01.05.2011 / Prag: 1. Mai in Prag – Tschechische Neonazis im Abseits?

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Ähnlich wie in der Bundesrepublik versuchten NeofaschistInnen auch im benachbarten Tschechien die klassisch linke Tradition des „Internationalen Tages der Arbeit“ für die eigenen propagandistischen Zwecke zu nutzen. So auch in diesem Jahr, als sich etwa 100 AnhängerInnen der erst kürzlich gegründeten Neonazipartei „Dělnická strana sociální spravedlnosti (DSSS)“ zu einer Kundgebung in der Prager Innenstadt versammelten. Die geringe Beteiligung lässt auch auf die aktuelle Relevanz der DSSS in Tschechien schließen. Für die anstehenden Parlamentswahlen werden der neonazistischen Partei nur sehr begrenzte Wahlerfolge prognostiziert.

Im Vergleich zu den Vorjahren war die Szenerie am vergangenen Samstag auf dem „Náměstí Jiřího z Poděbrad“ in Prag vor allem von Leere geprägt. Waren 2008 und 2009 noch mehrere hundert NeofaschistInnen zu der Veranstaltung im Herzen der tschechischen Hauptstadt angereist, ließen die TeilnehmerInnenzahlen des diesjährigen Aufmarsches eklatante Mobilisierungsprobleme erkennen. So folgten in diesem Jahr lediglich hundert UnterstützerInnen dem Aufruf der tschechischen Neonazipartei. Eine nicht ganz unbegründete Boykotthaltung. Nachdem im Zuge des DS-Verbotsverfahrens, einer Vorgängerorganisation der DSSS („Arbeiterpartei der sozialen Gerechtigkeit“), mehrere Parteimitglieder vorübergehend inhaftiert wurden, hatte sich die DS-Führungsspitze von diesen und militanten Teilen der rechtsradikalen Szene distanziert. Vor allem AktivistInnen der „Autonomen Nationalisten“ und des militanten Neonazi-Netzwerks „Národní odpor“ („Nationaler Widerstand“) reagierten auf diese Imagekampagne mit großen Unmut und bleiben seitdem jeglichen öffentlichen Aktionen der Nachfolgepartei DSSS fern.

Der DSSS-Parteivorsitzende Tomáš Vandas, in Tschechien als langjähriger Neonazifunktionär überregional bekannt, hatte bis zum Januar 2010 bereits die „Dělnická Strana (DS)“ angeführt. Nachdem ein erstes Verbotsverfahren im Sommer 2009 gescheitert war, hatte das tschechische Innenministerium Anfang diesen Jahres, zeitgleich mit Razzien in mehreren Städten, die Partei mit Berufung auf deren Verfassungsfeindlichkeit verbieten lassen. Da die Verbotsverfügung sich aber lediglich auf die DS selbst und nicht auf eventuelle Nachfolgestrukturen erstreckte, meldeten Prager Neonazikader schon im Vorfeld des Verbots die jetzt zur Nachfolgepartei gewordenen DSSS an – offizielle Anmelderin der Partei ist nun die Mutter Tomáš Vandas. Noch unter dem Namen der DS hatten Vandas und Mitglieder der NPD versucht, die Kontakte zwischen den Parteien zu intensivieren und in regen Austausch zu treten, was sich seit dem formellen Verbot nicht geändert hat.

Aufgrund der am kommenden Sonntag anstehenden Parlamentswahlen verzichteten antifaschistische Gruppen auf eine direkte Gegendemonstration. Eine Sprecherin der „Antifašistická akce“ („Antifaschistische Aktion“) erklärte am Samstag im Rahmen des alternativen Festivals „MayDay“, man wolle „einem Missbrauch antifaschistischer Proteste für Wahlkampfzwecke egal welcher Parteien“ vorbeugen und – entgegen der sonstigen Praxis – eine Woche vor dem Urnengang der DSSS „nicht mehr Aufmerksamkeit zukommen lassen, als nötig“. Bei den Europawahlen im vergangenen Jahr konnte die DS mit mehr als 26.000 Stimmen rund 1% der Gesamtstimmen auf sich vereinen und kam somit in den Genuss einer vollen Wahlkampfkostenrückerstattung. Für den kommenden Sonntag könnte die DSSS, nach Ansicht tschechischer Wahlforscher_innen, an dieser Hürde allerdings scheitern. In diesem Fall dürften sich zu den schon vorhandenen Schwierigkeiten der DSSS auch bald noch finanzielle Engpässe gesellen.