch Baumanns weiteren Weg in der NPD. Gewissenhaft lieferte Baummann in den vergangenen Wochen die Ergebnisse und Protokolle seiner JN-Gruppe an politische Vorgesetzte. Besonders innig erschien dabei die Verbindung zu Alexander Neidlein, dem stellvertretendem NPD-Landesvorsitzenden in Baden-Würtemberg. Akribisch berichtete Baumann über den bisherigen Verlauf seiner Gruppenarbeit. Am 13.06.2009 kann er jedoch nicht mehr als vier Mitglieder verzeichnen, sowie einen Kassenstand von 43,20 Euro. Selbst die Verständigung mit seinem Vorbild Alexander Neidlein fiel ihm trotz allem Engagements schwer. Arge Schwierigkeiten bereiten ihm vor allem das Sichten von Protokollen. In Emails zeigte sich Baumann empört. Seinen Angaben folgend seinen „die ollen Judenprogramme“ schuld. Die Affinität des jungen Neonazis zu der Person Alexander Neidlein begründet sich wohl nicht zuletzt mit der Lebensgeschichte Neidleins. Dieser sorgte in der Vergangeheit für hinreichende Negativ-Schlagzeilen. 1993 schloss sich der damals 19jähriger r Neonaziaktivist einer faschistischen Söldnergruppe im ehemaligen Jugoslawien an - kämpfte als Teil der kroatischen HSO-Miliz im bosnischen Bürgerkrieg. Wenig später setzte sich Neidlein mit zwei weiteren Neonazis nach Südafrika ab. Zuvor hatten sie eine Postbank im schleswig-holsteinischen Lübeck überfallen und 8.500 DM erbeutet. Am 14. März 1994 lieferte sich die drei Deutschen am Flughafen von Pretoria dann ein Feuergefecht mit südafrikanischen Polizisten. Kurze Zeit später wurde Neidlein auf einer nahegelegenen Farm verhaftet, wegen illegalem Waffenbesitz zu drei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt und in die Bundesrepublik abgeschoben.

Ein Aktivismus der auf den 22jährigen Baumann imponierend gewirkt haben muss. Besonderes Augenmerk legte der Lörracher Neonazi dabei auf die Auseinandersetzung mit politischen Gegner_innen. Baumann soll zu einem Netzwerk von Einzelpersonen gehört haben ,die sich zur Aufgabe gemacht hatten politische Gegner_innen auszuspionieren. Sogenannte „Feindlisten“ wurden angelegt. Diese zielgerichtete „Feindspionage“, sei laut Baumann Kommentaren in einschlägigen Internetforen, "ein wichtiger Bestandteil seiner politischen Arbeit." Bei einem dieser virtuellen Kommunikationsräume handelt es sich um die Internetseite des „Freien Beobachters Bodensee“. Baumann soll die Plattform für „Feindrecherche“ genutzt haben und gemeinsam mit Anhänger_innen diverser Neonazigruppen Austausch über potentielle Gegner_innen betrieben haben. Das Aufstacheln zu Gewalt gehörte dazu. Sätze wie „wenn du gerade richtig Wut verspürst und Bock hast dich abzureagieren kann ich dir kurz ein paar Adressen geben, da kannst du dich dann am Feind auslassen.“ bestimmten ganze Gesprächsabläufe. Baumann selbst hielt sich unter Seinesgleichen nicht zurück: „Die Zecken pennen nicht“, schrieb Baumann. „Wir müssen reagieren. Seid auf der Lauer“.

Der 22jährige war bereits in der Verganheit einschlägig in Erscheinung. Aus seiner politischen Meinung machte er kein Geheimnis und vertrat diese ebenfalls nach außen, notfalls durch Faustschläge und Gewalt. Ein junger Migrant bekam seinen Hass zu spüren, doch das Gerichtsverfahren gegen Baumann wurde eingestellt. Reue über die Attacke scheint Baumann nicht in den Sinn gekommen zu sein. Gegenüber politischen Gesinnungsfreunden äußerte sich Baummann später sichtlich erfreut im Internet: Er habe „nem Polacken weh getan“ doch das ganze sei gegen „ne Zahlung von ca. 200Teuro“ eingestellt worden, so der tief blickende Kommentar. Während er bei politischen Feindbildern nur wenig Fingerspitzengefühl an den Tag legte, versah Baummann seine sonstigen Tätigkeiten mit sozialem Anstrich. So trat der 22jährige während einer NPD Demonstration am 01. Mai 2009, in der Universitätsstadt Ulm, als Mitglied des „Nationalen Sanitätsdienstes“ in Erscheinung. Auch in seiner direkten Umgebung, seiner Nachbarschaft gilt der Auszubildende als freundlicher und hilfsbereiter Junge von nebenan. Risse in diesem Bild sucht man zumindest in Lörrach vergebens. Sein bisheriger Lebenswandel gilt einigen gar als Vorbild. So war Baumann Zeitsoldat bei den „Krisenreaktionskräften“ (KRK) der Bundeswehr. Spätestens nach Beendigung seiner Dienstzeit entwickelte sich der kampfsporterprobte NPD-Aktivist allerdings zum Waffennarr und zum kaufkräftigen Konsumenten von „Survivalprodukten“.

