17.02.2010 / Tschechien: Tschechische Neonazipartei verboten

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Die tschechische Neonazipartei „Dělnická Strana“ (DS) wurde am gestrigen Mittwoch, dem 17. Februar 2010, mit sofortiger Wirkung verboten. Das Oberste Verwaltungsgericht in Brno gab damit einer Klage der tschechischen Regierung statt, welche sich seit längerem um eine Auflösung der Gruppierung bemühte. Die Richter bescheinigten der DS-Parteiorganisation „chauvinistische und fremdenfeindliche“ Züge. Die „Dělnická Strana“ (Arbeiterpartei) vermittele insbesondere der tschechischen Roma-Minderheit ein „Gefühl der Bedrohung“ und vertrete eine Ideologie, welche offen an die „totalitäre Konstruktion des Nationalsozialismus“ anknüpfe.

Die 2003 gegründete "Dělnická Strana", zu deutsch "Arbeiterpartei", galt bis zu ihrem Verbot als der wohl wichtigste parlamentarische Arm der tschechischen Neonaziszene. Bei den Europawahlen im Juni 2009 konnte die Parteiorganisation mit einem Ergebnis von 1,07 Prozent der abgegebenen Stimmen noch einen Achtungserfolg erzielen und erlangte dadurch auch die Möglichkeit weitere politischen Aktivitäten durch EU-Subventionsmittel finanzieren zu lassen. Die Partei erhielt außerdem rund 30.000 Euro für die Erstattung der Wahlkampfkosten. Finanzmittel, welche wiederum in den diesjährigen Wahlkampf in Tschechien flossen. Noch im März 2009 war ein Verbotsantrag gegen die Partei vor dem Obersten Gerichtshof wegen des "Mangels an überzeugenden Beweisen" gescheitert. Das Gericht begründete dieses Urteil mit Versäumnissen der tschechischen Regierung im Vorfeld des Verfahrens aussagekräftige Gründe für ein Verbot vorzulegen. Nach dem Urteilsspruch bemühte sich das tschechische Innenministerium um eine gründlichere Vorbereitung - mit Erfolg wie das nun verkündete Urteil anschaulich vor Augen führt.

Nach Ansicht der tschechischen Regierung sei die DS ein »Sammelbecken für Extremisten«, welches die »demokratische Grundordnung stürzen« wolle. Nicht ganz unbegründete Vorwürfe: So waren Mitglieder der "Dělnická Strana" (DS) in den Jahren 2008 und 2009 an pogromähnlichen Übergriffen auf die Roma-Minderheit in Tschechien beteiligt. Im November 2008 hatten tschechische Neonazis zum »Sturm« auf eine vorwiegend von Sinti und Roma bewohnte Siedlung in Litvínov aufgerufen. In der nordböhmischen Stadt lieferten sich anschließend Neonazis heftige Straßenschlachten mit einem Großaufgebot der Polizei. Über der Eröffnungsveranstaltung der Zusammenkunft in Litvínov wehten zuvor die Parteibanner der neonazistischen Partei. Neben den Ausschreitungen in Litvínov sorgte die Partei noch für weitere Negativ-Schlagzeilen. Mitglieder der Organisation mussten sich in der Vergangenheit vor tschechischen Gerichten wegen versuchten Mordes und anderer Gewaltdelikte verantworten. So haben vier Neonazis im April letzten Jahres Molotow-Cocktails auf ein, von einer Roma-Familie bewohntes, Haus in der tschechischen Stadt Vítkov geworfen. Das Haus brannte bis auf die Grundmauern nieder. Ein zwei Jahre altes Mädchen wurde dabei schwer verletzt. Vorher waren die Tatverdächtigen als Ordnerkräfte auf Demonstrationen der "Dělnická Strana" in Erscheinung getreten.


Dělnická Strana - Bestandteil europäischer Netzwerke


Die Regierung in Prag begründete das erneute Verbotsverfahren vor allem mit den engen Verbindungen der Partei zu der, schon vor Jahren vom Staat verbotenen, Gruppierung "Národní odpor" (Nationaler Widerstand). Als während der Straßenschlacht in Litvínov Polizeifahrzeuge abgebrannt wurden, agierten Anhänger_innen des "Národní odpor" und der „Dělnická Strana“ Seite an Seite. Die DS-Parteiorganisation unter ihrem Vorsitzenden Tomáš Vandas folgte mit ihrer Annäherung an parteiunabhängige Neonazis dem Konzept deutscher Neonazis. Ähnlich wie die NPD versuchte die tschechische Neonazipartei militante Gruppierungen an sich zu binden: die öffentliche Wahrnehmung sollte dadurch erhöht werden. Neben den Kontakten zum "Národní odpor“ bestanden außerdem Verbindungen zum Netzwerk der „Autonomní nacionalisti“ - einer relativ jungen Neonazistruktur, welche sich am Konzept der „Autonomen Nationalisten“ in der angrenzenden Bundesrepublik orientieren. Die, bis vor wenigen Jahren noch zerstrittenen Lager und Splittergruppen der tschechischen Neonaziszene erkannten hier die Möglichkeiten, welche sich durch die parlamentarischen Aktivitäten der „Dělnická Strana“ eröffneten. So ermöglichte erst dieses Zweckbündnis die erfolgreiche Teilnahme an Wahlen.

