17.04.2010 / Bremerhaven: An der langen Leine: Combat-18 Konzert in Bremerhaven
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Das „Veranstaltungszentrum“ in Bremerhaven bot am vergangenen Wochenende die Bühne für eine Zusammenkunft der besonderen Art. Rund 70 Neonazis aus Norddeutschland versammelten sich dort anlässlich einer konspirativ vorbereiteten Musikveranstaltung. Man blieb bis zuletzt ungestört, obgleich die Musikgruppen und Veranstalter eindeutig in die Fusstapfen des in Deutschland verbotenen Netzwerks von „Blood & Honour“ traten sowie dessen militanten Ablegers „Combat 18“ zuzurechnen waren. Doch daran störten sich die zuständigen Behörden der Hansestadt scheinbar nicht.
Man werde die Veranstaltung „an der langen Leine laufen lassen“, so die Einsatzleitung der Polizeistation Bremerhaven wenige Stunden nachdem bekannt geworden war, dass sich rund 70 AnhängerInnen der norddeutschen Neonaziszene in der kreisfreien Stadt versammelt hatten. Man habe „alles unter Kontrolle“ und wisse mit „wem oder was man es hier zu tun habe“. Man habe einen Streifenwagen zum Ort des Geschehens geschickt. Eine Überprüfung oder gar ein Eingreifen der Veranstaltung sei hingegen „nicht erforderlich“, so der Kommentar des verantwortlichen Einsatzleiters. Eine Auskunft, welche bei Betrachtung der Konzertveranstaltung und dort involvierter Organisationsstrukturen durchaus aufhorchen lässt.
Besagte Musikveranstaltung, welche von der Polizeiführung Bremerhavens als durchaus „bedenklos“ eingestuft wurde, fand im sogenannten „Veranstaltungszentrum“, einer abgelegenen Lokalität in Sichtweite der Stadthalle Bremerhavens statt. Als Mieter der Räumlichkeiten trat indes kein Unbekannter in Erscheinung. Es handelte es sich um Denis Zadow, einen langjährigen Neonaziaktivisten aus der Hansestadt Bremen. Unter falschen Angaben mietete der politische Überzeugungstäter zuvor die Räumlichkeiten in der nördlichsten Enklave des Bundeslandes Bremen an. Während Zadow gegenüber dem Betreiber des „Veranstaltungszentrums“ angab eine „private Geburtstagsfeier“ durchführen zu wollen, wurde das konspirativ vorbereitete Treffen bereits in einschlägigen Internetforen als Konzertveranstaltung mit den Musikgruppen „Strafmass“, „Extressiv“ sowie der bislang nur wenig in Erscheinung getretenen Formation „Legion der Vergeltung“ beworben.
Bei der Vorbereitung des Konzertes griffen die Organisationsstrukturen um Denis Zadow in die Trickkiste szene-üblicher Verhaltensmuster zurück. Um einer möglichen Auflösung der Veranstaltung durch die Polizei vorzubeugen und somit Repressionen zu entgehen wurde der eigentliche Veranstaltungsort in Bremerhaven bis zuletzt geheim gehalten. Über Kontakttelefonnummern und einen Schleusungspunkt auf einem kleinem Parkplatz nahe der Autobahnausfahrt Uthlede (Landkreis Cuxhaven) wurden anreisende TeilnehmerInnen schließlich zum späteren Veranstaltungsort gelotst. Im Zusammenhang mit neonazistischen Konzertveranstaltungen dienen solche Verfahrensweisen dem Schutz der geheimen Treffen, unliebsame Beobachter_innen sollen so von den Konzerten ferngehalten werden. Das Vorgehen folgt dabei auch wirtschaftlichen Interessen. Konzerte tragen indirekt zur Finanzierung der Neonaziszene bei und entwickelten sich in den vergangenen Jahren zu einem nicht zu unterschätzendem wirtschaftlichen Standbein neonazistischer Hintergrundstrukturen.
Musik als ideales Mittel nationalsozialistische Ideologie zu verbreiten
Insbesondere die polizeiliche Einschätzung der Organisationsstrukturen des vergangenen Wochenendes wirft Fragen auf. Handelt es sich doch bei Dennis Zadow um kein unbeschriebenes Blatt. Dieser kann auf eine ebenso lange wie einschlägige Karriere innerhalb neonazistischer Netzwerke in Norddeutschland zurückblicken. So gehörte in den Jahren 2005 und 2006 zum Umfeld der „NPD Jugendgruppe Bremen“, überwarf sich jedoch wenig später im Streit mit Verantwortlichen der NPD und engagierte sich fortan in parteiunabhängigen Netzwerken. Gemeinsam mit weiteren abtrünnigen NPD-Aktivisten, unter anderem dem stellvertretenden Vorsitzenden der „NPD Jugendgruppe Bremen“ gehörte Zadow wenig später zum Gründungskreis der Internetkameradschaft „White and Pride“. Eine Gruppierung, welche im Gegensatz zur NPD Bremen eine verstärkte Anbindung an den neonazistischen Untergrund forcierte. Besondere Aufmerksamkeit der „White and Pride“-AnhängerInnenschaft galt dabei dem „musikalischen Untergrund“, jenen Strukturen, die „Musik als Waffe“ propagierten.