Auch für das äußere Erscheinungsbild innerhalb der Neonaziszene besaß Baummann scheinbar konkrete Vorstellungen: „Nacken rassiert, Ohren rassiert, in der Mitte Haare damit man sie zum Scheitel kämmen kann“. Solcherlei Anregungen holte sich Baumann ebenfalls über einschlägige Internetplattformen wie dem bereits erwähnten thiatzi.net. Hier informiert er sich auch über Bücher wie zum Beispiel „Der Internationale Jude“ und „Mosaistisch Jüdischer Imperialismus (3000 Jahre hebräischer Schleichwege zur Weltherrschaft)“. Baumann machte auch im virtuellen Raum keinen Hehl aus seinen Absichten: „Ja er interessiert sich für Schusswaffen, besonders für die „9mm Parabellum Pistole CZ-75 Kadet“ mit 15 Schuss. Nach bisherigen Informationen verwirklicht er im Februar 2009 seinen Traum und kauft sich die obig genannte Schusswaffe bei der Firma Atlatus in Lörrach. Was er damit vorhatte bliebt im Hinterstübchen. Unklar bleibt auch der Kauf eines Utensil mit der Bezeichnung „Phantom Totalbody“ Größe M. - einer zweiten Haut, für 89,95 Euro. Normalerweise dient der „Phantom Totalbody“ als ein sogenanntes Sextoy. Doch die Vermutung ist groß das Baumann damit Größeres plante. Verräterische DNA-Spuren und Fingerabdrücke wären mithilfe des Anzuges vermieden worden.

Das Baumann einen Anschlag mit Hilfe der nun aufgefundenen Chemikalien plante, ist nicht auszuschließen. Die Reihe an Bestellung von chemischen Explosivstoffen durch den JN-Aktivisten ist lang. Für eine mögliche Anschlagsplanung spricht auch die Durchsicht von Lektüre, die Baumann über das Internet bezog. Könnten die Buchkäufe „Schwarzpulver für Survival“, „Schwarzpulver und Sprengsalpeter“, „Chemische Kampfstoffe – Giftgase“, sowie „Nitroglyzerin und Dynamit“ noch als typischer Waffenfetischismus eines jugendlichen Interessierten abgetan werden, deuten jedoch spätestens bestellte Anzündlitzen, elektrische Zünder sowie eine ferngesteuerte Zündanlage auf mehr als theoretisches Interesse hin. Hilfe bei der Beschaffung von Explosivstoffen, soll der JN-Funktionär Baumann über einen Zeitraum von anderthalb vom Lörracher NPD-Chef Bauer erhalten haben. Dieser gab Baumann nicht nur Einkaufsratschläge, sondern besorgte ihm auch selbst einen Teil der Chemikalien, wie durch eine Mail an Baumann vom 21.06.2009 ersichtlich wird: „Du hast noch Chemikalien im Wert von ca. 76.- Eur. bei mir, die du über mich bestellt hast.“

Zum explosiven Fundus von Baummann gehörten auch zwei Kilogramm Salpetersäure sowie ebenfalls zwei Kilogramm hochkonzentrierter Schwefelsäure. Allesamt Bestandteile für den Bau von Trinitrotoluol, besser bekannt unter dem Kürzel TNT. Das es sich bei Thomas Baummann lediglich um einen Waffennarr handelt, bleibt weiterhin zweifelhaft. Nach Angaben der „Autonomen Antifa Freiburg“ , welche die Tätigkeiten des JN-Aktivisten über Monate hinweg aufarbeitete, wurde Baumann dabei beobachtet wie er das Autonome Zentrum KTS in Freiburg als mögliches Anschlagsziel auskundschaftete. Die beschlagnahmten Chemikalien waren zumindest geeignet, innerhalb weniger Stunden Sprengstoff herzustellen. "In zwei bis vier Stunden hätte er etwas herstellen können, das mit einer Handgranate vergleichbar ist", sagte Jürgen Winkler von der Polizeidirektion Lörrach auf einer heutigen Pressekonferenz. Auch die Polizei vermutet konkrete Anschlagspläne: Es gibt Anhaltspunkte dafür, dass als wahrscheinliches Anschlagsziel die Kreise der Antifa infrage kommen", so der Kommenatar vom Leiter der Kriminalpolizei Lörrach. Trotz der nun erfolgten Festnahme, des vermeintlichen Bombenlegers Thomas Baumann und der Sicherstellung von zwei Gewehre, einer scharfen Pistole, zwei Reizstoff-Pistolen, zahlreiche Messer, Dolche und Bajonette sowie einem umfangreicher Bestand an Chemikalien kann nur zögerlich Entwarnung gegeben werden. Dieses Urteil ergibt sich nicht zuletzt angesichts des derzeitigen Entwicklungstandes neonazistischer Gruppierungen in Baden-Würtemberg. Bleibt zu hoffen das sich deren Anhänger_innen nicht weiterhin mit Hilfe eines Bombenanschlages auf ihren großen Durchbruch vorbereiten.