11.06.2016: Wiedermal Rechtsrock in Schleswig-Holstein
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Am Samstag, den 11. Juni 2016 fand in Schleswig-Holstein ein Konzert der Rechtsrockband „Kategorie C“ statt. Etwa 50 bis 60 Anhänger*Innen der Neonaziszene versammelten sich zu diesem Zweck in der Gemeinde Koberg. Nahezu ungestört konnte die Veranstaltung durchgeführt werden.
Zahlreichen Anhänger*Innen der parteifreien Neonaziszene waren am vergangenen Samstag in Koberg zugegen. Über einen Schleusungspunkt an der Raststätte Gudow wurden diese zu dem etwa 25 Kilometer entfernten Veranstaltungsort im Kreis Herzogtum Lauenburg geleitet. Darunter auch der Hamburger Neonazifunktionär Torben Klebe, welcher in der norddeutschen Neonaziszene beileibe kein Unbekannter ist. Bekleidete er doch bis zum Jahr 2014 den Landesvorsitz der NPD-Hamburg. Der 1976 geborene Klebe gehörte ferner bis zum Jahr 2000 zu den Führungskräften der im Jahr 2000 verbotenen Kameradschaftsgruppe „Hamburger Sturm“ sowie des im gleichen Jahr verbotenen Neonazi-Netzwerks „Blood & Honour“ (B&H). Dieses, in mehreren europäischen Ländern legal fortbestehende Netzwerk, verfolgt das Ziel neonazistische Ideologie mittels Musik und Konzertveranstaltungen gezielt zu verbreiten.
Neben Neonazifunktionären wie Torben Klebe dürfte auch die Anwesenheit weiterer Szenegrößen eine gewisse Anziehungskraft auf die anreisenden Neonazis ausgeübt haben. Zu diesen dürften die Bandmitgliedern der Rechtsrockgruppe "Nahkampf" gezählt werden. Deren Bandmitglieder sind mit denen der Rechtsrock- und Hooligan-Band „Kategorie C“ zum Teil deckungsgleich. So tritt der Bremer Neonazi Hannes Ostendorf als Sänger beider Formationen zumeist lautstark in Erscheinung, zuletzt im Mai 2016 auf dem sogenannten „Eichsfeldtag“, einer regelmäßig stattfindenden Neonaziveranstaltung im nördlichen Thüringen.
Anders als „Kategorie C“ wird die 1988 in Bremen gegründete Rechtsrock-Band "Nahkampf", dem im Deutschland verbotenen Neonazi-Netzwerk von "Blood & Honour" zugerechnet, wie deren in der Vergangenheit öffentlich gewordene Zusammenarbeit mit dem B&H Label „ISD-Record“ nahelegt. In den vergangenen Jahren verschwand die Musikgruppe allerdings weitestgehend aus der öffentlichen Wahrnehmung. Dies änderte sich jüngst mit der diesjährigen Veröffentlichung eines neuen Albums, welches nun über die Internetpräsenz der Band "Kategorie C" vertreiben wird.
Und auch der Veranstaltungsort besitzt seine Geschichte: So bildete die Koberger Gaststätte „Zum Koppelkaten“ bereits im November 2013 die Bühne für eine als Geburtstagsfeier angemeldete Konzertveranstaltung. Bereits damals bestanden offensichtliche Verbindungen zur militanten Neonaziszene. So trat als Organisator ein ehemaliger Aktivist von „Blood & Honour Deutschland“ in Erscheinung. Dieser trat auch nach dem Verbot der B&H-Organisation im Jahr 2000 immer wieder als Veranstalter von einschlägigen Konzerten in Erscheinung. Darunter auch Konzerte der Rechtsrock-Band „Kategorie C“, die nun am vergangenen Samstag ihren Auftritt in Koberg absolvierten.
Das Pikante dabei: Aufgrund der Ereignisse am 23. November 2013 verabschiedete die Gemeinde Koberg eine Resolution gegen Rechtsextremismus und beschloss darin weitere Veranstaltungen dieser Art in der Gemeinde zu verhindern. In dem Wortlaut der Resolution hieß es dazu: "Wir nehmen dieses jüngste Ereignis in Koberg nicht nur mit großer Sorge, sondern mit ebenso großer Entschlossenheit zur Kenntnis. Wir werden es nicht zulassen, dass sich derart verblendete Menschen hier in Koberg ungestört treffen können und ihre Weltanschauung verbreiten, wenn auch im Verborgenen." Mit Fritz B., dem Betreiber der Gaststätte „Zum Kappelkaten“ habe man mit Nachdruck das Gespräch gesucht, so der Bürgermeister der kleinen Gemeinde. Der Gastwirt habe dabei versichert seine Räumlichkeiten nicht mehr für die Neonaziszene zur Verfügung zu stellen. Zumindest für Fritz B. schien diese Erklärung jedoch nur wenig Bestand zu besitzen.