„White and Pride“ folgte damit der Sichtweise des, 1993 bei einem Autounfall tödlich verletzten, Sängers der Neonazi-Kultband „Skrewdriver“, Ian Stuart Donaldson, nach dessen Schlussfolgerungen Musik „das ideale Mittel“ sei „Jugendliche dem Nationalsozialismus näher zu bringen“. Enge Kontakte unterhielt die Bremer Splittergruppierung dabei vor allem zum Umfeld der Nazirock-Band „Oidoxie“ aus Dortmund. Die 1995 gegründete Musikgruppe, welche in ihrem Lieder-Repertoire zum „Rassenhass“ aufstachelt und einen kommenden Rassenkrieg beschwört, gehört bereits seit Jahren zum festen Kreis internationaler Neonazi-Netzwerke. Einen Namen machte sich die Dortmunder Formation um ihren Sänger Marko Gottschalk vor allem im Zusammenhang mit den sogenannten „Ian Stuart Memorial Concerts“, jährlich stattfindenden Konzertveranstaltungen zum Gedenken an den verstorbenen Skrewdriver-Frontmann. Die Verehrung, welche Donaldson durch einige Kreise der Neonaziszene zuteil wird, resultiert vor allem aus seiner Rolle im internationalen Neonazi-Geflecht von „Blood & Honour“.
Das militante „Blood & Honour-Netzwerk“ hat es sich zur Aufgabe gemacht Aktivitäten neonazistischer Musikbands zu koordinieren um dadurch nationalsozialistische Ideologie effizienter verbreiten zu können. In der Bundesrepublik wurde der deutsche Ableger von „Blood & Honour“ (B&H) im September 2000 aufgrund seines allzu offenen Bekenntnisses zum Nationalsozialismus vom Bundesministerium des Inneren verboten. Während etliche Mitglieder der sogenannten „Blood & Honour Division Deutschland“ daraufhin versuchten das Netzwerk im Untergrund fortzuführen, wichen andere ins angrenzende europäische Umland aus. So auch die Mitglieder der „Musikgruppe“ Oidoxie, die mittlerweile zum festen Bestandteil von B&H-Konzerten in ganz Europa gezählt werden können.
Innerhalb des B&H-Netzwerkes wird „Oidoxie“ den als gewaltbereit geltenden Strukturen von „Combat-18“ zugerechnet. Eine radikale B&H-Untergruppe, welche ursprünglich als bewaffneter Arm der Neonazi-Organisation in Großbritannien gegründet wurde und aus ihrer militanten Zielsetzung kein Geheimnis macht: Offen wird hier zur Gewalt gegen politische Gegner_innen aufgerufen. Neben dem „C-18 Netzwerk“ in der Bundesrepublik formiert sich um „Oidoxie“ außerdem die sogenannte „Oidoxie Streetfighting Crew“, eine etwa 60 Personen umfassende Security- und Ordnertruppe für Konzertveranstaltungen. Der Crew gehören zahlreiche Neonazi-Kader an. Eine Mitgliedschaft gilt als exklusiv. Auch Angehörige der Bremer Gruppierung „White and Pride“ bewegten sich in diesem Dunstkreis, unterstützten folglich „Oidoxie“ tatkräftig als Ordnungskräfte auf Konzerten.
„Combat 18“ und „Strafmass“ in Bremen
Die durchaus als eng zu bezeichnende Anbindung an Oidoxie und das „C-18 Netzwerk“ führten schließlich im Jahr 2007 zur Umstrukturierung von „White and Pride“ und zur Gründung der Nazirockgruppe „Strafmass“. Im Jahr 2008 absolvierte die Formation um ihren Frontmann und Sänger Denis Zadow bereits erste Konzertauftritte. Die politische Grundhaltung wurde dabei offen zur Schau gestellt: Ein erstes Bandlogo bestand bezeichnenderweise aus einer Zusammenstellung von Wolfsangel und SS-Runen. Zadow sowie weitere Mitglieder von „Strafmass“ gehörten wenig später auch zu den maßgeblichen Initiatoren einer weiteren Neonazigruppierung im Bremer Stadtgebiet. Unter der „Bezeichnung „Combat 18 - Terrormaschine“ verübte die Gruppe wenig später mehrere Angriffe auf Wohnungen politischer Gegner_innen sowie das Lidece-Haus, einem Bildungszentrum welches sich bis dahin lediglich auf theoretischer Ebene mit Neonazis auseinandersetzt hatte. In einschlägigen Internetportalen wie beispielsweise „Odin Kontaktanzeigen“, einem „nationalen Flirtportal“ wurde zuvor für Unterstützung der neu gegründeten Gruppierung geworben.
