04.04.2010 / Schönhausen/Elbe: Neonazis ehren Bismarck in Schönhausen/Elbe
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Die Neonaziszene Sachsen-Anhalts entdeckt seit einigen Jahren neue Traditionslinien. Unterstützt vom NPD-Kreisverband Altmark versammelten sich am vergangenen Wochenende knapp 50 AnhängerInnen neonazistischer Splittergruppen in der Gemeinde Schönhausen/Elbe um an den Geburtstag des „Eisernen Kanzlers“, Otto von Bismarck zu erinnern. Der erzkonservative Politiker Bismarck, im April 1815 in Schönhausen/Elbe zur Welt gekommen, wurde in Redebeiträgen zum “größten Sohn, den die Altmark hervorgebracht hat“ verklärt, seine Politik als Leitbild zukünftiger neonazistischer Aktivitäten erkoren.
Zur Erinnerung an den 195. Geburtstag des ersten Kanzlers des sogenannten „zweiten“ Deutschen Reiches, Otto von Bismarck, versammelten sich am Samstag, den 3. April 2010 rund 50 Neonazis aus dem nördlichen Sachsen-Anhalt im altmärkischen Schönhausen/Elbe (Landkreis Stendal). Angemeldet wurde die Zusammenkunft von Kai Belau, einem Mitglied der neonazistischen Tarnorganisation „Altmärkischen Kreis der Bismarckfreunde“ sowie Vorsitzender des lokalen NPD-Kreisverbandes. So war es wenig verwunderlich, dass zum „erlauchten Kreis“ der Veranstaltungsteilnehmer_innen lediglich Vertreter_innen der organisierten Neonaziszene Sachsen-Anhalts gehörten. Im Bereich der Grundmauern des zerstörten Geburtshauses Bismarcks formierten sich schließlich Anhänger_innen der neonazistischen Kameradschaft „Freie Nationalisten Altmark West“, der „Aktionsgruppe Weteritz“ und „Autonome Nationalisten Stendal“ sowie Funktionäre des NPD-Kreisverbandes Altmark.
Wie bereits im vorangegangenen Jahr wurde die anschließende Kundgebung von dem Tangerhütter NPD-Stadtrat Heiko Krause eröffnet. Flankiert von zwei preußischen Kriegsflaggen vereinnahmte er Bismarck als einer der größten Söhne „unseres“ deutschen Volkes sowie den „größten Sohn, den die Altmark hervorgebracht hat“. Der umtriebige NPD Politiker knüpfte damit an das Geschichtsbild der Nationalsozialisten während des NS-Regimes an, welche den „eisernen Kanzler“ in einer Achse mit Adolf Hitler und damit als Vorkämpfer der NS-Bewegung darstellten. Bismarck, der 1862 als frischgebackener preußischer Ministerpräsident mit Hinblick auf die kriegerische Expansionspolitik des „Deutschen Reiches“ verkündete: „Nicht durch Reden, Vereine und Mehrheitsbeschlüsse werden die großen Fragen der Zeit entschieden. Nein, ein ernster Kampf wird nicht zu vermeiden sein, ein Kampf, der nur durch Eisen und Blut entschieden wird“, erscheint dabei als durchaus geeignete Projektionsfläche heutiger Neonazis.
In die gleiche geschichtliche Kerbe schlug auch Hans Rohloff, der zweite Redner der Veranstaltung. In seinem Beitrag verherrlichte er einen angeblichen "Kulturkampf“ Bismarcks gegen die katholische Kirche und glorifizierte in einer langen Rede vor allem dessen Außenpolitik – verklärte diese als friedenstiftenden Akt. Dass diese Außenpolitik für mehrere Kriege verantwortlich zeichnete, wurde geflissentlich übergangen. Doch es gab auch Ansätze von Kritik, die aufzeigten in welche Richtung die Verbundenheit mit dem „Eisernen Kanzler“ verstanden werden darf. Bismarcks Finanzpolitik, insbesondere die relativ schnell organisierten „Reparationszahlungen“ Frankreichs nach dem Krieg 1870/71, wurde von Hans Rohloff heftig kritisiert. Diese Politik hätte vor allem „einen Prestigegewinn für die jüdische Bankiersfamilie Rothschild“ dargestellt und in der Folge deren politischen Einfluss erweitert.
Den verbalen Abschluss des neonazistischen Stelldicheins setzte wiederum Heiko Krause, der die Veranstaltung mit den Worten „Möge das deutsche Reich bestehen, bis Erd und All vergehen“ beendete. Den Höhepunkt der Kundgebung markierte zuvor die feierliche Niederlegung eines „Geburtstagsstraußes“. Die angereisten Neonazis kündigten bereits an sich auch künftig an jedem ersten Wochenende im April in Schönhausen/Elbe zu versammeln. Gegen die jährliche Kundgebung der altmärkischen Neonaziszene regt sich allerdings Widerstand. So engagieren sich vor allem die Bürger_innen der Kleinstadt mit Veranstaltungen und Aktionen gegen die Vereinahmung Bismarcks für neonazistische Zwecke in Schönhausen/Elbe. In diesem Jahr wurde so der gesamte Veranstaltungsort mit Wimpelketten ausgestattet sowie die dort abgestellten Kanonen als Drachen umgestaltet. Eine Aktion, welche darauf abzielte die einschlägige Zusammenkunft zur „Kinderfete“ zu degradieren. Angesichts geistiger Verirrungen von AnhängerInnen lokaler Neonazistrukturen kein gänzlich abwägiges Vorgehen.