Trotz dieser Hintergründe schienen sich die zuständigen Sicherheitsbehörden am vergangenen Wochenende nur latent für die Ereignisse in Koberg zu interessieren. Und dies obwohl entsprechende Warnungen im Vorfeld kursierten. So verbreitete das Landeskriminalamt in dem nördlichen Bundesland Tage zuvor einen entsprechenden Hinweis für das, ursprünglich in Westmecklenburg angekündigten Konzert. Es sei nicht auszuschließen, dass die Veranstaltung in Schleswig-Holstein stattfinden könne. Angesichts der nun nahezu ungestört durchgeführten Veranstaltung, blieb es jedoch eine Warnung mit allzu geringer Wirkungskraft.
Denn obwohl die lokalen Polizeibehörden, nach Angaben der örtlichen Polizeistation, bereits eine Stunde vor dem eigentlichen Beginn der Veranstaltung Kenntnis über den Konzertort in Koberg besaßen, wurde das Konzert mit der ideologische Begleitmusik zu „Mord und Totschlag“ weder verhindert, noch fanden Kontrollen statt. Auf Weisung des Kriminaldienstes der Polizeidirektion Lübeck wurden stattdessen alle lokalen Polizeikräfte angewiesen sich keinesfalls mit Einsatzfahrzeugen dem Veranstaltungsort zu nähern. Erst nach etwa zwei Stunden erschien ein Zivilfahrzeug des Lübecker Kriminaldienstes im Bereich der Gemeinde Koberg, um sich anschließend in Hörweite des Rechtsrockkonzertes zu positionieren.
Weiterer Handlungsbedarf wurde von den eingesetzten Beamten an diesem Abend indes nicht gesehen. Und dies trotz massiver Außenwirkung der Konzertveranstaltung. So war die Musik mitsamt begleitender Textzeilen über mehrere hundert Meter im Ort zu vernehmen. Auch ein mit Funkgeräten ausgerüsteter Sicherheitsdienst der Neonaziszene, welche im Verlauf des Abends in der Gemeinde patrouillierten, schien nicht zur Beunruhigung der Polizeibeamten beigetragen zu haben. Und obwohl die Außenwirkung des Konzertes von den Beamten auf Nachfrage durch anwesende Pressevertreterinnen bestätigt wurde, verließ die Polizei noch vor Beendigung des Konzertes die Gemeinde Koberg und sicherten somit einen ungestörten Fortgang der Veranstaltung.
Das Vorgehen des Kriminaldienstes Lübeck irritierte, wenige Tage nach der durchgeführten Veranstaltung nicht nur den ehrenamtlichen Bürgermeister der Gemeinde Koberg. Auch diverse Pressestellen der Polizei in Schleswig-Holstein zeigten sich auf Nachfrage unangenehm überrascht. Die verfrühte Abreise der eingesetzten (Fach-)Beamten führte dazu, das die polizeilichen Pressestellen weder in der Lage waren verifizierte Angaben über die Anzahl von Teilnehmer*innen zu machen, noch aus welchen Bundesländern diese stammten. Auch Anfragen über mögliche Straftaten im Rahmen des Konzertes erübrigten sich, verzichteten die eingesetzten Polizeibeamte doch darauf die Räumlichkeiten sowie die angereisten Neonazis näher in Augenschein zu nehmen.
Die lediglich von Pressevertreter*innen dokumentierten 50 bis 60 angereisten Neonazis aus insgesamt sieben Bundesländern dürften sich, angesichts des Vorgehens der Polizei, sehr zufrieden mit dem Verlauf des Abends gezeigt haben. „Doch das werden wir nicht so stehen lassen“, so der Bürgermeister der Gemeinde Koberg. Es sei wichtig bereits den Anfängen zu wehren und man positioniere sich entschieden gegen Neonazis und deren Aktivitäten, so der Bürgermeister weiter. Man werde auf eine Aufarbeitung der Vorgänge vom vergangenen Wochenende drängen. Auch das Vorgehen der Polizei wird aus Sicht des Bürgermeisters dabei ein gewichtige Rolle zu spielen haben.