27.01.2009 / Verden/Bremen: NPD Umtrunk im Sachsenhain vorzeitig beendet

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Das interne Treffen von Neonazis aus der Region Bremen endete für die beteiligten Teilnehmer_innen sichtlich unerwartet auf einem Rastplatz der Autobahn. Wenige Stunden zuvor hatten sich die Mitglieder des NPD Landesverbandes Bremen sowie der parteiunabhängigen »Freien Nationalisten Bremen« zu einer Veranstaltung auf dem Gelände des Sachsenhains im Landkreis Verden zusammengefunden. Nachdem die angereisten Neonazis, allerdings auf dem im Privatbesitz befindlichen Areal ein Feuer entfachten, wurde eine Fortführung der Versammlung durch die herbeigerufene Einsatzkräfte der Polizei unterbunden.

Das weitläufige Gelände des Sachsenhains ist seit Jahrzehnten ein beliebtes Ausflugsziel für Reisegruppen und Spaziergänger_innen. Seit dem Jahr 1950 befindet es sich im Privatbesitz der evangelischen Landeskirche Hannover, welche dort eine Bildungs- und Tagungsstätte betreibt. Die geschichtlichen Ursprünge des Sachsenhains lockten in der Vergangenheit allerdings nicht nur unpolitische Ausflügler_innen auf die ringförmig aufgebaute Anlage. Beim Sachsenhein handelt es sich um eine ursprünglich vom nationalsozialistische Regime errichteten »Heidnischen Kultstätte« zum Gedenken an eine unter anderem von der NSDAP propagierten Legende einer massenhaften Hinrichtung heidnischer Sachsen im Zuge der Eroberungspolitik der Franken im 7. Jahrhundert. Unter der Leitung von Heinrich Himmler, dem Reichsführer der später als verbrecherische Organisation verbotenen Schutzstaffel (SS) wurde die Anlage konzipiert, errichtet und im Juni 1935 in einem feierlichen Festakt eingeweiht. Auch eine SS-Schulungsstätte war der »Kultstätte« in Verden angegliedert.

Die Legende von der Hinrichtung der heidnischen Sachsen in Verden blieb allerdings auch nach dem 2ten Weltkrieg erhalten. In der jüngeren Vergangenheit diente das Gelände dann auch als Wallfahrtsort neonazistischer Gruppierungen wie beispielsweise der neonazistischen Vereinsorganisation »Artgemeinschaft e.V«, einer völkisch-rassistischen Sektengruppe um das NPD Bundesvorstandmitglied Jürgen Rieger. In Anlehnung an die vorangegangene nationalsozialistische Propaganda über die Geschichte des Sachsenhains veröffentlichte der bekennende Rassist und Hamburger Rechtsanwalt vor wenigen Jahren bereits eine ideologisch einschlägige Broschüre zu dem Areal. Nachdem Jürgen Rieger im Jahr 2004 die ehemalige Bundeswehrliegenschaft des Heisenhof im nahegelegenen Dörverden erworben hatte, bemühten sich in der Folgezeit ebenfalls Mitglieder der NPD Verden um das Gelände des Sachsenhains. Eine gleichnamige Internetseite des Sachsenhains wurde nur wenig später durch den Neonazi Sven Wellhausen, derzeitig Kreisbereichsleiter der NPD in Verden angemeldet. Aus ihrer politischen Motivation in diesem Zusammenhang machten die Mitglieder der NPD Verden kein großes Geheimnis. Besucher_innen der Internetpräsenz werden hier von dem Parteibanner der neonazistischen »Jungen Nationaldemokraten« begrüßt. »Hier entsteht eine neue JN-Weltnetzseite« lautet der dort bereits im Jahr 2006 von den Betreibern hinterlassene Kommentar.