Doch die Netzwerke der "Dělnická Strana" verebbten keineswegs an den tschechischen Landesgrenzen sondern griffen auch ins angrenzende europäische Umland über. So unter anderem in die Bundesrepublik zur NPD. Unter der Leitung des NPD-Mitglieds Olaf Rose veranstalteten beide Parteien im Jahr 2008 erstmals ein gemeinsames Arbeitstreffen um die zukünftige Zusammenarbeit zu intensivieren. Bei mehreren Treffen sollten »die Erfahrungen und Strategien der politischen Arbeit« ausgetauscht werden. Weitere Zusammenkünfte folgten. Mitglieder der NPD nahmen in der Vergangenheit an mehreren Aufmärschen in der Tschechischen Republik teil. Und auch die »Dělnická Strana« bemühte sich um grenzübergreifende Kontakte zur hiesigen Neonaziszene. Als im Jahr 2008 mehrere tausend Neonazis an einem Großaufmarsch in der sächsischen Landeshauptstadt Dresden teilnahmen, waren auch die Vertreter_innen der »Dělnická Strana« vor Ort. Und wenige Monate später, im September 2008, hielt der DS-Parteivorsitzende Tomáš Vandas einen Redebeitrag beim sogenannten „Fest der Völker“, einer jährlich in Thüringen stattfindenden Großveranstaltung von Neonazis.

Auch in andere europäische Regionen wurde die Vernetzungsarbeit vorangetrieben. So nahm im Juli 2009 eine DS-Delegation an einem »Internationalen Sommercamp« der Neonaziszene in der benachbarten Slowakei teil. Neben Mitgliedern der tschechischen Neonazipartei »Dělnická Strana« (DS) reisten Neonazis der rumänischen »Noua Dreapta« und der polnischen »Falanga« sowie der »Slovenská pospolitosť« (Slowakische Zusammengehörigkeit) zu dem Treffen an. Auf dem Programm stand neben dem »Austausch von Erfahrungen« auch militärisches Schießtraining. Fotografien, die im Zeltlager entstanden, zeigen Neonazis bei Schießübungen mit Kleinkalibergewehren und Pistolen. Ein ähnliches Zeltlager hatte zuletzt im Jahr 2004 im slowakischen Ludrová stattgefunden. Und als sich im August 2009 slowakische Neonazis in der ostslowakischen Gemeinde Šarišské Michaľany Auseinandersetzungen mit der Polizei lieferten, waren auch die Anhänger_innen der »Dělnická Strana« zugegen.


Neuformierte Ausweichstrukturen stehen bereit


In der Urteilsbegründung des nun erfolgten Verbotes hieß es: “Man muss klar die Werte benennen, für die diese Partei einsteht und eindeutig feststellen, dass eine Ideologie, die an die totalitäre Konstruktion des Nationalsozialismus anknüpft, das Böse darstellt. Das bestehende Rechtssystem der Tschechischen Republik ist mit einer solchen Ideologie unvereinbar.“ Das Verbot dürfte einen empfindlichen Schlag gegen die, zuletzt gesteigerte, parlamentarische Ausrichtung der tschechischen Neonaziszene darstellen. Ob dies allerdings eine langfristige Schwächung zur Folge hat, bleibt hingegen abzuwarten. Der Parteivorsitzende Thomáš Vandas bekräftigte dies schon zu Beginn des Prozesses: „Auch ein Verbot kann uns nicht aufhalten. Für diesen Fall haben wir bereits die entsprechenden Vorbereitungen getroffen."

Die „Dělnická Strana“ bezeichnte die Entscheidung des Gerichts als „politischen Akt“ mit dem Ziel die DS von der Teilnahme an den parlamentarischen Wahlen im Frühjahr auszuschließen. Man plane eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof einzulegen, so die neonazistische Partei weiter. Doch auch im Falle einer erneuten gerichtlichen Niederlage werden ehemalige DS-Mitglieder dem anstehenden Wahlkampf wohl nicht unbeteiligt beiwohnen. Bereits im März 2009 hatten Aktivist_innen und Mitglieder der „Dělnická Strana“ mehrfach darauf hingewiesen, dass trotz eines möglichen Verbotes die Aktivitäten der Partei fortgesetzt würden. Man sei vorbereitet. „Innerhalb von zwei Wochen“ stünden neuformierte Ausweichstrukturen bereit. Lediglich die offizielle Bezeichnung der Partei werde man ändern., so der DS-Vorsitzende Thomas Vandas. Rechtliche Konsequenzen würden daraus nicht erwachsen. Ankündigungen mit Wahrheitsgehalt. Nach tschechischem Recht ist die Gründung von Nachfolge- und Ersatzstrukturen von verbotenen Gruppierungen erlaubt. So soll sich am Sitz der DS-Parteizentrale bereits eine weitere amtlich registrierte Partei niedergelassen haben. Ihr Name: "Arbeiterpartei für soziale gerechtigkeit" (DSSS). Bei der Vorsitzenden handelt es sich um die Mutter von Thomas Vandas.