29.09.2009 / Delmenhorst: NPD-Propaganda und Eisenkette in Delmenhorst

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Am letzten Sonnabend vor der Bundestagswahl endete nun auch der Straßenwahlkampf der NPD-Delmenhorst mit einem weiteren Propagandastand in der Stadt. Der Bundestagskandidat der NPD im Wahlkreis 29, Florian Cordes, ließ nahezu seine gesamte Mannschaft am örtlichen Schweinemarkt antreten. Sechs Neonazis versuchten ihr Material loszuwerden, was ihnen wieder einmal nicht gelang. Im Anschluß attackierte dann ein JN-Aktivist einen Gegendemonstranten mit einer EIsenkette.

Um Punkt 10 Uhr errichteten Florian Cordes, Benjamin Grätsch, Kevin Boeck, und der jüngst zum niedersächsische Landesvorsitzende der "Jungen Nationaldemokraten" (JN) berufene Julian Monaco ihren Propagandastand in der Delmenhorster Innenstadt. Die Polizei war auch diesmal mit einem verhältnismäßig großem Aufgebot vor Ort, zwei Diensthunde flankierten den kleinen Tisch, der mit einschlägigem Material bestückt war.

Wie schon beim Wahlkampfstand am 29. August war es den Neonazis durch die Behörden untersagt worden, gezielt Passant_innen anzusprechen. Zwei mitgeführte JN-Fahnen durften ebenfalls nicht entrollt werden und standen einsam vor dem Schaufenster eines leerstehenden Drogerie-Geschäftes, dessen Scheiben in der Nacht zuvor von Unbekannten mit antifaschistischen Parolen wie „No Nazis“ versehen worden waren. Interessierte Bürger_innen und Mitglieder des Delmenhorster „Forum gegen Rechts“ bezogen gegenüber des Standes Stellung und beobachteten kritisch das Treiben der rassistischen Wahlkämpfer. Eine reguläre Mahnwache des „Forum gegen Rechts“ wurde von der Polizei untersagt, um eine „Provokation“ der Neonazis zu vermeiden. Schließlich gesellten sich noch die beiden jungen Neonazis Stefan Rabe und der kürzlich wegen eines Körperverletzungsdeliktes zu einer Geldstrafe verurteilte Marcel Hesse zu ihren braunen Kameraden.

Passant_innen, die sich dem Stand näherten wurden vom Bundestagskandidaten Florian Cordes mit einem aufgesetzten Lächeln begrüßt und in Gespräche verwickelt. Die weiteren fünf Aktivisten nahmen eher die Rolle gelangweilter Statisten ein und hielten sich vornehm zurück. Einige Wenige Passant_innen nahmen das angebotene Propaganda-Material an. Was die Neonazis nicht wussten: An den Eingängen der Fußgängerzone hatten NPD-Gegner die Bürger_innen vor dem Stand gewarnt und ihnen die kleine Aufgabe mit auf dem Weg gegeben, Materialien vom Stand mitzunehmen, um sie hinterher in einem braunen Müllsack außerhalb der Sichtweite der Neonazis zu entsorgen. Von diesem Angebot wurde reichlich Gebrauch gemacht.

Im Gegensatz zu dem Propaganda-Stand am letzten Augustwochenende fehlte die sogenannte Schulhof-CD der NPD. Die Partei darf die CD aufgrund von Urheberrechtsverletzung nicht mehr vertreiben, da ein Stück der US-amerikanischen Punk-Pop Band »Blink182«, deren Rechte der Elektonic-Konzern »Music Publishing Germany GmbH« (EMI) verwaltet, von der Eisenhüttenstädter Neonaziband »Hassgesang« gecovert wurde. Somit dürften die angeblich bereits gepressten 25.000 CD’s, mit dem von der Neonaziband eingespielten Stück »Brot und Spiele« für die Schrottpresse produziert worden sein. Auch auf Download-Portalen, darf der Sampler nur noch ohne das besagte Stück angeboten werden. Laut Berliner Tagesspiegel kommen auf die NPD möglicherweise Nachzahlungen in noch unbekannter Höhe an die »Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte« (GEMA) zu, da das besagte Musikstück nicht bei der »GEMA« angemeldet worden war. Somit könnte „Der Schrecken aller linken Spießer und Pauker“, wie die CD durch die NPD beworben wurde, zum einem weiteren finanziellen Schrecken der NPD selbst werden.

Ähnlich wie die NPD-Propaganda CD entwickelte sich auch der nun stattgefundene NPD-Infostand in der Delmenhorster Innenstadt zu einem kurzen Stelldichein. Noch vor Ende der angemeldeten Zeit, um 13 Uhr packten die anwesenden Neonazis ihren Stand zusammen und verschwanden eilig. Gegen vier der jungen Neonazi-Aktivisten wurde kurze Zeit später „Im Vorwerk“ von der Polizei ein Platzverweis erteilt. Sie hatten sich der Aufforderung von Polizeibeamten widersetzt, sich vom Platz zu entfernen. Was die Neonazis an diesem Tag unter Straßenwahlkampf verstanden, wurde nur wenig später am »Hasporter Damm« in Delmenhorst deutlich. Dort griff der am Stand beteiligte Marcel Hesse mit einer mitgeführten Kette einen jungen Mann an, der zuvor mit Mitglieder_innen des »Forum gegen Rechts« den Propagandastand der NPD beobachtet hatte. Das Tatwerkzeug wurde von der Polizei sichergestellt.

Bei der Bundestagswahl am 27. September 2009 erhielt der Kandidat der NPD, Florian Cordes 2346 Stimmen, was umgerechnet einen Stimmenanteil von 1,5 Prozent entspricht. Insgesamt 2009 Wähler_innen entschieden sich im Wahlkreis 29 „Delmenhorst - Wesermarsch – Oldenburger Land“ für die rassistische Partei, was wiederum einem 1,3-prozentigem Stimmenanteil entspricht. Damit liegt das Wahlergebnis der NPD in diesem Bereich etwas unterhalb des Bundesdurchschnitts und deckt sich mit dem Landesdurchschnitt, wo die NPD 1,2 Prozent erhält. Damit haben sich im Land Niedersachsen 53.915 Wähler_innen mit ihren Zweitstimmen für die NPD entschieden.