Wandern und Trinken als politisches Erlebnis der Nationaldemokraten


Auch für Neonazis aus der Hansestadt Bremen besitzt der Sachsenhain eine entsprechend völkische Anziehungskraft. Am vergangenen Sonntag, den 25.01.2009 reiste nun eine Gruppe von etwa 15 Personen in das niedersächsische Verden. Der kleine Autokonvoi der neonazistischen Reisegruppe erreichte bereits am Vormittag das Gelände des Sachsenhains. Unter der Leitung von Horst Görmann, seines Zeichens Landesvorsitzenden der NPD Bremen, führten der Weg der Neonazis dann zu einer Wanderung der Gruppe über das Areal. An dem »NPD Spaziergang« beteiligten sich neben Mitgliedern der NPD Bremen ebenfalls mehrere Aktivisten der parteiunabhängigen Gruppierung »Freie Nationalisten Bremen«. Auch der langjährige Neonazikader Markus Oliver Privenau beteiligte sich an der Veranstaltung. Bei dem als extrem gewaltbereit geltenden Markus Privenau handelt es sich um den ehemaligen Landesvorsitzenden der im Jahr 1995, aufgrund ihrer Verfassungswidrigkeit verbotenen »Freiheitlichen Arbeiterpartei Deutschland« (FAP). Politische Funktionen übernahm Privenau in der Vergangenheit als Kreisbereichsleiter ebenfalls in den Parteistrukturen der Bremer NPD.

Die angereisten Neonazis aus der Hansestadt Bremen begründeten ihre Zusammenkunft auf dem Geländes des Sachsenhains mit nationalsozialistischer Legendenbildung. In einer später veröffentlichten Stellungnahme ereifert sich dann auch ein Mitglied der »Freien Nationalisten Bremen« über das Verhalten der evangelischen Landeskirche, welche »durch das Aufstellen von Christenkreuzen, das Andenken der Heiden geschändet« habe. Ebenfalls zum Unmut der angereisten Neonazis dürfte auch das vorzeitige Ende der Veranstaltung im Landkreis Verden beigetragen haben. Während ein Teil der Neonazis sich an der Wanderung über den Rundweg des Sachsenhains beteiligten, wurde durch weitere Personen der Gruppe ein Feuer zum Erwärmen von Honigwein, einem stark alkoholhaltigem Getränk, auf dem Privatgelände entzündet. Verantwortliche des Sachsenhains alarmierten daraufhin die Polizei.

Nach einer Gefahrenansprache mit den Verantwortlichen des Privatgeländes und in Anbetracht des fortgeschrittenen Alkoholkonsums einiger der im Sachsenhain versammelten Neonazis, wurden weitere Polizeikräfte hinzugezogen. Nach Weisung der Polizei mußte die Feuerstelle daraufhin gelöscht und die bereits in Gebrauch befindlichen Trinkhörner, durch die in ihrer »nordisch-germanischem Zeremonie« überraschten Neonazis, wieder verstaut werden. Nach Auskunft des Polizeisprechers der Polizeiinspektion in Verden führte die Gruppe ebenfalls Transparente mit politischen Slogans sowie weitere Propagandamaterialien mit sich. Gegen 12:30 Uhr war der neonazistische Spuk dann vorbei, Polizisten geleiteten die angereisten Teilnehmer_innen zur Autobahn mit Richtung Bremen. Als politischer Rückschlag wurde der unfreiwillige Abbruch der Veranstaltung, zumindest von Seiten der »Freien Nationalisten Bremen« dennoch nicht gewertet. »Der nationale und sozialistische Widerstand in Bremen lebt« und man wolle auch weiterhin den »Zusammenhalt der verschieden nationalen Gruppen stärken« lautete ein abschließende Kommentar der Gruppierung auf ihrer Internetseite. Solch angekündigte Aktivitäten, welche denen im Sachsenhain zumindest gleichkamen fanden dann im Anschluss auch auf einem Rastplatz nahe der niedersächsischen Gemeinde Langwedel statt. Anstatt aus Trinkhörnern trank man hier allerdings das Bier aus Flaschen.