07.03.2009 / Osnabrück: NPD Osnabrück auf den Spuren längst vergangener Zeiten

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Am Samstag, den 07.03.2009, fand im niedersächsischen Osnabrück ein Aufmarsch der neonazistischen NPD statt. Unter dem Motto »Die Hermannsschlacht: 2000 Jahre Kampf gegen Überfremdung - für nationale Selbstbestimmung« wollten die Aufmarschteilnehmer_innen ihre Ideologie in einen fantasievoll überhöhten historischen Kontext setzen. Knapp 140 Neonazis aus mehreren Bundesländern folgten dem Aufruf; darunter biedere NPD-Anhänger_innen, sogenannte »Autonome Nationalisten« (AN) und Mitglieder der parteiunabhängigen »Freien Kräfte«, teilweise im klassischen Naziskinhead-Stil. Als Redner der als Gedenkmarsch deklarierten Veranstaltung traten Andreas Molau, Udo Pastörs, Peter Naumann sowie Christian Fischer in Erscheinung.

Der Aufmarsch setzte sich mit einiger Verspätung in Bewegung. Zuvor wurde die Teilnehmer_innenzahl jedoch leicht nach unten korrigiert. Mehrere Neonazis erschienen stark alkoholisiert zur Startkundgebung und mussten auf Weisung der eingesetzten Ordnerkräfte die Veranstaltung bereits nach wenigen Minuten wieder verlassen. Ein weiterer Grund für die Verspätung war unter anderem ein Transparent am Lautsprecherwagen, einem alten Feuerwehrfahrzeug, gewesen, welches nach Meinung der Polizeiführung ein verbotenes Zitat darstellte. Die Veranstalter_innen hatten es anschließend entfernen müssen. Der lautstarke Protest des Aufmarschmitorganisators und Aktivisten der neonazistischen Vereinsorganisation »Heimattreuen Deutschen Jugend e.V« (HDJ) Christian von Velsen hatte dies nicht verhindern können.


Neonazikader auf den Spuren des Cheruskerfürsten


Mit dem gewählten Aufmarschthema nimmt die NPD vergangene Propagandamythen aus der Zeit des monarchisch geprägten Deutschen Reiches wieder auf, welche die Geschichte Deutschlands bis in die Zeit der Römer und Germanen verlängern wollten. Der Verweis auf die "Hermannsschlacht" dient der NPD nunmehr dazu rassistische Inhalte sowie ihre verkürzte Globalisierungskritik verfälschend aus dem Altertum herzuleiten. In diesem Bild ist Rom der Aggressor, wogegen die germanischen Stämme zu anti-imperialistischen Widerstandskämpfern umgedeutet werden. Eine Rollenverteilung in deren Tradition sich die NPD heute wähnt. Lediglich die Rolle des Aggressors wurde ausgewechselt. Eine solche Tradition ist wichtig für die Neonaziszene. Leitbilder und tiefe historische Wurzeln werden zu Identifikationszwecken benötigt.

So mag sich auch Udo Pastörs bei seiner Rede ein wenig wie der »Cheruskerfürst Hermann« gefühlt haben. Pastörs behaupte in seinem Redebeitrag, dass »einige hunderttausend« Neonazis ausreichend für einen politischen Umsturz in Deutschland seien, »wenn die Zeit reif ist«. Der Hinweis klingt wie eine Drohgebärde, ja beinahe eine des »Cheruskerfürsten« würdige Drohung. Freilich entging Pastörs nicht, dass seine Partei über diese Zahl an Anhänger_innen nicht verfügt. Gerade an diesem 7. März, an dem trotz der anwesenden Parteiprominenz lediglich rund 140 Neonazis zum langfristig stark beworbenen Gedenkmarsch erschienen, muss ihm das sehr deutlich geworden sein. In Anbetracht der mangelnden Mobilisierungsfähigkeit verschob Pastörs dann den Zeitpunkt des politischen Umsturz in eine nicht näher benannte Zukunft.