Die Gründung der Band „Strafmass“ und ihre offensichtlichen Verbindungen zum gewaltbereiten Netzwerk von „Combat-18“ zeugen von inhaltlichen Verschiebungen innerhalb der Bremer Nazirockszene. Bislang galt die Hansestadt vor allem als Refugium sogenannter „Hammerskins“ - einem eigenem Netzwerk im internationalen Business der Neonaziszene, welches in Konkurrenz zu „Blood & Honour“ sowie „Combat 18“ steht. Musikgruppen des „Hammerskin-Netzwerkes“ mit illustren Namen wie „Endlöser“ oder „Hetzjagd“, verfügten bis dahin über eine Monopolstellung in der Hansestadt. Bei der wohl bekanntesten und ältesten Musikgruppe jenes Netzwerkes dürfte es sich um die Bremer Band „Endstufe“ handeln, welche bereits im Jahr 1981 gegründet wurde. Lediglich die rechtsradikale Hooliganband „Kategorie C – Hungrige Wölfe“ um ihren Sänger Hannes Ostendorf machte in Bezug auf die Bremer Hetzmusikanten und deren Verbindungen zur sogenannten „Hammerskin-Nation“ bislang eine Ausnahme. Ostendorf, dessen Bruder Henrik Ostendorf eine leitende Funktion im „Deutsche Stimme Verlag“ sowie in den Strukturen der Bremer Hooligangruppierung „Standarte Bremen“ innehat, trat in der Vergangenheit bereits als Frontmann der „Blood & Honour“- Band „Nahkampf“ in Erscheinung.
Die Positionierung zum Netzwerk von „Combat-18“ ist in der Hansestadt somit ein relativ junges, im Vergleich zu den Musikern des Bremer „Hammerskin-Netzwerkes“ inzwischen doch ebenso produktives, Phänomen. Unterstützt vom „Combat-18“-Netzwerk veröffentlichen die Bremer Hetzmusikanten der Band „Strafmass“ schließlich im Jahr 2009 ein erstes musikalisches Schaffenswerk - aufgenommen im Proberaum der nordrhein-westfälischen Nazirockband „Oidoxie“. Der tiefsinnige Titel des Tonträgers: „Wir rechnen ab“. Das änderte letztlich nichts an einer kurz darauf erfolgten Indizierung durch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BpjM). Dass die Indizierung des Tonträgers dem Image der Nazirockband „Strafmass“ durchaus entgegen kam, zeigt ein weiterer Auftritt der Band im vergangenen Jahr. So trat die Bremer C-18 Formation, gemeinsam mit der Band „Extressiv“ im Rahmen eines „Blood & Honour“ - Konzertes am 08.08.2009 in den Niederlanden in Erscheinung. Ausgerichtet wurde die Veranstaltung dabei durch „Blood & Honour Nederland and Vlaanderen“.
Dass sich Denis Zadows Aktivitäten derzeit nicht alleinig auf seine Rolle des Frontmannes bei „Strafmass“ beschränken lassen, zeigen auch die Ereignisse des vergangenen Wochenendes. In Bremerhaven versuchte sich der umtriebige Neonaziaktivist nun in der Funktion des Veranstalters von Neonazikonzerten. Und dies, mit stillschweigender Duldung der Behörden welche die Veranstaltung als „bedenkenlos“ klassifizierten. Angesichts der Aussagen der dort vertretenden Musikgruppen wie „Strafmass“ und „Extressiv“, welche einen kämpferischen Bezug zum Nationalsozialismus entfalten, ein durchaus fragwürdiges Vorgehen. Die Mitglieder von „Extressiv“ bringen ihre Zielsetzung dabei sichtlich unverblümt auf den Punkt: „Musik ist mächtig und daher auch in der Lage die Gesellschaft und die Menschen zu verändern. Wir denken, dass wir mit unserer Musik einen treibenden Beitrag leisten.“ SS-Runen der Formation „Strafmass“ runden das Bild ab, das aufzeigt, in welche Richtung diese Veränderung gehen soll.
Eine Erkenntnis, welche in die Sphären der Polizeiführung und des Verfassungsschutzes des Bundeslandes Bremen bislang nicht durchgedrungen zu sein scheint. Auf eine Überprüfung der Konzertveranstaltung wie auch der etwa 70 aus ganz Niedersachsen angereisten TeilnehmerInnen wurde von Seiten der Einsatzleitung verzichtet. Bewacht von eigens gestellten Ordnerkräften der Neonaziszene verbarrikadierten sich die militanten Neonazi-Anhänger im Veranstaltungsort und konnten das Konzert letztlich ungestört durchführen. Wohl auch angesichts mangelnder Ermittlungsergebnisse verzichtete die Ortspolizei Bremerhavens bislang auf eine entsprechende Pressemitteilung. Als Grund hierfür wurden „ermittlungstaktische“ Maßnahmen angeführt. Ermittlungen, welche auch beim Inhaber des „Veranstaltungszentrums“ auf reges Interesse stoßen dürften. Er sei von den Neonazis getäuscht worden, welche sich unter falschen Angaben den Zutritt in die Räumlichkeiten verschafft hatten. Aufgeklärt über die wahren Hintergründe der „Geburtstagsfeier“ hätte er umgehend den Mietvertrag zurückgezogen. Bis heute hätte sich allerdings kein Beamter mit ihm in Verbindung gesetzt.