29.04.2010 / Moskau: Russische Neonazigruppierung verboten

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Die militante Neonazigruppe „Slavyansky Soyuz“ (SS), zu deutsch „Slawischer Bund“ ist in der vergangenen Woche von den russischen Behörden verboten worden. Das Moskauer Stadtgericht bescheinigte der Gruppierung am vergangenen Dienstag eine rassistische Grundhaltung sowie die aktive Verbreitung einer Ideologie, „welche der des nationalsozialistischen Deutschlands ähnlich sei“. Die Führungsspitze der Organisation kündigte inzwischen an gegen das Urteil vorgehen zu wollen. Nach Ansicht ihres Vorsitzenden werde das Verbot zu einer Zunahme der Gewalt führen: Seine Anhänger würden "Autos anzünden, Kraftwerke sprengen, Beamte ermorden und andere Verbrechen begehen", wenn die Regierung "legalen Nationalismus" eliminiere.

Die Verhandlung fand hinter verschlossenen Türen statt. Man trage damit einem „gestiegenen Sicherheitsbedürfnis Rechnung“, so ein Vertreter der Staatsanwaltschaft gegenüber russischen Medienagenturen. Für die „Slavyansky Soyuz“ (SS) erschien vor dem Stadtgericht Moskau deren Vorsitzender Dmitri Demuschkin. Dessen Verteidigungsrede im Verlauf der Verhandlung stieß jedoch auf nur wenig Gehör: „Bedauerlicherweise zog das Gericht unsere Beweise in Bezug auf die Gesetzmäßigkeit des Slawischen Bundes nicht in Betracht," so der ehemalige Kampfsportler, auf dessen Schulter unübersehbar eine Hakenkreuz-Tätowierung prangt. "Wir werden definitiv den Obersten Gerichtshof anrufen", betonte der russische Neonazifunktionär bereits wenige Minuten nach der Urteilsverkündung. Kurz zuvor war das Gericht dem Antrag der Moskauer Staatsanwaltschaft gefolgt die militante Vereinigung zu verbieten. Die „Slavyansky Soyuz“ verbreite Ideen, in welchen sich der „Nationalsozialismus fortpflanze“. Die Bewegung besitze dabei eine „ideologische Basis, die dem des nationalsozialistischen Deutschlands ähnlich sei“.

Die „Slavyansky Soyuz“ (SS) galt bis zum ihrem Verbot am vergangenen Dienstag als eine der militantesten Splittergruppen organisierter Neonazis in Russland. Enge Verbindungen soll die Gruppierung vor allem zu Anhängern von „Format 18“, einer als äußerst gewalttätig geltenden Neonazigruppe mit Sitz in Moskau, gehabt haben. „Format 18“ sorgte in den vergangenen Jahren bereits für internationale Negativschlagzeilen. Die Gruppierung stellte eine Reihe von Videos ins Internet, welche rassistische Hetzjagden und Übergriffe zeigten. Nach der Festnahme ihres Anführers Maksim Martsinkevich im Jahr 2007, welcher bis dahin unter dem Pseudonym Tesak (Küchenbeil) agierte, schränkte „Format 18“ ihre öffentlichkeitswirksamen Aktivitäten weitestgehend ein. Inzwischen gilt die Gruppe als aufgelöst. Ehemalige Mitglieder sollen sich inzwischen anderen Organisationen angeschlossen haben. Auch die „Slavyansky Soyuz“ (SS) vertrat einen gewalttätigen Kurs. So wurden vier Mitglieder der Neonazi-Organisation zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt. Diese waren an einer Serie von Anschlägen beteiligt, unter anderem an einem Sprengstoffanschlag im Jahr 2006 bei dem 14 Menschen, darunter zwei Kleinkinder, auf einem Moskauer Marktplatz ums Leben kamen.

Menschenrechtsaktivist_innen beklagen seit Jahren die wachsende Brutalität neonazistischer Gruppen in Russland. Allein in diesem Jahr wurden in Russland bereits Dutzende Menschen von militanten Neonazis getötet. Neben russischen Antifaschist_innen sind besonders Zuwanderer_innen aus zentralasiatischen Republiken wie Tadschikistan, Kirgisien und Usbekistan das Ziel der oft tödlich endenden Attacken. Im Jahr 2009 wurden mindestens 71 Menschen getötet, 333 Personen zum Teil schwer verletzt. Im Jahr zuvor waren es 109 Menschen, welche die gewaltsamen Angriffe mit dem Leben bezahlen mussten. Erst vor wenigen Wochen war ein Moskauer Richter, welcher für sein Engagement gegen Neonazis bekannt war, von einem Auftragskiller vor seiner Wohnung erschossen worden. Inwieweit die Ankündigung der „Slavyansky Soyuz“ (SS) gegen die nun verhängte Verbotsverfügung vorgehen zu wollen von Erfolg beschieden ist, wird die Zukunft zeigen. Unverhohlen drohte deren Vorsitzender Demuschkin derweil mit Gewaltakten. Man werde "Autos anzünden“ und „Kraftwerke sprengen“. Ob die im gleichen Atemzug getätigte Ankündigung russische Beamte zu ermorden einer Aufhebung des Verbotes dienlich sein wird, bleibt allerdings zweifelhaft.