Parteiprominenz ohne Außenwirkung


Bei der Veranstaltung trat auch der ehemalige Kandidat für den NPD-Bundesvorsitz und Vorsitzende des NPD Unterbezirks Braunschweig Andreas Molau mit einem Redebeitrag in Erscheinung. Molaus Kandidatur für den NPD-Parteivorsitz war im Februar auf internen Druck gescheitert; seither ist seine Person in der Neonaziszene stark umstritten. Molau wetterte in seiner Rede über den Zentralrat der Juden und die demokratischen Parteien, durch die er die NPD von politischer Einflussnahme ausgeschlossen sieht. Neben Andreas Molau versuchte der ehemalige Rechtsterrorist und NPD-Bundestagskandidat aus dem sächsischen Meißen, Peter Naumann, den Aufmarsch mit einer Ansprache inhaltlich zu bereichern. Naumann referierte über »Hermann den Cherusker«, in dessen Tradition er die heutige neonazistische NPD wähnte. Ferner sprach der als »regionaler Aktivist« angekündigte Christian Fischer aus Vechta. Von Einigkeit war wenig zu spüren: Während der Rede von Andreas Molau wandten sich etliche Aufmarschteilnehmer_innen ab und drehten dem Spitzenkandidaten der NPD-Niedersachsen für die Bundestagswahl 2009 demonstrativ ihre Rücken zu.

Die rund 140 Aufmarschteilnehmer_innen setzten sich neben NPD-Mitgliedern, wie beispielsweise dem niedersächsischen NPD Landesvorsitzendem Ulrich Eigenfeld, zu weiten Teilen aus Angehörigen der 2009 reaktivierten »Jungen Nationaldemokraten Niedersachsen« (JN) sowie den Führungskadern des parteiunabhängigen Neonazinetzwerks »Nationale Sozialisten Niedersachsen« (NASO) aus Schneverdingen und Celle zusammen. Insbesondere die Nominierung von Führungspersonen der »Nationalen Sozialisten Niedersachsen« auf der Kandidatenliste der NPD Niedersachsen anlässlich der bevorstehenden Bundestagswahl im September 2009 dürfte der Grund für ihre Anwesenheit gewesen sein. Ebenfalls vor Ort, waren Mitglieder der »Freien Nationalisten Bremen« sowie der »AG Wiking« aus Wilhelmshaven. Darüber hinaus waren zahlreiche »Autonome Nationalisten« aus Niedersachsen und dem Ruhrgebiet nach Osnabrück gereist. Die Grenzen zwischen den einzelnen Gruppierungen sind dabei fließend. So kandidiert Matthias Behrens, Führungskader der militanten Neonazigruppe »Snevern Jungs« seit dem Landesparteitag in Dedensen am 15.02.2009 auf dem dritten NPD-Listenplatz für die kommende Bundestagswahl. Die als »Autonome Nationalisten« auftretende »Aktionsgruppe Delmenhorst« weist ebenfalls große personelle Verflechtungen mit der örtlichen JN-Gruppe auf und trug dementsprechend auch ein JN-Transparent.

Trotz der überregionalen Beteiligung dürfte die geringe Anzahl der Teilnehmer_innen eine für die NPD letztlich enttäuschende Bilanz bieten. Der Gedenkmarsch wurde intensiv beworben und sollte der Auftakt und Startschuss einer umfangreichen Kampagne der NPD Osnabrück werden. Die Veranstalter_innen hatten im Vorfeld mit ca. 200 Neonazis gerechnet. Selbst ein von Aktivisten der NPD eigens für diesen Aufmarsch erstelltes Mobilisierungsvideo, das unter anderem nachts in der Osnabrücker Innenstadt aufgenommen wurde, verfehlte jegliche Wirkung. Die Erwartungen der Organisator_innen wurden damit weit verfehlt. Begleitet wurde der Neonaziaufmarsch von etwa 5500 Menschen, die in Osnabrück gegen die NPD-Veranstaltung protestierten. Direkte Gegenaktionen an der Aufmarschstrecke wurden durch ein Großaufgebot der Polizei verhindert.